Maria Vassilakou: „Ja, ich bin unbequem“

Maria Vassilakou: „Ja, ich bin unbequem“
Zuerst der Aufschrei rund ums Parkpickerl, jetzt die Fußgängerzone in der Mariahilfer Straße. Niemand polarisiert so wie Maria Vassilakou.

KURIER: Frau Vassilakou, wie fühlen Sie sich in Ihrer Rolle als Buhfrau von Wien?

Maria Vassilakou: (lacht) Klar ist, dass ich niemanden kalt lasse. Und klar ist auch, dass diejenigen, die gegen Veränderungen sind, Sturm laufen. Es ist für viele ungewohnt, dass Politik auch handelt. Und bisweilen hat man in unserer Stadt vergessen, wie es ist, wenn sich etwas verändert. Für mich ist die Kritik und Lob eine Begleiterscheinung meines Handelns, an die ich mich gewöhnt habe. Ja, ich bin unbequem.

Die Kritik der Wiener ist durchaus hart. Manche meinen, Sie sollten in Griechenland einige Ihrer Projekte versuchen umzusetzen. Lässt Sie das kalt?

Was man nicht in den Zeitungen liest, sind die hunderten Mails, die ich von Wienern bekommen, die gratulieren, dass jetzt auf der Mariahilfer Straße mehr Platz, weniger Lärm ist und die Abgase weg sind.

Drei Tage nach der Eröffnung mussten Sie wegen der Autobuslinie 13 A einen Rückzieher machen. Sind Sie das Projekt naiv oder zu ideologisch angegangen?

Auf der Fußgängerzone gibt es eine ganz tolle Stimmung. Die halbe Stadt pilgert dorthin, um sich das Projekt anzuschauen. Dieses „Gemma Mahü schauen“ finde ich großartig. Und wir haben bewusst die Fußgängerzone nicht so gestaltet, wie man es von der Kärntnerstraße kennt, sondern sowohl den Bus als auch die Radfahrer durch die Fußgängerzone geführt.

Und warum bewusst?

Weil es einfach Sinn macht, das was in anderen europäischen Städten hervorragend funktioniert, auch in Wien auszuprobieren. Wir wollten so wenig Menschen wie möglich ausschließen. Denn jeder Ausschluss einer Gruppe bedeutet Unannehmlichkeiten. Und ich wollte weder Unannehmlichkeiten für die Öffi-Fahrer noch für die Radfahrer. Wir haben von Anfang an gesagt, es gibt eine Optimierungsphase bis in den Herbst. Alles was funktioniert, wird es weiter geben und was nicht funktioniert, wird es nicht mehr geben. Nach einer Woche sind wir erst am Beginn der Optimierungsphase. Ich liebe meine Stadt, aber ich weiß auch, wie unglaublich aufgeregt sie mit Neuerungen umgeht. Es wird noch ein wenig dauern, bis wir alle uns eingefunden haben in die neue Mariahilfer Straße.

Haben Sie die Gefahren, die sich ergeben, wenn der tonnenschwere 13 A durch die Fußgängerzone fährt, unterschätzt?

Es gibt keine Gefahren.

Dann steht Ihre Meinung aber konträr zu der der 13A-Autobus-Lenker…

Nicht einmal das. Es gibt etliche Autobusfahrer, die sich bei uns gemeldet haben und meinen, dass sie keine Probleme sehen, beim Passieren der Fußgängerzone.

Warum haben Sie dann nach drei Tagen trotzdem die Reißleine gezogen?

Weil es sinnlos ist, sich mit den Betriebsräten der Wiener Linien ein Match zu liefern. Kleinkinderstreit will niemand und versteht niemand. Ich mache mir zwar über die politische Kultur Gedanken, wenn wir uns im Vorfeld mehrfach zusammen setzen und Maßnahmen gemeinsam vereinbaren, die dann auf Punkt und Beistrich genau umgesetzt werden. Und dann bricht ein Teil alle Vereinbarungen, sodass wir auf Grund der verhärteten Fronten genötigt sind, uns nach einer anderen Lösung umzusehen. Diese Haltung kann ich nach wie vor weder verstehen noch gut heißen. Ich habe gelernt, dass es bei verhärteten Fronten nichts bringt, die Standpunkte stur zu wiederholen, sondern es ist besser, nach Lösungen zu suchen.

Sie meinen, das ist reine Politik von den Betriebsräten der Wiener Linien?

Ich will nicht interpretieren, sondern ich will die Dinge darstellen, wie sie sind. Ich will es dem Leser überlassen, seine eigenen Schlüsse zu ziehen.

Kann das Chaos rund um das Projekt zum Bumerang für die Grünen werden?

Chaos sehe ich weit und breit keines. Ich sehe Aufregung – auch sehr freudige. Ich betrachte die Mariahilfer Strasse auch nicht als Projekt, das zum Spielball des Wahlkampfs werden kann. Es ist ein gemeinsames Projekt der Grünen und der SPÖ im sechsten und siebten Bezirk.

Viele Anrainer beschweren sich, dass sie nun Umwege fahren müssen, um nach Hause zu kommen. Andere meinen, es gibt in den Nebengassen viel Stau. Wirkt sich das wirklich auf die Umweltbilanz positiv aus?

Schön, dass jetzt so vielen der Klimaschutz am Herzen liegt. Ich kann beruhigen. Das Prinzip einer verkehrsberuhigten Zone ist, dass die Abgase in Summe weniger werden. Den einen oder anderen Umweg wird es geben. Aber wiegt man es gegenüber der Gesamtverkehrsbelastung auf, fällt die Bilanz eindeutig pro Verkehrsberuhigung aus. Aber ich gebe zu, dass für Anrainer die ersten Tage nervig sind, bis man sich an den neuen Anfahrtsweg gewöhnt hat.

