Was ist dieser Warenkorb und wer beschließt ihn? Die Regierung? Die EU?
Nein, die Konsumenten selbst. Basis ist die alle fünf Jahre durchgeführte Konsumerhebung bei 8.000 Haushalten in ganz Österreich. Sie zeichnen über ein Jahr lang alle zwei Wochen lang Einkäufe und Ausgaben auf. Dann wird hochgerechnet und alle Produkte und Dienstleistungen, für die die Österreicher in Summe mehr als 150 Mio. Euro pro Jahr ausgeben, landen im fiktiven Warenkorb der Statistiker. Dort befinden sich aktuell 757 Positionen in zwölf Hauptkategorien (siehe Grafik).
Entscheidend sind die Gewichtungen im Warenkorb. Was sagen sie aus?
Mit Hilfe der Gewichtungen soll das Konsumverhalten möglichst realistisch abgebildet werden. Ein Beispiel: Einzelne Lebensmittel haben ein geringes Gewicht. Selbst wenn ihr Preis wie bei Butter oder Speiseöl in die Höhe schießt, schlägt das kaum auf die Teuerung durch. Werden Lebensmittel generell teurer, sieht man das recht schnell in der Inflationsrate. Denn die Kategorie "Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke" mit 130 Produkten hat insgesamt ein Gewicht von 11,5 Prozent. Der statistische Durchschnittsmensch, den es in der Realität so nicht gibt, braucht also 11,5 Prozent des Einkommens für Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke.
Was hängt alles von der Inflationsrate ab?
Rund 80 Menschen schwärmen aus, um monatlich all die Preise zu erheben, die es auf Basis des Warenkorbes benötigt, um das Ausmaß der Teuerung zu bestimmen. Weitere 20 Menschen arbeiten in der Statistik Austria an der Berechnung das amtlichen Inflationswertes. Er ist so relevant, weil er die Basis für Löhne, Pensionen, Mieten, Gebühren oder teils Versicherungsprämien darstellt.
Was ist die wichtigste Gruppe im Warenkorb?
"Wohnen, Wasser, Energie" hat das größte Gewicht mit 19,2 Prozent aller Ausgaben. Hier sind die Mieten enthalten, die Kosten für Gas, Strom Fernwärme oder Reparaturen in der Wohnung. Kritiker sagen: Die Wohnkosten verschlingen doch einen viel größeren Teil des Einkommens. Erklärt wird das so: Die Mehrheit der Österreicher (ca. 55%) lebt im Eigentum. Sie zahlen also gar keine Miete – sie hat daher im Warenkorb nur ein Gewicht von 5,5 Prozent. Außerdem bezieht sich das auf die Kaltmiete. Für die Betriebskosten kommen zwei Prozent dazu und für die Heizkosten weitere vier Prozent.
Was ist jetzt wirklich der größte Preistreiber?
Diesel (+47,4 %) und Benzin (+35 %) waren 2022 die größten einzelnen Preistreiber des Jahres. Zwischenzeitlich wurde Tanken wieder günstiger, dann auch wieder teurer – ein ewiges Auf und Ab. Im Warenkorb hat Diesel ein Gewicht von nur 1,9 Prozent, weil ja viele Menschen gar kein Auto besitzen, mit Superbenzin oder bereits elektrisch fahren. Bahnfahren wurde übrigens billiger, die Jahreskarte ("Klimaticket") um 31,6 Prozent.
Gibt es so etwas wie eine individuelle Inflation?
Je nach Lebenssituation unterliegt man einer anderen Inflation, sagt Wifo-Experte Josef Baumgartner. Wer am Land im Eigentum lebt, ein Auto braucht und mit Heizöl heizt, hat ganz andere Ausgaben als ein Städter, der in einer Mietwohnung lebt, öffentlich fährt und mit Gas heizt. Auch können Menschen, die gut verdienen, die Teuerung viel eher verkraften als Jobsuchende, deren Arbeitslosengeld nicht an die Inflation angepasst wurde. Baumgartner: "Die obersten zehn Prozent können monatlich 40 Prozent des Einkommens sparen. Bei sehr niedrigen Einkommen, oft Pensionisten oder Studenten, musste schon vor dem Inflationsschub jeder Euro zwei Mal umgedreht werden."
Ist die Inflationsberechnung EU-weit einheitlich?
Nein. In Österreich spricht man bei der Inflation auch vom Verbraucherpreisindex (VPI). Für den EU-Vergleich wurde der harmonisierte Verbraucherpreisindex (HVPI) eingeführt. Die wenigen Unterschiede liegen in der Gewichtung der Ausgabengruppen (z. B. von Energie).
Was sind Unterschiede im Vergleich zu Deutschland oder der Schweiz?
In Österreich fahren viel mehr Autofahrer mit Diesel als in Deutschland. Und ausgerechnet Diesel wurde ja besonders teuer, was sich in der Inflationsrate zeigt. Wie auch der höhere Tourismus-Anteil in Österreich mit seinen Preissteigerungen in der Beherbergung und Gastronomie.
Die Schweiz konnte durch ihren starken Franken Energie günstiger importieren, die Inflation blieb 2022 bei geringen 2,7 Prozent (Österreich: 8,6%). Ein zweiter – überraschender – Grund: Während in Österreich neun Prozent der Preise administrierte Preise sind, also in irgendeiner Form von der öffentlichen Hand gesteuert oder beeinflusst, sind es in der Schweiz 29 Prozent aller Preise (vor allem bei Energie). Das macht unterm Strich einen großen Unterschied aus.
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