Warum wir uns vom Gedanken des Lockdowns verabschieden können
Vermutlich will jetzt niemand mehr das Wort Lockdown hören – und Hans-Peter Hutter von der MedUni Wien hat dafür durchaus Verständnis. Der Epidemiologe würde diese Phase ohnehin lieber anders bezeichnen. Im KURIER-Gespräch schätzt er die geplanten Öffnungsschritte und die voranschreitenden Impfungen auf das Infektionsgeschehen ein und skizziert, was uns in den nächsten Monaten erwarten könnte.
KURIER: Die Menschen freuen sich über die Öffnungen. War es das jetzt endlich mit dem Lockdown?
Hans-Peter Hutter: Ich sehe die nächste Zeit so: Durch den Impferfolg, in Abhängigkeit von der Durchimpfungsrate, kann man sich vom Gedanken Lockdown verabschieden. Es wird zwar dort und da auch weiterhin Infektionscluster geben, die punktuell auftreten. Man wird dann auch punktuell Maßnahmen zur Eingrenzung ergreifen. Aber nicht mit flächendeckenden Lockdowns.
Wie werden sich die Impfungen auf die Öffnungen auswirken?
Sie werden sich ganz klar positiv auswirken. Es gibt eine wachsende Gruppe, die ein geringeres Erkrankungsrisiko hat. Ein Übertragungsrisiko ist zwar weiterhin gegeben – aber es ist deutlich reduziert.
Natürlich werden regionale Konzepte zu den Öffnungsschritten notwendig sein. Der Bund gibt einen gewissen Rahmen für die Öffnungen vor. Jetzt ist die Frage, wie es die Länder machen.
Was wäre die beste Lösung aus epidemiologischer Sicht?
Ich war immer ein Fan der schrittweisen Öffnungen. Man kann dann auftretende Folgen besser nachvollziehen und gegebenenfalls gegensteuern.
Wann würden Sie für einen Lockdown plädieren?
Ich will eigentlich gar nicht von Lockdown sprechen. Was ist denn damit gemeint? Es geht immer um Maßnahmen, um infektiöse Kontakte zu reduzieren.
Und wann wären solche Maßnahmen aus Ihrer Sicht nötig?
Für mich wäre ein triftiger Grund für kontaktreduzierende Maßnahmen, wenn neue Virusvarianten entstehen, die sich der Wirkung der Impfungen entziehen.
Ende des Ost-Lockdown; Nagelstudio und Piercer
Könnte uns das im Herbst erwarten?
Bisher ist das nicht der Fall. Es ist aber eine mögliche Problematik, die auftreten könnte und die man daher bedenken muss.
Gibt es bestimmte Werte oder Zahlen, die einen Lockdown begründen würden?
Inzidenzen sind aufgrund der unterschiedlichen Teststrategien als Marker nicht geeignet. Sicherer und wichtiger sind für mich als Epidemiologe die Zahlen der Hospitalisierungen und Belegung der Intensivstationen. Diese beiden Zahlen können als Parameter herangezogen werden. Die Intensivstationen und das Gesundheitssystem an sich nicht zu überlasten,war seit Pandemiebeginn ein Ziel.
Was werden Sie diese Woche als erstes wieder einkaufen?
Ich habe nichts wirklich Notwendiges, das ich unbedingt besorgen müsste. Ich gehe eher zielorientiert einkaufen. Was ich aber auf jeden Fall in Anspruch nehmen werde, sobald es wieder möglich ist: Einen Kaffee in einem Kaffeehaus, im Sitzen. Und ins Freibad gehen. Das ist ein Kernelement unseres Sommers. Wir haben auch schon viele Anfragen und werden dafür entsprechende Konzepte entwickeln. Der Besuch eines Freibads gehört zur Entlastung, die man den Menschen bieten sollte. Das muss man unterstützen und dazu die Möglichkeit geben.
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