Fall Taboga ist nur die Spitze des Eisbergs

Fall Taboga ist nur die Spitze des Eisbergs
Was bisher geschah - und warum Österreich im Fokus steht.

Die Statements klingen vertraut, werden dadurch aber nicht vertrauenswürdiger. Wie in einer Dauerschleife fährt die Führung von Bundesliga und ÖFB beim Kampf gegen die Wettmanipulation verbal im Kreis: „Volle Kooperation mit den Behörden“, „keine Beweise“, „Bitte um Akteneinsicht“, „keine Vorverurteilung“, „Bekenntnis zur Aufklärung“ – von Fall zu Fall müsste nur das Datum ausgetauscht werden.

Vor 350 Tagen deckte der KURIER auf, dass die Vienna 2011 in die Fänge der Wettmafia geraten war. Seither ist viel passiert – aber ob auch alles Mögliche getan wurde? 2013 ist jedenfalls das Jahr, in dem die Wettmanipulation Österreichs Fußball auch offiziell heimsuchte. Ein Überblick:

2. Dezember 2012 Der KURIER deckt auf, dass eine Handvoll damaliger Vienna-Spieler 2011 zumindest drei Partien in der zweiten Spielklasse verschoben hat.

3. Dezember 2012 Die Vienna bestätigt den KURIER-Bericht und will den Kampf gegen die Wettmafia zum Thema bei der Generalversammlung der Liga machen. Der Erfolg ist überschaubar.

31. Jänner 2013 Der bei der Vienna mit Handspielen im eigenen Strafraum aufgefallene Erdzan Beciri wird von Heiligenkreuz am Waasen angemeldet, obwohl die Vienna und der ÖFB den steirischen Landesligisten ausdrücklich gewarnt haben.

4. Februar 2013 Europol gibt bekannt, dass zwischen 2008 und 2011 in Europa zumindest 380 Spiele manipuliert wurden. Die höchste Zahlung an eine Einzelperson wurde mit rund 140.000 Euro in Österreich getätigt. Den europaweit höchsten Profit durch Wettbetrug gab es mit 700.000 Euro bei Red Bull Juniors – Hartberg (7:0).

14. Februar 2013 Bundesliga-Vorstand Georg Pangl kritisiert in einer live im Fernsehen ausgestrahlten Pressekonferenz Europol: „Der größte Teil dieser Enthüllungen ist ein alter Hut. Europol sollte strukturierter und durchdachter vorgehen.“

März 2013 Matthew Benham, Chef von Smartodds, sagt im deutschen Fachmagazin 11 Freunde über die Anfälligkeit von Ligen für Spielmanipulationen: „Schlimm sind Österreich und Spanien.“

6. April 2013 In den ersten beiden Spielminuten der Zweitliga-Partie Grödig – Kapfenberg (0:1) werden in Asien mehrere Hunderttausend Euro darauf gewettet, dass Tabellenführer Grödig (mit Dominique Taboga als Kapitän auf dem Feld) nicht gewinnt. Noch in der ersten Hälfte twittern Wett-Experten von einer „zu 100 Prozent geschobenen Partie“.

9. Juni 2013 Der frühere FIFA-Sicherheitschef Chris Eaton erklärt im KURIER: „Als Reaktion auf die Pandemie der Wettmanipulation hören wir vor allem Worte. Wettmanipulation ist lukrativer als der Drogenhandel.“ Und: „In Österreich gibt es mehrere ernsthafte Fälle.“

22. Juni 2013 Gerald Fretska, der Leiter der Task Force „Matchfixing“ im Innenministerium, sagt im KURIER: „Wir sind sicher, dass es in Österreich allein zwischen 2009 und 2011 mindestens 15 manipulierte Partien gegeben hat.“ Und: „Es gibt keinen Grund zu glauben, dass die Manipulationen seither aufgehört hätten. Wir sitzen bei diesem Netzwerk mittendrin.“

13. September 2013 Der ÖFB leitet gegen Mario Majstorovic (früher Kapfenberg) und Beciri (früher Vienna) verbandsrechtliche Schritte ein. Auf Servus TV erklärt der leitende Ermittler Andreas Holzer, dass weitere acht Verdächtige (keine Fußballer) vor der Anklage stehen.

7. November 2013 Die Kronen Zeitung berichtet, dass aus der 15-Spiele-Sperre für Majstorovic beim burgenländischen Klub Draßmarkt nach dem Geständnis (versuchte Wettmanipulation) sechs Monate werden – was durch die lange Winterpause im Amateur-Kick eine erhebliche Verringerung darstellt.

