Wettskandal: Vienna greift an

Wettskandal: Vienna greift an
Die Vienna bestätigt den KURIER-Bericht. Präsident Dvoracek glaubt an ein Problem mehrerer Vereine.

Die Vienna in den Fängen der Wett-Mafia" – ein heikles und für den ältesten Fußball-Verein des Landes durchaus schmerzhaftes Thema. Der KURIER berichtete am Sonntag von den umfangreichen Ermittlungen der Staats­anwaltschaft Graz und dem heiklen Deal des finanziell angeschlagenen Zweitligisten im Kampf gegen offenbar manipulierte Partien durch damalige Vienna-Spieler.

Der 1894 gegründete Verein aus Döbling versucht gar nicht, das Beschriebene zu dementieren oder die Probleme zu ignorieren. Im Gegenteil, die Vienna geht im Kampf gegen die Wett-Mafia in die Offensive. Es wurde eine offizielle Stellungnahme abgegeben, der KURIER-Bericht vollinhaltlich bestätigt und betont, wie hart der sportliche Alltag inmitten der intern diskutierten Verdachtsmomente war: "Eine Unruhe, die mutmaßlichen Tätern in die Karten gespielt und dem Verein noch zusätzlichen Schaden zugefügt hat."

Heikler Deal

Zur Erinnerung: Auf (zumindest) drei Vienna-Spiele wurden 2011 in Asien jeweils mehrere Hunderttausend Euro gesetzt – konkret auf Niederlagen, die nach teils kuriosen Spielverläufen und unerklärlichen Handspielen im eigenen Strafraum eintrafen. Eine Handvoll damaliger Spieler soll mit der Wett-Mafia kooperiert haben, ihre Namen dürfen aus rechtlichen Gründen (noch) nicht genannt werden.

Da sowohl die Beweise für eine Entlassung als auch das Geld für eine Beurlaubung fehlten, kam es für das Frühjahr zu einem heiklen Deal. "Einem Eiertanz", wie Präsident Herbert Dvoracek zugibt: Ein Teil der verdächtigen Spieler blieb – unter strenger Beobachtung stehend – noch bis zum Saisonende. Dvoracek: "Zu 80 Prozent waren die Leistungen dann in Ordnung." Im Sommer erfolgte der Neustart.

Die Vienna hält fest: "Vonseiten der Vienna wird der im KURIER erschienene Artikel begrüßt, da er ebenso wie diese darauf bezugnehmende Stellungnahme seinen Teil zu einer erhöhten Sensibilisierung für dieses schwierige Thema beiträgt."

Dvoracek geht noch einen Schritt weiter und erklärt: "Am Freitag gibt es eine Generalversammlung der Bundesliga. Es wäre an der Zeit, dieses schwierige Thema mit allen Vereinspräsidenten offensiv anzugehen. Die Vienna hat genug falsch gemacht und dafür gelitten.“ Da die Staatsanwaltschaft bestätigt, dass auch Verdachtsmomente bei Hartberg und Kapfenberg untersucht werden, meint Dvoracek: "Wenn zwei bis drei Vereine in einer Zehnerliga Probleme mit der Wett-Mafia haben oder hatten, möchte ich gar nicht daran denken, ob es auch noch eine Dunkelziffer gibt."

Passive Bundesliga

Während in Deutschland Wettbetrüger schon verurteilt wurden, war es zuletzt in Österreich bis zum KURIER-Bericht verdächtig ruhig. Obwohl in Bochum vor Gericht auch Spiele aus Österreich behandelt wurden.

War die Bundesliga bisher zu passiv? "Wir konnten in dieser Causa nicht aktiver werden", sagt Bundesliga-Vorstand Georg Pangl, der bestätigt, dass es mehrere Termine mit Vienna-Verantwortlichen zum Thema gegeben hat. "Aber ohne handfeste Beweise können wir den verdächtigen Spielern nicht verbieten, in der Liga zu spielen. Da geht es dann sehr schnell um Rufschädigung."

Es war die Szenerie eines Agententhrillers made in Hollywood. Nach dem Ende der Herbstsaison vor einem Jahr luden die Vienna-Verantwortlichen eine Handvoll Spieler zu einer vertraulichen Sitzung auf die Hohe Warte. Mit dabei war ein Mittelsmann, der für die Legionäre im Vienna-Kader als Dolmetscher fungierte, angeblich aber auch eine andere, dubiose Rolle einnahm.

Den Spielern des Zweitligisten wurde erklärt, dass die Vienna ein Problem mit der Wett-Mafia hätte. Dass die Hintergründe der eigenartigen Leistungsschwankungen hin bis zu unerklärlichen Handspielen im eigenen Strafraum bekannt wären. Und: Dass die Schuldigen dafür genau hier sitzen würden.

Dem KURIER ist die Identität der Spieler bekannt, ihre Namen dürfen aus medienrechtlichen Gründen nicht genannt werden. Wie ernst die Causa ist, zeigt, dass die Staatsanwaltschaft Graz seit mehr als einem Jahr ermittelt. Staatsanwaltssprecher Arnulf Rumpold bestätigte dem KURIER: "Die Ermittlungen laufen und sind umfangreich. Es geht in diesem Ermittlungsschritt auch um Verdachtsmomente bei Kapfenberg und Hartberg."

Bei den steirischen Profi-Klubs fielen in der Vergangenheit ebenfalls eigenartige Aktivitäten auf dem Feld und parallel dazu am Wettmarkt auf. Zum aktuellen Stand der Ermittlungen sagt Staatsanwalt Hansjörg Bacher: "Ein Teilbereich der Ermittlungen steht vor einem Abschluss."

