"Unernst"? Was wirklich in Bablers finalem Wahlprogramm steht
Zu viele Steuererhöhungen, zu detailliert, realpolitisch kaum umsetzbar: Die Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ) hat das SPÖ-Wahlprogramm vor zwei Wochen in einem internen E-Mail hart kritisiert. Präsentiert wurde dieses seitdem immer noch nicht. Das sei kommende Woche geplant, heißt es aus Bablers Büro.
Prinzipiell ist das Programm aber fertig. Das finale Dokument liegt nun auch dem KURIER vor. Titel: "Mit Herz+ Hirn. Unser Plan für dein besseres Österreich." Wie ist es strukturiert, welche neuen Schwerpunkte setzt SPÖ-Chef Andreas Babler und ist es wirklich zu detailliert? Ein Überblick.
Zuerst zum Aufbau: Direkt zu Beginn des Programms stellt die SPÖ Bablers Expertenrat vor. Dieser solle seit Jahresbeginn, in rund 180 Sitzungen, 700 Seiten mit Konzepten erarbeitet haben. Ihre Ideen wurden im Wahlprogramm wiederum auf 114 Seiten komprimiert, wovon etwa die Hälfte allerdings aus Experten-Interviews besteht: Mit Energiemanager Marc Hall, der deutschen Ökonomin Isabella Weber oder – ebenfalls doppelseitig – Schauspieler Cornelius Obonya.
Auch Andreas Babler wird interviewt, spricht über seinen Beitritt zur SPÖ, zitiert Mahatma Gandhi und beantwortet auch weniger kritische Fragen wie: "Wo du hinkommst, wirst du mit Riesenapplaus und großer Begeisterung empfangen. Was macht das mit dir?"
Antwort: "Ich will keinen Personenkult, vor allem nicht in einer Partei, die sich zu einer Demokratisierung aufgemacht hat."
Und inhaltlich?
Im ersten Kapitel, "Respekt vor Arbeit und Leistung", schlägt die SPÖ einen 5-Punkte-Plan zur Entlastung der Österreicher sowie ihre Steuerpläne vor.
Gallneukirchen als Vorzeigebeispiel
Bei den Entlastungen findet man altbekannte Babler-Ideen. Alle Mieten, auch jene im privaten Bereich, sollen bis 2026 eingefroren werden. Für Häuslbauer fordert die SPÖ einen Zinspreisdeckel von drei Prozent bis zu einem Kreditvolumen von 300.000 Euro. Beide Forderungen werden zwei Seiten später noch einmal wiederholt. Um zu zeigen, wie "Leistbares Wohnen" funktioniert, porträtiert die SPÖ zudem die SPÖ-geführte Gemeinde Gallneukirchen (OÖ). Dort gibt es etwa Preisdeckel auf Bauland.
Und sonst? Energiepreise will man regulieren, die Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel soll ausgesetzt werden, "bis die Inflation nachhaltig bei zwei Prozent liegt". Im August lag die Inflationsrate bei 2,4 Prozent. Kurzvermietungsplattformen wie Airbnb will die SPÖ stark einschränken, was in Wien bereits der Fall ist.
Viele neue Steuern – ein Detail fehlt
Auch bekannt: Die SPÖ will Millionäre besteuern. Und zwar, wenn ihr Nettovermögen mehr als eine Million Euro beträgt. Zusätzlich ist etwa eine Immobilie im Wert von 1,5 Millionen genehm. Die roten Ideen zur Erbschafts- und Schenkungssteuer werden im Programm nicht mehr mit konkreten Zahlen bedacht. Babler hat sein Modell auf Druck der westlichen SPÖ-Länder bereits einmal abgeschwächt. Eine "Task-Force" im Finanzamt soll zudem "Superreiche" ins Visier nehmen und strukturierte Steuerüberprüfungen durchführen.
Prinzipiell setzen die Roten auf viele neue Steuern: auf Übergewinne von Banken, die Ausweitung der Digitalsteuer oder eine Finanztransaktionssteuer.
Vier-Tage-Woche als langfristiges Ziel
Nicht mehr ganz klar war zuletzt, welche Form der Arbeitszeitverkürzung Babler wirklich fordert. Vor einem Jahr proklamierte er noch eine gesetzliche 32-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich. Im SPÖ-Programm ist daraus ein "Testlauf" für eine Vier-Tage-Woche geworden. Man setzt auf "Übergangsfristen", will nach Branchen unterscheiden. Die generelle Vier-Tage-Woche, und zwar nach wie vor bei 32 Wochenstunden, bleibt das Ziel. Bis wann? Das lässt die SPÖ offen.
Was sie schnell will: "All-in"-Klauseln sollen in Verträgen nur noch ab einem Monatseinkommen von 6.060 Euro brutto erlaubt sein, Konkurrenzklauseln will man gänzlich verbieten Behindert ein Unternehmen die Gründung eines Betriebsrats, soll es "strafrechtlich pönalisiert" werden. Teilzeitbeschäftigten verspricht Babler ein Recht auf mehr Arbeitsstunden, betroffenen Berufsgruppen ein "Recht auf Hitzefrei" und Langzeitarbeitslosen eine Beschäftigungsgarantie nach einem Jahr.
