Kurz-Prozess Tag 6: Schmids Angst vor dem "Erbsenzähler"

Thomas Schmid bei Gericht
Teils skurrile Details zu Personalentscheidungen in der Regierungszeit der türkis-blauen Koalition brachte Tag sechs im Prozess gegen Sebastian Kurz zutage. Der türkise Ex-Kanzler muss sich wegen Falschaussage im Ibiza-U-Ausschuss vor Gericht verantworten.
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Zum zweiten Mal musste am Freitag Thomas Schmid, Ex-Generalsekretär und Ex-Chef der Staatsholding ÖBAG in den Zeugenstand. Seine Befragung war am Montagabend nach fast neun Stunden unterbrochen worden. Nachdem am Montag Richter und Verteidigung an der Reihe waren, musste er am Freitag der WKStA Rede und Antwort stehen.
Die Befragung der beiden Oberstaatsanwälte Gregor Adamovic und Roland Koch geriet zu einer langen, sich in kleinste Details verlierende Zeitreise, beginnend mit der Übernahme der ÖVP-Führung durch Kurz 2017. Mit einer klaren Stoßrichtung: Dem Ex-Kanzler seine zentrale Rolle bei Personalentscheidungen in staatsnahen Betrieben nachzuweisen. Denn aus der Sicht der Anklage hatten Kurz und sein Ex-Kabinettschef Bernhard Bonelli im U-Ausschuss ihre Rolle rund um die Personalpolitik der ÖBAG heruntergespielt und so eine Falschaussage getätigt.

Oberstaatsanwälte Koch, Adamovic
Wie schon am Montag stützte Schmid mit seinen Aussagen diese Annahme. "Sebastian Kurz war Personalpolitik grundsätzlich ein wichtiges Anliegen", betonte dessen Ex-Vertrauter im Zeugenstand.
Auch und gerade bei der Umwandlung der Staatsholding ÖBIB in die ÖBAG nach der Wahl 2017, für die Schmid maßgeblich zuständig war. Das Vorgehen sei dabei stets "sehr, sehr eng" mit Kurz abgestimmt gewesen.
"Denkunmöglich"
Bei seiner Einvernahme hatte der Ex-Kanzler dies noch völlig anders dargestellt. Schmid sei mitunter sehr eigenmächtig vorgegangen. Dem widerspricht Schmid einmal mehr entschieden: "Die großen Projekte wie ÖBAG und Budget kannst du im System Kurz nicht ohne Rücksprache durchführen. Das ist einfach denkunmöglich."
Wobei umgekehrt auch Schmid seine Vorstellungen bei der personellen Besetzung der türkis-blauen Regierung in Chats sehr entschieden kundtat. Damals war kurzzeitig Josef Moser (letztlich Justizminister für die ÖVP) als möglicher Finanzminister im Gespräch. Den Ex-Chef des Rechnungshofs wollte Schmid aber partout nicht als seinen Vorgesetzten haben. "Das ist eine Despotie der Erbsenzähler", protestierte er.
Noch mehr Chats
Um die Glaubwürdigkeit von Schmid als Belastungszeugen zu untergraben, legte Kurz-Anwalt Otto Dietrich Chats vor, die dieser nach seiner Bestellung als ÖBAG-Chef geschrieben hatte. "Oh Gott, Reisen wie der Pöbel", beschwerte er sich darin, weil er seinen Diplomatenpass zurückgeben musste.
Am Abend waren noch einmal die beiden Angeklagten dran: Mit einer Powerpoint-Präsentation stellte Bonelli die ÖBAG-Personalentscheidungen aus seiner Sicht dar. Kurz sprach über eine abfotografierte Chat-Nachricht von Schmid aus dem Oktober 2021, die schon am Montag Thema war. Bonelli habe das Foto gemacht. Damals sei die Stimmung schon angespannt und Misstrauen vorhanden gewesen.
Montag wird der Prozess mit der Befragung von Ex-Finanzminister Löger fortgesetzt.
Kurz-Anwalt will Russen kommen lassen
Eine "Bombe" wollten die Verteidigung von Ex-Kanzler Sebastian Kurz am vergangenen Montag zünden, um Thomas Schmid, den wichtigsten Zeugen der Anklage, in ein schlechtes Licht zu rücken.
Kurz-Verteidiger Otto Dietrich präsentierte eidesstattliche Erklärungen, in denen zwei russische Geschäftsmänner brisantes festhalten: Schmid hatte den beiden gegenüber im Rahmen eines "Bewerbungsgesprächs" in Amsterdam behauptet, er habe sich von den Staatsanwälten unter Druck gesetzt gefühlt.
Die pikante Unterlage wurde von Richter Michael Radasztics jedoch nicht als Beweismittel zugelassen. Es sei denn, die beiden Russen würden persönlich als Zeugen erscheinen. Einen entsprechenden Antrag hat die Verteidigung von Kurz schließlich am Freitag eingebracht. Eine Entscheidung dazu fiel aber noch nicht, sie soll erst am Montag erfolgen.

Richter Michael Radasztics
Inzwischen kommen immer mehr Details zu dem merkwürdigen Zusammentreffen zu Tage. Es soll es auf Vermittlung eines gebürtigen Ukrainers und hochrangigen Managers der russischen Sberbank zustande gekommen sein. Bei dem Bewerbungsgespräch soll es um Ölgeschäfte in Georgien gegangen sein.
Hier gebe es laut Standard Verbindungen zum Manager Siegfried Wolf, der Aufsichtsratsvorsitzender der mittlerweile abgewickelten Sberbank Europe war. Als weiterer Vermittler soll ein in London tätiger österreichischer Banker involviert gewesen sein. Wenn es nach Dietrich geht, soll auch er als Zeuge aussagen.
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Der weitere Fahrplan
Am Montag kommt wird Ex-ÖVP-Finanzminister Hartwig Löger als Zeuge befragt. Gernot Blümel, der am 10. Jänner befragt werden sollte, hat da keine Zeit, deshalb kommt er stattdessen am 25. Jänner 2024.
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Der 10. Jänner 2024 bleibt als Prozesstermin aufrecht, er diene für weitere Beweisaufnahmen. Welche, darüber werde am Montag entschieden, sagt Radasztics.
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