Mariahilfer Straße: Vassilakou will ihre Radler retten

KI Kummer, PI Kandlgasse
Zwischen Rot und Grün ist ein Tauziehen um die Fußgängerzone entbrannt.

Bis Ende nächster Woche will Bürgermeister Michael Häupl (SP) Klarheit darüber, wie es auf der Mariahilfer Straße weitergehen soll. Wie berichtet, hat Häupl drei Problemfelder auf der neu gestalteten Einkaufsmeile ausgemacht: Den Bus, die Querungen und die Radfahrer.

Während beim Bus und den Querungen alle Beteiligten lösungsorientiert zusammen arbeiten (siehe auch Artikel unten), spießt es sich bei den Radfahrern.

„Mein Vorbild wäre die Kärntner Straße“, sagte Häupl im KURIER-Interview. Diese kommt bekanntlich ohne Radfahrer aus. Häupl weiß dabei die Mehrheit der SPÖ hinter sich. Darunter auch ausgewiesene Radfreunde, wie den roten Verkehrssprecher Siegi Lindenmayr. „Bei einer echten Fußgängerzone müssen die Radfahrer draußen bleiben. Der Mischbetrieb funktioniert nicht. Und der Ansicht sind viele in der SPÖ.“

Grüne Zwickmühle

Für Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou (G) wird es damit schwierig, ihr Kernklientel auf der Mariahilfer Straße zu halten. Zu viele Radfahrer halten sich nach wie vor nicht an die vorgeschriebene Schrittgeschwindigkeit. Weder in der Begegnungszone noch in der Fußgängerzone, wie ein Lokalaugenschein auf der Mariahilfer Straße zeigt:

Mariahilfer Straße: Vassilakou will ihre Radler retten

„Wir stellen täglich rund 30 Organmandate für Verkehrssünder aus“, sagt Gottfried Kummer, stv. Kommandant der Polizeiinspektion Kandlgasse in Neubau. Binnen weniger Minuten hält der Polizist Freitagnachmittag drei Radfahrer in der Fußgängerzone an, die zu schnell unterwegs waren. „Weniger als ein Drittel der Radfahrer hält sich an die erlaubte Schrittgeschwindigkeit in der Fußgängerzone“, sagt Kummer.

So auch ein junger Mann auf einem Rennrad: „Ich habe nicht gewusst, dass man hier nur Schrittgeschwindigkeit fahren darf.“ Er ist einsichtig, der Polizist lässt ihn ohne Strafe davon radeln. „Die meisten Radfahrer reagieren mit Verständnis, wenn man sie anhält. Viele glauben, dass sie auch in der Fußgängerzone 20 km/h fahren dürfen. Sie bemerken den Unterschied zwischen Begegnungs- und Fußgängerzone nicht“, erklärt Kummer. „Dazu kommt, dass man auf der Busspur auch 20 km/h fahren darf.“

Maßnahmen

Nachdem Hinweistransparente nicht ausgereicht haben, die Radler zu bremsen, will Vassilakou kommende Woche weitere Sitzgelegenheiten in der Fußgängerzone aufstellen. Glaubt man den Grünen, wird sich der Konflikt zwischen Radlern und Fußgängern aber bald lösen: „Wenn in der Fußgängerzone viele Passanten unterwegs sind, werden die Radler absteigen. Und es sind dort jeden Tag mehr Fußgänger unterwegs“, sagt Verkehrssprecher Rüdiger Maresch. Dass die Radler aus der Mariahilfer Straße verbannt werden müssen, können sich weder Maresch noch Vassilakou vorstellen.

Auch der Radbeauftragte Martin Blum sieht keine Alternativ-Routen zur Mariahilfer Straße: „Die Gumpendorfer Straße hat sehr deutliche Höhenunterschiede. Im 7. Bezirk gibt es gar keine direkte Verbindung nahe der Mariahilfer Straße.“

Die Verunsicherung ist jedenfalls groß. Laufend wird Polizist Kummer von Fußgängern, Radlern und Autofahrern angesprochen. Kummer: „Die Leute fragen uns ein Loch in den Bauch.“

Offiziell prüfen die Wiener Linien alle noch so ausgefallenen Routen. Doch intern dürfte es schon längst feststehen: Der 13A soll in Zukunft in beiden Richtungen durch die Neubaugasse fahren.

Denn alle anderen Varianten haben gravierende Nachteile. Allen voran jene, die heute, Samstag, erstmals zum Einsatz kommt. Hier weicht der 13A der Fußgängerzone großräumig über die Gumpendorfer Straße, die Zweier-Linie und die Neustiftgasse aus. Zeitverlust: Mehr als fünf Minuten. Für den täglichen Betrieb nicht praktikabel.

