Thomas Schmid und der Kurz-Prozess: Der ungekrönte Zeuge
Am Montag ist es so weit: Thomas Schmid wird im Falschaussage-Prozess gegen Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und dessen früheren Kabinettschef Bernhard Bonelli als Zeuge aussagen.
Es wird das erste Mal sein, dass Schmid sich öffentlich rund um Verdachtsmomente betreffend seine Bestellung als ÖBAG-Chef äußert. Bei seinem Auftritt im U-Ausschuss vor einem Jahr verweigerte er ja jede Antwort (siehe Chronologie).
1. April 2019
Thomas Schmid wird Alleinvorstand der Staatsholding ÖBAG, zuvor war er Generalsekretär im Finanzministerium.
12. November 2019
Hausdurchsuchungen der WKStA, u. a. bei Schmid. Er löscht sein Handy, denkt aber nicht an seinen externen Speicher. 300.000 Chatnachrichten werden rekonstruiert.
24. Juni 2020
Sebastian Kurz und Schmid sind im U-Ausschuss: Schmid entschlägt sich weitgehend. Kurz erklärt, er sei in Postenbesetzungen der ÖBAG nicht involviert gewesen.
28. März 2021
Erste Chats werden publik: Sie scheinen nahezulegen, dass Kurz doch involviert war (Kurz: „Kriegst eh alles, was du willst“ – Schmid: „Ich liebe meinen Kanzler“). Kurz wird wegen Falschaussage angezeigt.
8. Juni 2021
Schmid tritt als ÖBAG-Vorstand zurück.
6. Oktober 2021
Razzia bei der ÖVP und im Kanzleramt wegen Verdachts auf Inseratenkorruption bei „Österreich“. Neben den Meinungsforscherinnen Sophie Karmasin und Sabine Beinschab wird auch Kurz als Beschuldigter geführt.
9. Oktober 2021
Die Grünen stellen der ÖVP ein Ultimatum: Koalition nur ohne Kurz. Dieser tritt erst als Kanzler und im Dezember auch als ÖVP-Chef zurück.
Februar 2022
Beinschab kooperiert mit der WKStA, erhält später den Kronzeugenstatus. Erste Spekulationen beginnen,
dass sich auch Schmid als Kronzeuge ins Spiel bringen könnte. „Unsinn“, sagt sein Anwalt Thomas Kralik.
8. April 2022
Schmid wendet sich – hinter dem Rücken Kraliks – an die WKStA und will auspacken. Unterdessen liefert er sich
ein Versteckspiel mit dem U-Ausschuss, er muss 6.000 Euro Beugestrafe zahlen.
18. Oktober 2022
Die WKStA legt einen 454-seitigen Bericht zum Akt – so erfahren Anwälte und Medien: Schmid will tatsächlich Kronzeuge werden. Im Sommer war er 15-mal heimlich zur Einvernahme bei der WKStA. Sein neuer Anwalt ist Roland Kier.
3. November 2022
Schmid erscheint endlich im U-Ausschuss, beantwortet aber keine Fragen. Zu dieser Zeit stellt er auch offiziell
seinen Kronzeugen-Antrag.
30. März 2023
Hausdurchsuchung bei „Heute“; WKStA ermittelt auch gegen die „Krone“ wegen Verdachts der Inseratenkorruption.
18. August 2023
Die WKStA klagt Kurz, Ex-Kabinettschef Bernhard Bonelli und Ex-Casinos-Chefin Bettina Glatz-Kremsner rund um die ÖBAG-Causa wegen Falschaussage an.
18. Oktober 2023
Der Falschaussage-Prozess startet. Glatz-Kremsner bekommt eine Diversion in Form einer Geldbuße.
17. November 2023
Schmid hätte heute als erster Zeuge aussagen sollen, sagt aber ab. Stattdessen kommt Ex-ÖBB-Vorstand Arnold Schiefer. Schmid soll nun am 11. Dezember kommen.
„Lebensbeichte“
Damals hatte Schmid gerade erst seinen Antrag auf Kronzeugenstatus eingereicht, der ihn vor einer Strafverfolgung schützen würde. Auf eine Antwort der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) wartet er bis dato vergeblich. Die Ermittler sind noch immer damit beschäftigt, die Aussagen, die er seit dem Sommer 2022 zu Protokoll gab, zu prüfen.
