Inflation in Österreich deutlich über Schnitt der Eurozone
Die anhaltend hohe Teuerung in Österreich zehrt an der Kaufkraft der Menschen, sie können sich für 100 Euro immer weniger leisten. Im bisherigen Jahresverlauf zeigte sich bei der Inflation ein stetiges Auf und Ab, weil von den Energie- über die Lebensmittel- bis hin zu den Gastronomiepreisen immer wieder andere Einflussfaktoren die Oberhand gewannen.
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Laut einer Schnellschätzung der Statistik Austria könnte die Trendwende aber erreicht sein. Im Mai lag die Inflationsrate dembach bei 8,8 Prozent. Das ist eine kleine Erholung gegenüber April (9,7 Prozent) und der niedrigste Wert seit Juni 2022, aber immer noch weit über allen von Politik und der Europäischen Zentralbank (EZB) angestrebten Werten. Der nach EU-Standards berechnete Harmonisierte Verbraucherpreisindex (HVPI) lag bei 8,7 Prozent.
Die Teuerung habe "deutlich an Schwung verloren", sagte Tobias Thomas, Generalsdirektor der Statistik Austria. "Hauptverantwortlich für diesen Rückgang ist der ungebrochene Abwärtstrend bei den Treibstoffpreisen und auch bei den Nahrungsmitteln schwächt sich der Preisauftrieb weiter ab".
Auf und Ab
Die Inflationsrate war von September bis Februar über zehn Prozent, im Jänner erreichte sie mit 11,2 Prozent den höchsten Stand seit 1952. Im Februar (10,9 Prozent) und März (9,2 Prozent) sank sie leicht, im April folgte dann die Enttäuschung, als die Rate im Jahresabstand wieder auf 9,7 Prozent hinaufschnellte (siehe Grafik).
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In der Folge kündigte auch das Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo an, die Jahresprognose von 7,0 auf 7,5 Prozent anzuheben. Zum Vergleich: Im Jahresdurchschnitt 2022 betrug die heimische Teuerungsrate 8,6 Prozent.
Im Laufe des Jahres wird die Teuerungsrate auf fünf bis sechs Prozent sinken, schätzt der Ökonom Josef Baumgartner vom Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo). Nächstes Jahr, soll sie dann zwischen 3,5 und 4 Prozent liegen.
Eurozone
Noch liegt die österreichische Inflationsrate allerdings deutlich über dem Durchschnitt der Eurozone. Dieser liegt laut der europäischen Statistikbehörde Eurostat bei 6,1 Prozent. Der Rückgang seit April (7 Prozent) beträgt dabei, ebenso wie in Österreich, 0,9 Prozent. Die Kerninflationsrate, in der die stark schwankenden Preise für Energie- und Lebensmittelpreise sowie Alkohol und Tabak nicht berücksichtigt werden, ist ebenfalls rückläufig. Sie lag im Mai bei bei 5,3 Prozent (April: 5,6 Prozent). Auch Österreichs wichtigster Handelspartner Deutschland meldete im Mai eine Teuerungsrate von 6,1 Prozent (HVPI 6,3 Prozent).
Auch das ist allerdings deutlich mehr als der EZB-Zielwert von zwei Prozent. Die Zentralbank in Frankfurt gibt sich daher entschlossen, im Juni und Juli den Leitzins weitere Male um jeweils 0,25 Prozentpunkte auf dann 4,0 Prozent anzuheben. Die EZB müsse ihren "Erhöhungszyklus fortsetzen, bis wir genug Zuversicht haben, dass sich die Inflation auf einem guten Weg befindet, zeitnah auf unseren Zielwert zurückzukehren", sagte EZB-Chefin Christine Lagarde. Grund für Optimismus gab es in Spanien. Dort lag die HVPI-Inflationsrate für mai nur bei 2,9 Prozent. Das liegt einerseits daran, dass die Regierung vergleichsweise stark und früh in die Energie-Großhandelspreise eingegriffen hat. Laut Baumgartner allerdings auch daran, dass die Nachfrage aufgrund der insgesamt schwächeren wirtschaftlichen Entwicklung niedriger war.
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Deutsche Experten erwarten dennoch, dass die Inflation noch längere Zeit über zwei Prozent verharren wird. Sie rechnen zwar in den kommenden Jahren mit einem Rückgang, das Inflationsziel der EZB dürfte aber frühestens ab 2025 erreicht werden, wie eine am Dienstag veröffentlichte Umfrage des deutschen Wirtschaftsforschungsinstituts ZEW zeigt.
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Für Österreichs Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) ist die jüngste Entwicklung "erfreulich", es gelte aber weiterhin alles zu tun, "damit sich dieser Trend nun nachhaltig festsetzt und die Inflation weiter sinkt". Staatliche Maßnahmen, die die Nachfrage stützen, sollen deswegen schrittweise reduziert werden. Einen Rückbau der staatlichen Hilfsprogramme haben zuletzt auch Ökonomen des wirtschaftsliberalen Thinktanks Agenda Austria gefordert.
Verzögerter Rückgang
Dass der Rückgang der Inflationsrate bereits auf Regierungsmaßnahmen zurückgeht, ist für Josef Baumgartner vom nicht ersichtlich. Er sieht den Grund vor allem im Rückgang der internationalen Energiepreise. Während diese bei Sprit und Heizöl bereits gesunken wären, erwartet der Experte, dass auch die Verbraucherpreise für Strom und Gas im Laufe des Jahres weiter sinken.
Der Hintergrund ist, dass in Österreich die meisten Verbraucher langfristige Lieferverträge haben. Als die Energiepreise im Großhandel ab er zweiten Hälfte 2021 anstiegen, blieben die österreichischen Konsumenten davon deswegen zunächst relativ verschont. Die Preise schlugen dann später als in anderen Ländern durch - und auch die Preisrückgänge kommen dementsprechend später an.
Ein weiterer Grund, warum die Inflation in Österreich höher ist, als in allen anderen Gründungsländern der Eurozone ist der vergleichsweise hohe Anteil der touristischen Dienstleistungen am österreichischen BIP. Im vergangenen Jahr habe die Lohnentwicklung noch "wenig zur Inflationsentwicklung beigetragen", so Baumgartner, heuer würden die hohen Lohnabschlüsse aber "weitergewälzt". Dadurch verteuern sich insbesondere Dienstleistungen überproportional, weil die Personalkosten in dem Sektor einen hohen Anteil an den Gesamtkosten ausmachen.
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