Wettbetrug: „Lukrativer als Drogenhandel“

Experte Chris Eaton hat von mehreren ernsthaften Fällen in Österreich gehört.

Drogenhandel ist nicht mehr die Nummer eins. Wer auf illegalem Weg wirklich viel Geld in kurzer Zeit verdienen will, setzt laut Chris Eaton auf Wettbetrug mit manipulierten Fußball-Spielen. Der frühere FIFA-Sicherheitschef ist jetzt Direktor des internationalen Zentrums für Sicherheit im Sport ICSS. Im KURIER-Interview spricht der Australier über geschobene Partien in Österreich, Mafia-Strukturen und den drohenden Absturz des Fußballs.

KURIER: Ist in Europa die Problematik rund um geschobene Fußball-Partien und Wettbetrug bekannt genug?

Chris Eaton: (lacht) Wenn jetzt manche Leute noch immer nicht wissen, was los ist, konsumieren sie keine Medien. Die Pandemie der Wettmanipulation hat ein wirklich dramatisches Ausmaß erreicht. Als Reaktion darauf hören wir bisher vor allem Worte. Es braucht aber Aktion.

Gibt es überhaupt eine Chance auf Erfolg in diesem Kampf?

Momentan ist die Verantwortlichkeit nicht klar geregelt. Die Sportverbände sind nicht dafür aufgestellt, internationale Kriminalität zu bekämpfen. Und der Sport kann das Wettgeschäft nicht kontrollieren. Das müssen die Regierungen global angehen.

Haben Sie die FIFA verlassen, weil Ihnen zu wenig weiter­gegangen ist?

Nein, ich war gerne bei der FIFA. Ich sehe jedoch beim ICSS die Möglichkeit, mehr für den Fußball und den Sport im Allgemeinen tun zu können. Die Wettkriminalität versucht, auch andere Sportarten zu korrumpieren. Und dagegen kann ich mit dem ICSS aktiv ankämpfen.

Sind bei der Wettmanipulation Mafia-Strukturen zu erkennen?

Es gibt das historische Problem von geschobenen Partien als „Freundschaftsdienst“ zwischen Spielern oder Klubs: Der eine will nicht, dass der andere absteigt oder Ähnliches. Ein größeres Problem sind manipulierte Spiele, um mit Wetten Gewinn zu machen. In diesem Bereich hat die organisierte Kriminalität teilweise die Herrschaft übernommen – das waren in Italien, Finnland oder Singapur Mafia-ähnliche Strukturen.

Haben Sie viel von geschobenen Partien in Österreichs Fußball gehört?

Ja, natürlich. Es gibt mehrere ernsthafte Fälle. In einigen wird auch noch ermittelt. Das meiste Material dazu kommt von der Staatsanwaltschaft Bochum. Ich sehe bei Österreich Parallelen zur Schweiz. Viele Vorgänge spielen sich nicht in der allerhöchsten Spielklasse ab.

Zählt Österreich zu den Top-Zielen für organisierte Wettmanipulation?

Österreichs Fußball ist sicher nicht immun. Aber mir geht es nicht darum, einzelne Länder als Schuldige zu deklarieren. Wichtig ist, dass international Informationen ausgetauscht werden und auf die Prävention geachtet wird: Welche internationalen Organisationen sind am Werk? Welche Leute profitieren? Und wie kann ich dem Sport helfen, sich zu schützen?

Der KURIER deckte auf, dass die Vienna in den Fängen der Wettmafia war. Ein Spieler, der eigentlich zu gut für Österreichs zweite Liga war, hat Mitspieler für Manipulationen gewonnen. Der übliche Ablauf?

Oft werden routinierte, einflussreiche Spieler eingeschleust, die Jüngere auf ihre Seite ziehen. Funktionieren kann das vor allem in Ligen mit bescheidenen Gehältern. Oder bei Länderspielen in Afrika, Mittelamerika und Südost-Asien.

Was ist die häufigste Methode?

Am öftesten werden Schiedsrichter bestochen. Oder Funktionäre, die dafür sorgen, dass die „richtigen“ Spieler aufgestellt werden.

In Österreich wirkt es so, als würden die Verantwortlichen und die Verbände alles tun, um das Problem kleinzureden.

Und das ist sogar verständlich. Den Verantwortlichen geht es darum, Negatives fernzuhalten – das Ansehen des Sports soll ja nicht leiden. Deshalb braucht es globale Anstrengungen. Konkret müssen Regierungen und die Polizei zum Kern des Problems vordringen: Das ist die Beziehung zwischen manipulierten Spielen und dem Wettbetrug.

Wenn wir beide Kriminelle wären – sollten wir in die Wett­manipulation einsteigen, um richtig viel Geld zu machen?

Einige Analysen ergeben, dass das Geschäft lukrativer ist als der Drogenhandel. Es ist extrem profitabel. Das Ganze ist komplex und erinnert an Abläufe in der Hochfinanz: Du brauchst Experten, es geht sehr schnell und ist großteils übers Internet zu organisieren.

Könnte der Fußball in fünf oder zehn Jahren zerstört sein, wenn nichts unternommen wird?

Der Fußball ist so populär, dass es lange gut gehen wird. Es braucht eine ganze Generation, um die Begeisterung in Zynismus umschlagen zu lassen. Ich glaube, dass sich in den nächsten fünf Jahren etwas ändern muss, damit Fußball auf lange Sicht der populärste Sport bleiben kann. Das Gegenbeispiel ist China: Fußball war vor zehn Jahren hinter Tischtennis der zweitpopulärste Sport im Land. Jetzt, nach den vielen Manipulationsfällen, geht kaum noch jemand zu den Spielen.

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