Dritter Tag im Kurz-Prozess: Bonelli zwischen Angst und Schweigen

60 Minuten können eine lange Zeit sein. Man kann sie dazu nutzen, mit den Öffis von einem Ende von Wien ans andere zu fahren. Man kann sich ein gutes Mittagessen kochen. Man kann einen Zeitungsartikel schreiben. Oder auch betont gelangweilt im Gerichtssaal sitzen und zu den gestellten Fragen eines Oberstaatsanwalts schweigen.
Zu Letzterem entschied sich Bernhard Bonelli, der ehemalige Kabinettschef von Sebastian Kurz (ÖVP), am Montag im großen Schwurgerichtssaal des Landesgerichts für Strafsachen in Wien. Eine Stunde lang formulierte WKStA-Oberstaatsanwalt Gregor Adamovic seine Fragen. Nach jeder machte er eine kurze Pause, blickte in Richtung von Bonelli. Doch der würdigte ihn keines Blickes, gähnte und schaute hin und wieder auf seine Uhr.
Im Maschinenraum
Am dritten Prozesstag wegen angeblicher Falschaussagen im Ibiza-U-Ausschuss erklärt auch Bonelli: „Nicht schuldig“. In einer Stellungnahme geht er auf seinen Werdegang ein. „Ich war schon als Schüler politisch engagiert, ging dann aber in die Privatwirtschaft und habe 2017 die Chance ergriffen, im Team Kurz mitzuarbeiten, um etwas Positives bewegen zu können.“ „Dankbar“, sei er für die Jahre, in denen er „den Maschinenraum im Bundeskanzleramt am Laufen gehalten“ habe.
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Und ähnlich wie Kurz beschreibt er später, bei der Befragung durch Richter Michael Radasztics, eine angeblich feindselige Stimmung im U-Ausschuss. „Es war ein Minenfeld.“ Er habe Angst gehabt, sich einer Strafverfolgung auszusetzen. Nachdem er mehrfach angegeben habe, sich nicht mehr erinnern zu können, sei er gefragt worden, ob er sich noch an den Weg in sein Büro erinnern könne.
„Ich habe mir gedacht, am Ende meines Lebens würde ich es bereuen, wenn ich die Chance nicht ergriffen hätte. Auch nach allem, was passiert ist, bin ich dankbar“
Ex-Kabinettschef Bonelli über seinen Job bei Kurz
„Es war ein Minenfeld [...] Es war herabwürdigend, von den Abgeordneten ausgelacht zu werden [...] Krisper (Neos-Abgeordnete, Anm.) hat sich an mich herangepirscht“
Bonelli über die Stimmung im U-Ausschuss
„Die Abgeordneten haben Druck ausgeübt, wollten auf jede Frage eine Antwort und führten Stricherllisten, wie oft man sagte, man könne sich nicht erinnern“
Er selbst hatte 62 Stricherl
„Nachdem ich damals 24/7 mit der Pandemiebekämpfung beschäftigt war, hatte ich keine Zeit, mich für den
U-Ausschuss vorzubereiten“
... zur Situation damals
„Herr Rat, Sie haben schon bemerkt, ich bin ein strukturierter Mensch. In meinem Hirn geht sich das nicht aus“
... zu den Vorwürfen„Die Fragen waren sehr breit formuliert, deshalb bin ich nur auf die formalen Vorgänge eingegangen“
... zu seiner Aussage, der Finanzminister habe die Entscheidungen getroffen
„Ich war kein großer Freund von Thomas Schmid. Es war mir klar, dass es sein Hauptziel war, sein eigenes Fortkommen zu optimieren“
... über den Ex-Finanz-Generalsekretär
Retourkutsche?
Falsch ausgesagt habe er dennoch nicht, auch wenn er eingesteht, seine Antworten allgemein gehalten zu haben. Warum er dann hier sitzt? Er habe einmal ein Positionspapier verschickt, mit der Forderung, dass die WKStA zerschlagen werden müsse. „Und ausgerechnet die WKStA führt jetzt die Ermittlungen gegen mich“, lautet seine Erklärung.
Auch am möglichen Kronzeugen Thomas Schmid lässt er kein gutes Haar. „Ich war kein großer Freund von ihm.“ In einer Nachricht wirft er ihm „absoluten Dilettantismus“ in Zusammenhang mit der ÖBAG vor. „Da muss ich mich sehr geärgert haben.“ Die Abneigung dürfte auf Gegenseitigkeit beruht haben. In einem Chat schrieb Schmid an den ehemaligen Finanzminister Hartwig Löger: „Bonelli hat noch nie gut verhandelt.“
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Bonelli stellt in Abrede, dass er oder Kurz in Postenbesetzungen von Aufsichtsräten involviert gewesen seien – diese seien immer in Händen des Finanzministers gelegen. Nur einmal, als eine Kandidatin abgesprungen sei und man negative Berichterstattung fürchtete, habe er seine Hilfe angeboten und Vorschläge gemacht, beschreibt Bonelli. Warum er sich daran im U-Ausschuss nicht erinnert hat? „Es gab viele Ausnahmesituationen.“
Richter Michael Radasztics verweist auf einen Termin von Kurz und Schmid wegen „AR“. „Woher leiten Sie ab, dass es da um Aufsichtsräte geht?“, fragt Bonelli. „Es könnte auch um die Aufsichtsreform gegangen sein.“
Licht ins Dunkel soll Thomas Schmid bringen. Richter Radasztics will ihn am 17. November als ersten Zeugen hören. Zeugenladungen bekommen zudem die Ex-ÖVP-Politiker Hartwig Löger und Gernot Blümel sowie FPÖ-Mann Arnold Schiefer. Die WKStA beantragt acht weitere Zeugen. Darunter Helmut Kern (der damals Aufsichtsratschef wurde), Unternehmer Siegfried Wolf und Heinz-Christian Strache (damals FPÖ-Vizekanzler).
Zudem wurden drei weitere Prozesstermine im Dezember fixiert: Verhandelt wird am 11., 15. und 18. Dezember.
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