15 Tage lang hat Thomas Schmid mit der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) sein Insider-Wissen über die türkise ÖVP geteilt. Sein Ziel: Kronzeuge werden. Jetzt macht der 454-seitige Akt Schlagzeilen. Was es damit auf sich hat.
Die Einvernahmen waren im Juni, wurden aber erst jetzt bekannt. Wie kam’s?
Die Causa war bis Dienstag Verschlusssache. Schmid hat sie sogar vor seinem Anwalt geheim gehalten. Thomas Kralik, der ihn bis dato offiziell vertreten hat, hat erst am Dienstag davon erfahren. Tatsächlich hat Kralik im August im KURIER dementiert, dass Schmid mit der WKStA kooperiere oder einen Kronzeugenstatus anstrebe.
Laut Akt war Schmid der Ansicht, der Plan wäre mit Kralik nicht zu machen und suchte sich heimlich einen anderen Anwalt. Um nicht erwischt zu werden, traf sich Schmid mit der WKStA in Graz, nicht in Wien.
Warum ist der Akt jetzt öffentlich?
Die WKStA hat am Dienstag eine Pressemitteilung verschickt und die Protokolle im elektronischen Akt freigegeben. Damit haben alle Anwälte, die im Ibiza/Casag-Verfahren einen der 45 Beschuldigten vertreten, Zugang. So können sie sich auf die Vorwürfe einstellen und ihre Mandanten beraten.
Schadet das Publikwerden den Ermittlungen?
„Ein ruhiges Arbeiten der Behörden ohne Einflussnahme der Öffentlichkeit ist auf jeden Fall besser“, sagt Bettina Knötzl, Wirtschaftsanwältin und Präsidentin von Transparency International Austria, die die Gratwanderung zwischen öffentlichem Interesse und Beschuldigtenrechten bestens kennt.
Sie sagt aber auch: Die WKStA habe die Einsicht für einige Monate bewusst verhindert, um die Ermittlungen in ihrer heiklen Phase nicht zu gefährden und den Zeitpunkt, die Protokolle freizugeben, jetzt bewusst gewählt.
Schmid belastet viele Personen schwer – muss er die Wahrheit sagen?
Als Beschuldigter steht er, anders als Zeugen, nicht unter Wahrheitspflicht. Allerdings ist es eine Straftat, jemand anderen wegen einer Straftat falsch zu beschuldigen. Und er riskiert seine Privilegien als Kronzeuge, wenn er lügt oder übertreibt.
Kurz dementiert alles. Steht jetzt Aussage gegen Aussage?
Im Rahmen der „freien Beweiswürdigung“ kann der Richter selbst abwägen, für wie glaubwürdig er Schmid und Kurz jeweils hält und wie er das Gesamtbild bewertet. Schriftliche Beweise sind nicht zwingend notwendig. Allerdings gilt vor Gericht immer: Im Zweifel für den Angeklagten.
Laut Kronzeugenregelung kann die WKStA für jenen Teil, den Schmid von sich aus geliefert hat, von einer Verfolgung absehen. Nicht aber für jenen Teil, wo schon vorher gegen ihn ermittelt und „Zwang“ (Hausdurchsuchung etc.) ausgeübt wurde. Schmid kann aber mit einer Strafmilderung rechnen, sagt Knötzl.
Wer bestimmt, ob Schmid Kronzeuge wird?
Zunächst die WKStA, die abwägen muss, ob die Inhalte, die Schmid liefert, genug Gewicht haben – er muss schon einen „wesentlichen Beitrag“ zur Aufklärung leisten.
Das Vorhaben muss dann von der Oberstaatsanwaltschaft als Fachaufsicht und vom Justizministerium bzw. dem Weisungsrat der Ministerin abgesegnet werden.
Könnte er den Status auch wieder verlieren?
Ja, die WKStA tritt nämlich nur „vorläufig“ von der Verfolgung zurück. Wenn Schmid nicht mehr kooperiert oder man ihn bei einer Lüge ertappt, können die Ermittlungen gegen ihn jederzeit wieder in vollem Umfang aufgenommen werden.
Das wäre der „Worst Case“, sagt Knötzl: Er hätte bereits alles offenbart und sich auch selbst schwer belastet, genießt dann aber nicht mehr den Schutz des Kronzeugenstatus.
Schmid hat den Kronzeugenstatus formell noch nicht beantragt. Warum?
Schwer zu sagen. Möglich, dass Schmid noch nicht alle Beweise beisammen hat, um als Kronzeugenkandidat zu überzeugen. Sobald er den Status beantragt, fällt die WKStA eine Entscheidung – da muss alles perfekt sein.
Apropos: Wird Schmid jetzt doch noch vor dem U-Ausschuss aussagen?
Die WKStA wollte das offenbar. Es gibt zwei Aktenvermerke, wo es heißt, man habe Schmid ersucht, mit dem U-Ausschuss Kontakt aufzunehmen – einmal im Juli, einmal im September. Der Vorschlag war, dass Schmid „zeitnahe“ zum Abschluss der Befragung durch die WKStA einen Termin für die Befragung im U-Ausschuss vereinbart.
Zur WKStA sagte Schmid laut Akten aber, dass der U-Ausschuss ihn ohnehin vorführen lassen wolle. Eine Kontaktaufnahme hielt er für sinnlos.
Viel Zeit bleibt nicht: Der U-Ausschuss soll (wie berichtet) am 7. Dezember enden.
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