Grödig-Profi erstattet Anzeige wegen Erpressung

Erpresst: Grödigs Dominique Taboga erstattete Anzeige und wurde von seinem Klub freigestellt.
Dominique Taboga soll von der Wettmafia erpresst worden sein. Ein Ex-Bundesliga-Kicker wurde verhaftet.

Es war der Stoff, aus dem die Fußballmärchen sind. Erst gelingt dem SV Grödig, Dorfverein aus der 7000-Seelen-Gemeinde unweit von Salzburg, im Sommer 2013 der Aufstieg in die österreichische Bundesliga, dann sorgt der Aufsteiger in der ersten Saisonhälfte mit Siegen gegen Rapid und Austria für Furore. Doch nun sind plötzlich dunkle Wolken über dem sympathischen Fußballdorf aufgezogen. Seit Dienstag fällt der Name SV Grödig im Zusammenhang mit einem handfesten Skandal, der den österreichischen Profifußball erschüttert.

Im Mittelpunkt: Sanel Kuljic, 20-facher Ex-Nationalteamspieler und mit 36 Jahren mittlerweile in Fußballer-Pension, soll Dienstagfrüh in Anif verhaftet worden sein. Und mit ihm zwei weitere Personen. Das Trio soll den Grödiger Profi Dominique Taboga erpresst haben. Der Grödiger Verteidiger habe sich geweigert, ein Spiel zu manipulieren und hätte wegen des entgangenen Gewinns eine hohe Summe an das Trio zahlen sollen.

Dominique Taboga erstattete am Montagabend Anzeige bei der Polizei. Bereits zuvor hatte er sich an die Verantwortlichen seines Arbeitgebers gewendet. „Dominique Taboga hat uns am Montagvormittag davon in Kenntnis gesetzt, dass er wegen Spielmanipulationen erpresst wird. Wir sind schockiert“, bestätigt Klub-Manager Christian Haas, der unverzüglich die Bundesliga informiert hat. Laut Aussage bei der Polizei sei Taboga unter Gewaltandrohung gegen ihn und seine Familie zu Zahlungen gezwungen worden.

Cobra-Einsatz

Taboga soll unter Androhung von Waffengewalt gezwungen worden sein, auf Video eine zurückliegende Spielmanipulation zu gestehen. Taboga soll demnach schon 87.000 Euro an die Erpresser gezahlt haben. Als Dienstagfrüh auf einem Parkplatz in Anif weitere 3000 dazukommen sollten, klickten die Handschellen der Cobra.

Grödig-Profi erstattet Anzeige wegen Erpressung
APAHEF01 - 28052008 - GRAZ - OESTERREICH: ZU APA TEXT SI - Sanel Kuljic (AUT) betritt am Mittwoch, 28. Mai 2008, nach einer Trainingseinheit des OEFB-Teams das Teamhotel Schlossberg in Graz. APA-FOTO: HELMUT FOHRINGER
Der Sprecher der Staatsanwaltschaft Salzburg, Marcus Neher, bestätigte gegenüber dem KURIER die Festnahme dreier Personen. „Darunter befindet sich ein ehemaliger Fußballspieler der obersten Liga“, sagte Neher. Den Namen Kuljic bestätige er nicht. Indes besteht jedoch kein Zweifel daran, dass es sich um den ehemaligen Stürmer handeln soll.

„Die drei verdächtigen Personen befinden sich derzeit in polizeilicher Verwahrungshaft. Die Vernehmungen sind noch nicht abgeschlossen“, erklärte der Staatsanwalt. Mehr war von der Justiz dazu nicht zu erfahren. „Zum Sachverhalt gibt es aus kriminaltaktischen Erwägungen von unserer Seite aus keine Stellungnahme“, sagte Neher.

Taboga selbst wurde nicht festgenommen. Er gilt als Opfer, wurde von seinem Klub aber bis auf weiteres freigestellt. Ob bzw. wie der 31-Jährige in eine mögliche Spielmanipulation involviert war, ist noch gänzlich ungeklärt.

In Erinnerung gerufen wird jedenfalls ein Spiel, in dem es im Frühjahr zu auffälligen Wetteinsätzen und einem überraschenden Ergebnis gekommen ist: Kapfenberg gewann am 5. April dieses Jahres in Grödig mit 1:0. „Konkret wurden in den ersten beiden Spielminuten mehrere Hunderttausend Euro darauf gesetzt, dass Grödig nicht gewinnt“, bestätigte ein österreichischer Wettexperte wenige Tage nach der Partie.

