„Wir müssen dranbleiben“: Andreas Babler erreicht nur Platz 3 für die SPÖ
„Andi, Andi, Andi!“, schallen die Rufe durch das Wiener Volkskundemuseum. Es ist eine Minute vor 22 Uhr als Andreas Babler das Palais betritt, in dem die SPÖ, seine SPÖ, den Wahlabend ausklingen lässt.
Wer bloß den Moment erlebt, an dem Babler auf der Bühne steht, könnte glauben, die Sozialdemokratie habe die Wahl gewonnen. „Wir haben eine perfekte Wahlbewegung geschafft“, sagt Babler. Die Breite habe gefehlt, das ja. Aber sonst habe man „alles gegeben“ und könne stolz sein.
Und natürlich werde er, Babler, den Weg mit der SPÖ weitergehen und Verantwortung übernehmen und verhandeln. „Wir müssen alles gegen Blau tun. Wir müssen die Demokratie schützen. Wir müssen dranbleiben!“
Applaus brandet auf.
Selbstkritik? Die gibt es auch - man habe es nicht geschafft, in die Breite zu kommen. Aber jetzt gelte es, „gefestigt“ zu bleiben.
Eines kann man Andreas Babler tatsächlich nicht vorhalten: Dass er im Wahlkampf nicht alles gegeben hat. Bis zuletzt war der Bürgermeister von Traiskirchen unterwegs, um für sich als Bundeskanzler zu werben. Und auch beim offiziellen Wahlkampfabschluss am Wiener Viktor-Adler-Markt tat der neue Vorsitzende, was er in Dutzenden Auftritten gemacht hat: Er redete sich in einen Furor und erinnerte an die Kern-Themen, für die er politisch steht: für Kinderrechte, für die Gleichstellung von Mann und Frau, für sichere Pensionen und dafür, dass Vermögens- und Reichensteuern kommen.
„Ich glaube, ich habe geliefert!“, schmettert Babler am Samstag in die Runde.
Dem war offenbar nicht so.
Schon am frühen Sonntagabend war klar: Babler kommt über den dritten Platz nicht hinaus, es ist das erste Mal in der Zweiten Republik, dass die Sozialdemokratie derart schlecht abschneidet. Fraglich war bis in die Nachtstunden, ob Babler das bis dahin historisch schlechteste Wahlergebnis von Vorgängerin Pamela Rendi-Wagner unterbieten würde, die 2019 nur 21,2 Prozent geschafft hatte.
„Das ist ein rabenschwarzer Tag für die Demokratie“, sagte die stellvertretende SPÖ-Klubchefin Julia Herr zum KURIER. Alle Warnungen vor Schwarz-Blau hätten nicht gefruchtet; doch man stehe für Gespräche über eine Regierung ohne FPÖ-Beteiligung weiter zur Verfügung. Und: Andreas Babler bleibe natürlich Parteichef.
Konflikte
Der Trend in den Umfragen hatte zuletzt schon eine fallende Tendenz gezeigt. Während Babler selbst dies einer überkritischen Berichterstattung und der Macht „mancher Medienkonzerne“ zuschreibt, sind es wohl auch die nach außen getragenen Internas und Konflikte, die am Image der SPÖ kratzten.
Babler ist erst seit etwas mehr als einem Jahr Bundesparteivorsitzender. Und seine Wahl war von Flügelkämpfen und der mittlerweile legendären Auszählungspanne (Details siehe hier) überschattet, die auf vielen Ebenen, inhaltlich wie persönlich, bis heute nachhallen.
Babler hat die SPÖ-Führung auf einen klar linken bis linkspopulistischen Kurs getrimmt, der sich unter anderem durch die Forderung von Vermögens- und Erbschaftssteuern und einer scharfen Abgrenzung von der FPÖ auszeichnet.
Dieser Kurs war von Beginn an nicht unumstritten - und wurde mit Platz 3 bei der EU-Wahl im Juni von der Wählerschaft nicht unbedingt belohnt.
Die inhaltliche Ausrichtung war es auch, die ausgerechnet im Wahlkampf intern für Kritik sorgte.
Keine Geringere als die Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures hielt schriftlich fest, dass sich die SPÖ angesichts der vielen, finanziell kostspieligen Forderungen möglicherweise den Vorwurf der „Unernsthaftigkeit“ gefallen lassen müsse - ein deutlicher Schlag gegen Bablers Ausrichtung.
Und dann gab es auch noch die „Lügenaffäre“ um SPÖ-Bürgermeister Klaus Luger. Sie hatte insofern Relevanz, als Bablers Macht als Parteichef gefragt war - und hinterfragt wurde.
Und dabei wäre die Themenlage für die SPÖ durchaus von Vorteil: Die Teuerungskrise, die zu hohen finanziellen Belastungen bei der Bevölkerung gesorgt hat, würde der Sozialdemokratie ebenso in die Hände spielen wie missliche Zustände im Gesundheitssystem und bei Arzt-Terminen. Noch immer steht die SPÖ für die Themen Pensionen, Gesundheit und Gerechtigkeit.
Dem steht allerdings eine bis heute schwer zu vermittelnde Positionierung bei der Migrations- und Asylfrage gegenüber. Und dieses ausnehmend emotionale Thema ist offenkundig auch das, welches den Höhenflug der Freiheitlichen begünstigt.
Die inhaltliche Positionierung der SPÖ macht es nun auch schwer bei allfälligen Koalitionsgesprächen:
Mit Herbert Kickl und den Freiheitlichen schließt Andreas Babler eine Zusammenarbeit kategorisch aus; ÖVP-Bundeskanzler Karl Nehammer attestiert er eine „ideologische Verbissenheit“. Damit ist unter anderem gemeint, dass Nehammer neue Abgaben und insbesondere Vermögens- und Erbschaftssteuern de facto ausschließt, während Babler dies als zentrale Maßnahme für die Finanzierung und Verbesserung des Sozialstaates sieht.
Und selbst wenn die SPÖ an einer Dreier-Koalition partizipieren würde, stellen hier insbesondere die Andreas Babler durchaus wichtigen Vermögenssteuern ein veritables Hindernis dar. Denn neben den Neos, die sich grundsätzlich für eine Koalition gegen die FPÖ stark machen und Lust aufs Regieren vermittlen, ist auch die ÖVP so überhaupt nicht für neue Abgaben und schon gar nicht für Vermögenssteuern zu haben.
Im Volkskundemuseum kümmerte das Sonntagnacht freilich die Wenigsten. Andreas Babler wurde gefeiert und bejubelt. Und als der Parteichef seine Rede gehalten hatte, wurde spontan die Internationale angestimmt.
Wahlparty im Volkskundemuseum
Im Volkskundemuseum Wien in der Laudongasse wird die SPÖ den Wahlabend verbringen. Wir berichten durchgehend von der Veranstaltung.
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