Eine zweite Variante wäre eine Linienführung über die Otto-Bauer-Gasse und die Zieglergasse. „Doch da müsste der Bus eine kurze Strecke in der Begegnungszone fahren“, sagt Wiener-Linien-Betriebsrat Leopold Wurm. In der Zieglergasse wurde zudem gerade erst eine Einbahn umgedreht und die Gasse wird kurz vor der Westbahnstraße sehr eng. Auch wäre man weit von der ursprünglichen Strecke entfernt.

Das gleiche gelte für die Variante Windmühlgasse–Stiftgasse, sagt Wurm. Hier wäre man ebenfalls zu weit von der Ursprungsstrecke entfernt und müsste durch die Begegnungszone fahren.

Für die Neubaugasse spreche hingegen die schon vorhandene Querung des 13A in Richtung Hauptbahnhof und die einfache Strecke. Würde man eine Gegenverkehrsampel installieren, die die Busse abwechselnd durch die Gasse schickt, bräuchte man keine weiteren Umbaumaßnahmen. Eine Alternative wären Ausweichbuchten, doch das kostet Parkplätze. „Für mich ist die Neubaugasse die logische Route für den 13A“, sagt Wurm.

Bezirksvorsteher Thomas Blimlinger (Grüne) findet die Variante durch die Neubaugasse weiterhin „nicht optimal“. Man werde sich aber zusammensetzen und die endgültige Lösung ausdiskutieren. Allerdings: „Ich habe den Eindruck, dass sich die Wiener Linien schon festgelegt haben“, sagt Blimlinger.

Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou kann – zumindest theoretisch – aus dem Vollen schöpfen. An mehr oder weniger ausgegorenen Vorschlägen zur Reparatur der Fußgängerzone auf der Mariahilfer Straße besteht derzeit kein Mangel.

Der ÖAMTC zum Beispiel bringt jetzt ein Zeitkorridor-Modell für die Benutzung der Mariahilfer Straße ins Spiel. Die Empfehlung: Die Fußgängerzone wird bis zehn Uhr für den Individualverkehr geöffnet. „Mit Geschäftsbeginn gehört die Einkaufsstraße wieder den Fußgängern und Kunden“, sagt ÖAMTC-Jurist Martin Hoffer. Und in den Abendstunden, etwa ab 19 Uhr, sollte wieder der Autoverkehr Vorrang haben. Hoffer: „So würden auch die fehlenden Parkplätze wieder zur Verfügung stehen. “ Nachsatz: „ Die Lokalbesucher der Grätzl in Mariahilf und Neubau brauchen nicht wirklich eine Fußgängerzone.“

Flanieren nur abends

Genau in die entgegengesetzte Richtung geht der Vorschlag von Wiens Wirtschaftskammer-Präsidentin Brigitte Jank: „Man könnte ja die Fußgängerzone erst um 18 Uhr beginnen lassen.“ Davor sollte die Einkaufsmeile aber dem Liefer- und Individualverkehr gehören.

Zu groß seien die Einbußen der Geschäftsleute in den Seitengassen durch das dort herrschende Verkehrschaos. „Vor allem die kleinen Betriebe dort können das nicht verkraften.“

Wiens Fußgängerbeauftragte Petra Jens hält wenig von derartigen Teilzeit-Lösungen: „Es wäre schon ziemlich aufwendig, ein solches Modell zu kommunizieren und auch zu kontrollieren.“ Sie ist jedenfalls zuversichtlich, dass sich die Menschen mit der Zeit an das jetzige Modell gewöhnen werden. Jens: „Außerdem soll es ja auch noch bauliche Veränderungen geben.“

Das glaubt auch Hermann Knoflacher, Verkehrsexperte der TU Wien: „Der Testbetrieb läuft erst seit zwei Wochen. Die Sache muss sich noch etwas setzen. Es wäre völlig falsch, jetzt die Nerven wegzuschmeißen und hektisch mit derartigen Änderungen zu beginnen.“

Zankapfel "MaHü": Keine Stammtisch-Debatte in der Bundeshauptstadt kommt momentan ohne einen Beitrag zur Neugestaltung der Mariahilfer Straße aus. Am neuen Verkehrskonzept scheiden sich die Geister: Zu verwirrend und sogar gefährlich, monieren die einen. Endlich weniger Autos und weniger Lärm, jubeln die anderen. Und die Politik? Die bittet um Verständnis und verspricht Adaptierungen: "Man muss dem Ganzen eine Chance geben", sagte der Bezirksvorsteher von Neubau, Thomas Blimlinger, unlängst im KURIER-Stadtgespräch.

Mariahilfer Straße: Vassilakou will ihre Radler retten

Und Sie? Was würden Sie auf der Mariahilfer Straße verändern? Was gefällt Ihnen am neuen Verkehrskonzept? Was weniger? Schicken Sie uns Ihre Verbesserungsvorschläge per E-Mail an leserreporter@kurier.at und stimmen Sie in der Umfrage für die aus Ihrer Sicht beste Lösung ab.

Die interessantesten Leserbeiträge werden in den nächsten Wochen hier in diesem Artikel veröffentlicht.

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