Beim SV Grödig fürchtet man derweil um den guten Ruf, den sich der Verein aufgebaut hat. „Ich will festhalten, dass der SV Grödig mit dieser Sache nichts zu tun hat, und wir wollen, dass die Wahrheit ans Licht kommt“, erklärt Manager Haas. „Die einzige Verbindung, die es gibt: Taboga ist ein Spieler des SV Grödig.“

Die Wege von Dominique Taboga und Sanel Kuljic kreuzten sich 2012 als Spieler in Kapfenberg. Kuljic hatte Zeit seiner Karriere den Ruf eines Schlitzohrs - auf dem Rasen und daneben. Nach der Rückkehr aus der Schweiz hatte er sich in der Kleinen Zeitung beklagt: „Mir fehlt noch viel Geld.“ Für ihn und die beiden anderen Festgenommenen Sulim D. und Zelinhan S. gilt die Unschuldsvermutung.

Pikanterie am Rande: Bevor Kuljic in Ried der Durchbruch gelang, stürmte er für den PSV Salzburg – den Polizeisportverein.

Die Problematik ist bekannt, doch das macht die Zahlen nicht weniger erschreckend: Die größten Wettanbieter in Asien lassen auf 75.000 Spiele pro Jahr wetten, machen dabei im Schnitt eine Milliarde Euro Umsatz pro Tag; 140 Milliarden an Schwarzgeld werden so jedes Jahr gewaschen. Zu diesen Ergebnissen kommt eine aktuelle Studie zum Thema Sportwetten und Geldwäsche, die die Europäischen Lotterien am Dienstag in Brüssel präsentierten.

„Die organisierte Kriminalität ist dabei, sich des Sports zu bemächtigen, weil man ihn als Instrument zur Geldwäsche entdeckt hat“, sagt Friedrich Stickler, Ex-ÖFB-Präsident, Vorstandsdirektor der österreichischen und Präsident der Europäischen Lotterien, im Gespräch mit dem KURIER.

„Massive Bedrohung“

Erpressung, wie sie nun offenbar bei Grödig-Spieler Taboga versucht wurde, sei an der Tagesordnung, sagt Stickler: „Es gibt eine gut ausgedachte Struktur, wie man anfällige Sportler, Schiedsrichter und Funktionäre entdeckt. Man schaut, ob jemand Geldsorgen hat oder selbst gerne spielt. Und wenn die Leute nicht gleich mitmachen, gibt es eben oft massive Bedrohungen.“

Stickler ist alarmiert: „Ich mache mir große Sorgen, weil auch in der Qualifikation für Champions League und Europa League schon Spiele verschoben wurden. Ein Spiel von Bayern, von Manchester United zu kaufen – das kann sich heute keiner vorstellen. Andererseits sind hier solche Summen im Spiel, dass ich es nicht ausschließen würde, dass ein großer Klub mit Geldsorgen künftig über so einen Deal nachdenkt.“

Was tun also? Erstens, sagt Stickler, sollte es im Strafrecht einen eigenen Tatbestand für Wettbetrug und Sportmanipulation geben – und entsprechende Strafen.

Geldhahn abdrehen

Zweitens solle der Finanzsektor in die Pflicht genommen, damit Überweisungen zwischen illegalen Wett-Anbietern und mafiösen Kunden „erschwert bis verunmöglicht werden“. Die USA und Israel hätten mit derartigen Gesetzen gute Erfahrungen gemacht. Und drittens fordert Stickler eine internationale Behörde für Integrität im Sport – analog zur Anti-Doping-Agentur WADA. „Wir brauchen über den nationalen Behörden eine globale Instanz.“

Die Vorfälle in Salzburg ziehen weite Kreise. Bisher hat es nur einen ehemaligen Bundesligaspieler getroffen, der zuletzt bei einem burgenländischen Klub (5. Leistungsstufe) unter Vertrag stand. Er gab einen Manipulationsversuch zu und wurde vom zuständigen burgenländischen Landesverband unbeschadet eines zusätzlich möglichen strafrechtlichen Verfahrens gesperrt. Gegen einen weiteren Ex-Profi läuft derzeit noch ein Verfahren in der Steiermark.

„Dass nach Jahren umfassendster polizeilicher Ermittlungsarbeit letztendlich vom ÖFB nur zwei konkrete Fälle verfolgt werden können, zeigt die Komplexität der Materie“, sagt Thomas Hollerer, Direktor für Recht und Administration beim ÖFB.

Das Urteil gegen den nunmehrigen Amateurkicker von vergangener Woche war die erste Verurteilung in Österreich, wo man das Problem lange nicht erkannt hatte. Auch ÖFB-Boss Leo Windtner („Spielmanipulation ist ein Übel, das den Sport in seinen Grundfesten zu erschüttern droht“) sagt dem Matchfixing nun verstärkt den Kampf an.

Als präventive Maßnahme wurde von ÖFB, Bundesliga und Sportministerium ebenfalls 2012 der Verein "Play Fair Code" gegründet.

Er vermittelt mit eigenen Schulungsprogrammen den Spielern die Folgen von Matchfixing.

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