Bekenntnis zur Renaturierung, gratis Klimaticket für die Jungen
Die SPÖ will den "freien Zugang zur Natur" in der Verfassung verankern. Dazu gehört auch ein freier Seezugang. Zudem steht ein klares Bekenntnis zur EU-Renaturierungsverordnung im Wahlprogramm, der Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) ja gegen den Widerstand der ÖVP zugestimmt hat. Auch Burgendlands Landeshauptmann Hans Peter Doksozil (SPÖ) blieb bis zuletzt bei seinem "Nein".
Die SPÖ fordert eine "bundesweite Bodenschutzstrategie", nennt aber keine konkreten Zahlen. Eine Beschränkung des Bodenverbrauchs auf 2,5 Hektar pro Tag war am Widerstand der Bundesländer gescheitert. Derzeit werden rund 11 Hektar täglich versiegelt.
Ein kostenloses Klimaticket sollen alle Personen unter 18 Jahren erhalten – und auf Sicht auch alle unter 25-Jährigen. Nach wie vor im SPÖ-Programm steht eine Erhöhung des Anteils an Bio-Imkern von derzeit unter drei auf 10 Prozent. Bures hat dieses liebevolle, aber unrealistische Detail im Vorfeld kritisiert.
Österreich soll "Kinderrepublik" werden
Keine großen Neuigkeiten gibt es bei den SPÖ-Ideen für Kinderrechte. Im Zentrum steht die Forderung nach einer Kindergrundsicherung. Gibt es unerwartete Details? Für "Beauty-Filter" soll künftig eine Kennzeichnungspflicht gelten, "um negative Auswirkungen auf die Psyche und falsche Selbstbilder zu verhindern".
Kostenlos gesunde Zähne bis 23
Auffallend konkret und durchaus detailliert sind die Forderungen im großen Bereich der Gesundheitsversorgung.
Der Rechtsanspruch auf einen Arzt-Termin innerhalb von 14 Tagen findet sich ebenso im Programm wie die Idee, dass Wahlärzte notfalls zur Behandlung von Kassenpatienten verpflichtet werden können, um die Wartezeiten insgesamt zu reduzieren.
Die insbesondere in der Gewerkschaft umstrittene Entmachtung der Arbeitnehmer-Vertreter in der Sozialversicherung will die Babler-SPÖ wieder zurücknehmen.
Bemerkenswert ist zudem, dass die SPÖ im Bereich der Zahnmedizin ein großes Paket verspricht: Bis zum Alter von 23 sollen alle zahnärztlichen Behandlungen von der Krankenversicherung bzw. der öffentlichen Hand übernommen werden - selbst Zahnhygiene.
Apropos kostenlos: Die SPÖ will Abtreibungen in öffentlichen Krankenhäusern gratis durchführen; auch Hygieneartikel und Verhütungsmittel sollen kostenlos abgegeben werden. Überhaupt will die SPÖ bei allen Selbstbehalten im Gesundheitsbereich einen Deckel einziehen.
Pensionssystem in die Verfassung
Was für den Themenbereich "Gesundheit" gilt, gilt auch für die Pensionen: Hier hat die SPÖ einige sehr konkrete Ansagen, nämlich: Das Pensionsantrittsalter wird nicht verändert, die Pensionshöhen werden nicht gekürzt und 45 Jahre Beitragszahlung sind jedenfalls genug, um ohne Abschläge die Pension anzutreten. Desweiteren will die SPÖ den Zugang in die Schwerarbeitspension erleichtern und das geltende Pensionsrecht in der Verfassung verankert, um Änderungen auszuschließen.
Mehr Polizei, Wehrpflicht bleibt
Vergleichsweise allgemein sind die SPÖ-Antworten im Bereich der Sicherheit. Abgesehen von der konkreten Forderung, 4.000 Polizisten mehr zu beschäftigen, sind die Wünsche und Vorstellungen relativ allgemein. Online-Plattformen sollten bei Hass im Netz "in die Pflicht genommen werden"; Deradikalisierungsprogramme müsse man ernst nehmen und die Polizei zu einem attraktiveren Arbeitgeber machen. Das gilt im Übrigen auch für das Bundesheer, für das die - wenig überraschende - Feststellung gilt: die Wehrpflicht bleibt.
Verfahren an der EU-Außengrenze
Bei einem der Schlüsselbereiche, dem Thema von Migration, Integration und Asyl, gibt es keine Überraschungen, was die Lösungsansagen angeht und überhaupt wenige harte Ansagen. Die SPÖ will Asylverfahren an der EU-Außengrenze führen und Abkommen über Abschiebungen mit Drittstaaten verhandeln; damit Integration gelingt, sollten Fremde ab dem ersten Tag Deutschkurse belegen und mehr Stützkräfte in die Schulen geschickt werden.
Wenig überraschend ist auch die Festlegung, dass straffällige Asylwerber in Haft gehören bzw. im Fall der Fälle abgeschoben werden müssen.
Keine Privatjets
Das nicht unwesentliche Feld des Klimaschutzes wartet mit der bekannten Festlegung auf, dass Österreich bis 2040 CO2-neutral sein soll, dass Gesetze auf ihre Klimaschädlichkeit geprüft werden müssten, und dass dass Parlament ein neues Klimaschutzgesetz formulieren müsse. Etwas detailverliebt mutet die Feststellung an, dass es den Staatsanwaltschaften an "Umweltkompetenz" fehle (zur Strafverfolgung von Umweltsündern) - diesbezüglich müsse die nächste Regierung nachjustieren. Und auch das von Babler ventilierte Verbot von Privatjets wird im SPÖ-Wahlprogramm generell als Ziel formuliert.
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