Für den 48-Jährigen, der aktuell in Amsterdam lebt, steht viel auf dem Spiel: Bei seiner „Lebensbeichte“ hat er einige ÖVP-Leute und Unternehmer schwer belastet – und auch sich selbst.
Voraussetzung für den Kronzeugenstatus ist nämlich, dass jemand neue Sachverhalte offenbart und einen „wesentlichen Beitrag“ zur Aufklärung leistet.
Schmid gab damals unter anderem zu Protokoll, dass es zu seiner Zeit als Generalsekretär im Finanzministerium nicht nur (wie zum damaligen Zeitpunkt bekannt) beim Boulevardblatt Österreich Inseratenkorruption gegeben haben soll, sondern auch bei Kronenzeitung und Heute. Zudem sprach er über Interventionen bei Steuerverfahren von Superreichen wie René Benko und Siegfried Wolf und mehrere Fälle von Geheimnisverrat.
➤ Kronzeugenregelung wird zur Zitterpartie für Schmid
Sollte Schmid an irgendeiner Stelle die Unwahrheit oder nur die halbe Wahrheit erzählt haben, dann ist seine Chance auf den Kronzeugenstatus vertan. Dann müsste die WKStA ihn in vollem Umfang verfolgen. Auch – und das wäre wohl besonders bitter – wegen der Dinge, die er selbst offenbart hat. Allein wegen Bestechlichkeit würden ihm bis zu 15 Jahre Haft drohen.
Die Parade-Kronzeugin
Welchen Eindruck Schmid am Montag hinterlässt, ist daher auch für ihn selbst von wesentlicher Bedeutung. Wie eine Kronzeugin auftreten muss, bewies im vergangenen Mai Sabine Beinschab im Prozess gegen Ex-Familienministerin Sophie Karmasin.
Die Meinungsforscherin hatte zuvor umfangreich – 69 Stunden – bei der WKStA ausgesagt. Ihrer Aussage war es geschuldet, dass die ehemalige Ministerin im Landesgericht für Strafsachen in Wien schließlich wegen Wettbewerbsabsprachen (nicht rechtskräftig) zu 15 Monaten bedingter Haft verurteilt wurde.
Was Beinschab bei ihrem ersten öffentlichen Auftritt auszeichnete: ihre Offenheit und Uneitelkeit. Selbst, wenn sie sich selbst nicht im besten Licht darstellen musste. „Ich war im Prinzip ein Trottel“, sagte sie über sich. Und: „Ich beschäftige mich mit dem Eingestehen meiner Fehler.“
Nicht aus der Ruhe zu bringen
Den Gerichtssaal betrat sie mit einem freundlichen Lächeln. Beinschab wirkte befreit, sogar heiter. In einem schwarzen Rucksack hatte sie Unterlagen dabei. Immer wieder blätterte sie darin – etwa, wenn es um genaue Abläufe ging, konkreten Chatverkehr.
In der Befragung im Gericht, die mehrere Stunden dauerte, kam Beinschab niemals ins Straucheln, verwickelte sich nicht in Widersprüche. Und ließ sich auch bei den Fragen von Karmasin-Anwalt Norbert Wess nicht aus der Ruhe bringen.
Als dieser durch Fragen andeutete, dass Beinschab möglicherweise ein persönliches Motiv für ihr Auspacken hatte – nämlich eine fristlose Kündigung beim Meinungsforschungsinstitut von Karmasin –, bestätigt Beinschab das: „Wegen Vertrauensbruchs.“
Das Auftreten der Kronzeugin war später auch noch bei der Karmasin-Urteilsverkündung mehrmals Thema. Der Richter betonte ihre Glaubwürdigkeit. Beinschab habe nicht den Eindruck gemacht, ihrer ehemaligen Chefin Karmasin schaden zu wollen. „Sie wollte reinen Tisch machen.“
Beinschab packte übrigens in der Inseratenaffäre auch über Thomas Schmid aus. Die Welt ist klein in Österreich.
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