Warum haben Sie die Mariahilfer Straße in Begegnungszone und Fußgängerzone geteilt und nicht gleich komplett in einer Fußgängerzone verwandelt? Das wirkt nach „Ich würde gerne, aber ich trau mich nicht…“

Die Mariahilfer Straße ist eine sehr lange Straße. Und am oberen sowie am unteren Teil parken über 400 Autos in Innenhöfen. Hätten wir alles zur Fußgängerzone gemacht, hätte es das Problem gegeben, dass 400 Menschen ihren Parkplatz nicht erreichen. Das wollten wir nicht. Auch die Verwirrung der ersten Tage mit Halte- und Parkverbot ist gelöst, weil es bereits auf der Fahrbahn markiert wurde.

Sie meinen, die Stimmung wird in einem Jahr besser sein?

Sie ist jetzt schon gut und glaube, sie wird schon in einigen Wochen besser sein. Was wir jetzt erleben, sind die Anfangsschmerzen, die es aber bei jeder Umstellung gibt.

Es wundern sich viele, dass Sie nicht auch die Radfahrer aus der Fußgängerzone verbannen. Sind Radfahrer für Sie die besseren Menschen als Autofahrer?

Die besten Menschen sind die Fußgänger. Mein Ziel ist es, dass der Fußgänger auf der Mariahilfer Straße ungestört flanieren kann.

Waren die fünf Meter breiten Gehsteige nicht schon groß genug bis jetzt?

Nein, das waren sie nicht. Vor allem am Wochenende und nachmittags unter Woche hat sich gezeigt, dass die Straße aus allen Nähten platzt. Die Fußgänger sind teilweise auf der Fahrbahn gegangen, wo sich auch die Autos in beide Richtung stauten. Es war schwer möglich die Straße zu queren.

Wie oft haben Sie die Mariahilfer Straße in der letzten Woche besucht?

Ich bin täglich dort. Man könnte sagen, ich campiere schon auf der Mariahilfer Straße. Ich habe alles ausprobiert, bin mit dem Autobus und dem Rad gefahren, bin zu Fuß gegangen. Und mein Fazit ist: Es gibt jetzt mehr Platz, es ist ruhiger, es ist sehr, sehr angenehm ohne Autos. Allerdings spiesst es ich noch beim Tempo, mit dem manche Radfahrer durch die Fußgängerzone fahren. Die Voraussetzung, dass die Radfahrer weiterhin durchfahren dürfen ist, dass das Schritttempo strikt eingehalten wird. Ich richte einen Appell, aber auch eine Warnung an die Radfahrer. Sollte es in den nächsten Wochen nicht funktionieren, dann wird es keine Radfahrer mehr in der Fußgängerzone geben. Und das wäre schade. Manche haben da offenbar etwas nicht richtig verstanden: Die Mariahilfer Straße ist kein Rad-Highway.

Wie ist Ihr Verhältnis im Moment zu Bürgermeister Michael Häupl?

Ungebrochen gut.

Michael Häupl hat Sie angeblich zu einer Krisensitzung gebeten?

Das stimmt nicht. Aber natürlich reden wir laufend miteinander. Es wird niemanden wundern, dass das in der Wiener Stadtregierung so ist. Selbstverständlich haben wir auch über die neue Fußgängerzone in der Mariahilfer Straße gesprochen.

Wie war die Reaktion auf die Beschwerden rund um die Mariahilfer Straße von Michael Häupl?

Er hat sich von mit berichten lassen, was funktioniert und was nicht gut funktioniert aus meiner Sicht.

Sie hatten nicht das Gefühl, dass Michael Häupl nervös ist, dass das Projekt die SPÖ Wählerstimmen kosten könnte?

Ich habe ihn noch nie nervös erlebt und beim unserem letzten Gespräch gab es auch keine Premiere.

Sie kämpfen darum, die Autos aus der Stadt zu bekommen. Wie fühlen Sie, wenn ganz Österreich jubelt, dass die Formel 1 zurück nach Spielberg kommt?

(lacht) Ich juble als Sportbegeisterte mit. Es gibt natürlich Dinge, die man als Grüne nun mal gespalten betrachtet.

Sie schauen auch Formel1?

Ja, ich schaue Formel 1. Verwundert? Das liegt an einer zentralen Verwechslung. Klimaschutz bedeutet, dass wir in unserem Alltag bewusst umweltschonend handeln. Aber wer Umweltschutz und Klimaschutz mit Selbstkasteiung oder das Ende vom Spaß verwechselt, hat nichts verstanden.

Zur Person

Die gebürtige Griechin kam 1988 nach der Matura nach Wien, um ein Studium als Dolmetscherin für Deutsch, Englisch und Französisch zu absolvieren. Bei den Wiener Landtagswahl 2010 erreichte Vassilakou als Spitzenkandidatin der Grünen 12,6 Prozent. Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) verlor die absolute Mehrheit und schloss mit den Grünen eine Koalition. Im November 2010 übernahm Vassilakou das Ressort für Stadtentwicklung, Verkehr und Klimaschutz . Seither hat Vassilakou mit ihrem Projekt für viel Aufsehen gesorgt. Sie führte das Parkpickerl auch in Wiens Randbezirken ein und machte nun die Mariahilfer Straße zur Fußgängerzone.

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