1. Wer sind die Angeklagten?
Hauptangeklagte ist Bettina Glatz-Kremsner. Die 61-jährige Wienerin war von Mai 2019 bis März 2022 Generaldirektorin der Casinos Austria AG (Casag) und zuvor, 2017 bis 2019, Stellvertreterin von ÖVP-Chef Sebastian Kurz.
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Sebastian Kurz wurde im Dezember 2017 Bundeskanzler einer türkis-blauen und im Jänner 2020, nach Neuwahlen infolge der Ibiza-Affäre, dann einer türkis-grünen Koalition. In Folge von Ermittlungen der WKStA (siehe Kasten unten) trat Kurz im Oktober 2021 zurück und ist aktuell als Investor tätig.
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Bernhard Bonelli war einer seiner engsten Vertrauten. Der 40-Jährige hat erst als Berater, ab 2020 dann als Kabinettschef im Kanzleramt für Kurz gearbeitet.
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2. Was wird ihnen vorgeworfen?
Glatz-Kremsner werden im Strafantrag fünf Falschaussagen im Zuge von Vernehmungen der WKStA vorgeworfen. Diese wiegen laut Strafantrag besonders schwer, weil die damalige Casag-Chefin und ÖVP-Vizechefin für die WKStA als „essenzielle Zeugin“ galt. Bei ihrer Befragung ging es um die Vorstandsbestellung der Casag im März 2019 und die Frage, ob es dazu einen politischen Deal gab.
Bei Kurz geht es um die Errichtung der ÖBAG, den Aufstieg des damaligen ÖVP-Intimus Thomas Schmid und parteipolitische Überlegungen bei der Bestellung des ÖBAG-Aufsichtsrates. Kurz sagte im Juni 2020 im U-Ausschuss, er sei „informiert“ gewesen. Chats legen aber nahe, dass er viel stärker involviert war, als er zugab. Auch Bonelli soll im U-Ausschuss zu diesem Thema falsch ausgesagt haben.
Alle drei bestreiten die Vorwürfe, Kurz hat im Vorfeld einen Freispruch gefordert.
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3. Worauf kommt es dem Richter an?
Damit der Tatbestand der falschen Beweisaussage erfüllt ist, kommt es auf zwei Dinge an: War die Aussage falsch? Und geschah das mit (wenn auch nur bedingtem) Vorsatz?
Zum Ersten: „Falsch“ ist eine Aussage laut gängiger Rechtsmeinung nicht nur dann, wenn sie nicht richtig ist, sondern auch, wenn etwas weggelassen wird. Auch, wenn nicht explizit danach gefragt wurde, die Umstände aber für das „Beweisthema“ entscheidend wären.
Ein Beispiel aus dem Alltag, das unter Strafrechtlern gern erzählt wird: Eine Frau fragt ihren Mann, ob er fremdgegangen ist. Er antwortet: „Na, geschmust haben wir.“ Wenn es tatsächlich mehr als nur Küsse gab, dann ist das eine Falschaussage.
Im konkreten Fall soll Kurz seine Rolle kleingeredet haben, als er im U-Ausschuss mit den Postenschacher-Vorwürfen konfrontiert wurde.
Zum Zweiten: Die WKStA muss nachweisen können, dass Kurz, Bonelli und Glatz-Kremsner absichtlich falsch ausgesagt haben bzw. es zumindest „ernstlich für möglich gehalten und sich damit abgefunden“ haben. Die WKStA argumentiert bei Kurz, dass er deshalb falsch ausgesagt habe, weil ihm die wahren Umstände politisch unangenehm gewesen seien.
Kurz betonte bereits zu Beginn der Ermittlungen, er habe „nie die Absicht gehabt, falsch auszusagen“. Die Befragung durch die Abgeordneten im U-Ausschuss habe darauf abgezielt, ihn in die Falle zu locken und ihm zu schaden.
Klar ist: Die Vorwürfe müssen sich mit Gewissheit bestätigen lassen, bei Zweifeln muss Richter Michael Radasztics die Angeklagten freisprechen.
4. Was ist an Tag 1 zu erwarten?
Um 7.30 Uhr wird die Vorhalle zum Großen Schwurgerichtssaal geöffnet. Zuhörer sollen möglichst ohne Umwege zur Galerie geleitet werden. Prozessbeginn ist um 9.30 Uhr. Zuvor dürfte Ex-Kanzler Sebastian Kurz vor den Medienvertretern noch ein kurzes Statement abgeben.
Die WKStA wird mit ihrem Plädoyer beginnen. Vorgesehen sind allein dafür rund eineinhalb Stunden. Danach folgen die Verteidiger der Beschuldigten. Auch mit der Befragung von Glatz–Kremsner soll zumindest noch begonnen werden.
Möglich ist auch, dass noch einige Anträge, speziell von der Verteidigung, eingebracht werden. Das könnte den Zeitplan deutlich durcheinander bringen.
5. Und wie geht es dann weiter?
Am Freitag soll Kurz befragt werden, am Montag sein Intimus Bonelli. In den ersten drei Tagen werden keine Zeugen zu Wort kommen.
Weitere Verhandlungstermine sind noch nicht ausgeschrieben. Dem Vernehmen nach dürfte es aber in etwa einem Monat weitergehen. Ein Urteil bis Jahresende ist unwahrscheinlich. Auch deshalb, weil als einziger Verhandlungssaal des Landesgerichts für Strafsachen der Große Schwurgerichtssaal infrage kommt. Und der wird auch für weitere Großverhandlungen, wie etwa den Immofinanz-Prozess, benötigt.
Doch auch wenn Richter Radasztics zu einem Urteil gekommen ist, wird es mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit angefochten und geht in die nächste Instanz.
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