Der Eiertanz

Und was passierte auf der Hohen Warte? Die beschuldigten Spieler und ihr Vertrauter blieben auffallend ruhig. Dabei waren schon drei Vienna-Spiele beim internationalen Kontrollsystem "Sportradar" (früher "Betradar") wegen extrem hohen und ungewöhnlichen Einsätzen aufgefallen. Das 2:3 bei Austria Lustenau am 12. April 2011, das 1:4 beim FC Lustenau am 9. September 2011 und das 0:2 in Hartberg eine Woche danach. Jeweils mehrere Hunderttausend Euro wurden in Asien gesetzt. Ein Geständnis war aber nicht in Sicht. Ahnten die Verdächtigten, dass die nötigen Beweise fehlen würden?

"Es gab zwei Möglichkeiten: Wir entlassen die Spieler fristlos – das geht ohne handfeste Beweise nicht durch. Oder wir stellen sie frei. Aber so viel Geld für Spieler ausgeben, die dann auf der Tribüne sitzen? Das kann sich nur Red Bull leisten", erklärt Vienna-Präsident Herbert Dvoracek im KURIER-Gespräch.

Eine dritte Möglichkeit wurde gesucht und es kam zu einem heiklen Deal: "Wir haben ihnen klar gesagt, dass sie eigentlich weg gehören. Und dass wir selbst sofort Anzeige erstatten, wenn im Frühjahr noch etwas passiert. Das war natürlich ein Eiertanz", gibt Dvoracek zu.

Das Finanzproblem

Das Ergebnis: Ein Teil der verdächtigten Spieler ging sofort freiwillig, ein Teil blieb noch im Frühjahr 2012. "Zu 80 Prozent waren die Leistungen dann in Ordnung." Die Vienna rettete knapp den Klassenerhalt. "Jetzt sind alle Spieler in Ordnung, aber mit den Nachwehen kämpfen wir noch", meint Dvoracek, der klarstellt: "Wir waren das Opfer, nicht der Täter."

Der "First Vienna Football Club", der älteste, 1894 gegründete Fußball-Verein des Landes in den Fängen der Wett-Mafia, angewiesen auf einen schmierigen Deal – wie konnte es nur so weit kommen? Und: Ist die Vienna wirklich schuldlos?

Die Misere hängt mit den wirtschaftlichen Problemen der Döblinger zusammen. "Wir zahlen an Strom- und Wasserkosten jährlich bis zu 400.000 Euro und bekommen keine Förderung. Das ist einzigartig. Obwohl wir die Beitragskosten der Eltern für die Jugend massiv erhöht haben, müssen wir für den Nachwuchsbetrieb nochmals 100.000 Euro pro Jahr drauflegen", rechnet Dvoracek vor. Und: "In den letzten Jahren sind uns alle der Stadt Wien nahestehenden Sponsoren weggefallen." Hat die Vienna ein Imageproblem?

An dieser Stelle sei erwähnt, dass Dvoracek zuletzt selbst unter Druck kam – auch wegen einer Anzeige durch die Telekom Austria nach einem umstrittenen Firmenverkauf. Anlass zu Spekulationen gab auch die
"Kooperation" mit dem Fußball-Verband Kasachstans und seinem damaligen Chef Rikhat Aliyev, die laut Aliyevs Anwalt der Vienna 500.000 Euro brachte. Dafür könnte bei den komplexen finanziellen Beteiligungen am Media-Quarter St. Marx ein Doppelpass mit Schlüsselfiguren aus dem Vienna-Umfeld gespielt worden sein. Ex-Botschafter Aliyev ist in seiner Heimat in Ungnade gefallen und kämpft in Wien erfolgreich gegen seine Auslieferung.

Dazu kam noch ein Gerichtsstreit mit dem ehemaligen Trainer Frenkie Schinkels, der von doppelten Verträgen sprach. Und am Mittwoch strafte die Liga den Verein wegen Verstößen gegen Lizenzbestimmungen.

Die Zielscheibe

Um satte 30 Prozent war im Sommer das Personalbudget gekürzt worden. Ein Spieler mit einem lukrativen Vertrag wurde zu den Amateuren verbannt, bis er "freiwillig" sein Gehalt reduzierte. Mit rund 150 potenziellen Zugängen wurde verhandelt, kaum einer sagte zu. Laut KURIER-Recherchen werden bei der Vienna monatlich oft nur noch 1100 Euro brutto plus 540 Euro Reisekosten-Zuschuss bezahlt. Das ist das untere Limit für Profikicker.

Ein Insider erklärt: "Die Wett-Mafia sucht bewusst nach Abstiegskandidaten mit Geldproblemen und platziert dort ihre Spieler." Trainer Alfred Tatar behielt bei all diesen Problemen dennoch die Nerven. Was angesichts des dauernden Abstiegskampfes auch nötig ist.

"Wir hätten manches besser machen können. Aber das Entscheidende war die Wett-Geschichte. Es reichen zwei, drei Spieler, die eine ganze Mannschaft runterreißen können. Und ich habe von ähnlichen Problemen bei einem Konkurrenten gehört", resümiert Dvoracek, der zur Vorsicht mahnt: "Die Wett-Mafia ist ein Problem für den ganzen Fußball. Ich hab mich selbst geniert für das, was bei der Vienna passiert ist. Es war das Schlimmste für einen Verein."

Die Vienna hat in einer schriftlichen Stellungnahme bereits auf den KURIER-Artikel reagiert.

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