12. November 2013 Die Kronen Zeitung berichtet von der Verhaftung von Ex-Teamstürmer Sanel Kuljic und zwei Komplizen wegen der Erpressung von Taboga. Über Kuljic wird die U-Haft verhängt.

13. November 2013 Der Buch-Autor Benjamin Best sagt im KURIER: „Der ÖFB hat 2010 über die Probleme von Kuljic Bescheid gewusst, aber nichts unternommen.“ Durch einen Prozessbeobachter wären die Funktionäre auch über Ergebnisse der Staatsanwaltschaft Bochum informiert gewesen. Passend dazu zitierte das Sportmagazin schon im Juli 2012 aus den Akten und nannte Kuljic als verdächtig.

14. November 2013 Taboga fliegt bei Grödig raus, weil er im Frühjahr vier Mitspieler zur Spielmanipulation anstiften wollte. Drei davon sind noch beim Verein, sie hätten nach geltendem Recht Tabogas Versuch sofort melden müssen – Klub-Manager Haas ist dennoch „stolz auf diese Spieler“. Die Salzburger Nachrichten berichten, dass Taboga absichtliche Elfmeterfouls angeboten habe.

Die Bundesliga sucht derzeit Sponsoren. Neben den Verträgen der Hauptsponsoren tipp3 und T-Mobile läuft auch das Mandat von Liga-Präsident Hans Rinner aus.

Für alle Verdächtigen gilt die Unschuldsvermutung.

Gekaufte Spiele: Viele Verdachtsfälle

Die Länder wechseln, die Meldungen bleiben gleich erschreckend: Immer öfter werden im Fußball-Business Ermittlungen wegen Manipulationsvorwürfen aufgenommen, oder – seltener – auch abgeschlossen.

Zuletzt legte die FIFA-Ethikkommission wegen Manipulationen in Südafrika im Vorfeld der WM 2010 los. Der Weltverband reagierte damit auf das Versäumnis der südafrikanischen Regierung, die sieben Monate nach der Verständigung auf eine Untersuchung noch nicht gehandelt habe. Die FIFA hatte ihren Bericht zu den Testspielen Südafrikas gegen Thailand, Bulgarien, Kolumbien und Guatemala vorgelegt.

In Europa sorgte zuletzt Europol für die größte Aufregung: Im Februar gab die europäische Polizeibehörde bekannt, dass neben 380 Spielen in Europa weitere 300 in Asien, Süd- und Mittelamerika sowie Afrika zwischen 2008 und 2011 zugunsten der asiatischen Wettmafia verschoben worden sein sollen. Das Netzwerk wird von Singapur aus gesteuert.

Etwa zwei Milliarden Dollar pro Woche werden in Südostasien mit Sportwetten umgesetzt, schätzt der Ex-Chefermittler der FIFA, Chris Eaton. Dabei galt ein gewisser Tan Seet Eng, genannt Dan Tan, bis zu seiner Verhaftung im September als Kopf des internationalen Wettsyndikats. Über Hunderte Mittelsmänner manipulierte er Spiele auf vier Kontinenten. In Finnland kontrollierten die Asiaten gar einen kompletten Klub. In Singapur wurden neben Dan Tan 13 Personen festgenommen. Die elf Männer und zwei Frauen standen unter Verdacht, als „Teil einer Gruppierung des organisierten Verbrechens an Spielmanipulationen beteiligt“ zu sein.

Dan Tan ist auch eine der Schlüsselpersonen im italienisch Wettskandal „Calcio scommesse“. Bei einer landesweiten Razzia in Italien durch die Staatsanwaltschaft Cremona im Juni 2011 wurden eine 30-köpfige Bande von mutmaßlichen Wettbetrügern verhaftet, darunter Ex-Teamspieler Giuseppe Signori und 15 weitere Spieler, Vereinsfunktionäre und Wettbürobetreiber.

Spur nach Österreich

2009 wurde der europäische Fußball vom Skandal um die beiden kroatischen Brüder Ante und Milan Sapina erschüttert. Schon 2005 waren die Wett-Paten bei der Causa des korrupten Schiedsrichters Robert Hoyzer in Deutschland beteiligt. Die Sapinas sollen mit manipulierten Spielen bei Wetten in Asien und Europa insgesamt rund zehn Millionen Euro erzielt haben, Österreichs Fußball spielte dabei eine wesentliche Rolle.

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