Der rot-pinke Deal: Strenge Regeln für Klimaschutz, mehr Geld für Bildung

Nun in einer Regierung: Christoph Wiederkehr und Michael Ludwig.
Gemeinsam mit seinem neuen Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr präsentierte Michael Ludwig den SPÖ-Neos-Koalitionspakt. Ein Überblick.

Was vor der Wahl von vielen noch als völlig abwegiges Gedankenspiel abgetan wurde, ist nun Realität: Montagvormittag präsentierte ein unübersehbar gut gelaunter Bürgermeister Michael Ludwig im Wappensaal des Rathauses die Eckpunkte der SPÖ-Neos-Koalition – gemeinsam mit Neos-Klubchef Christoph Wiederkehr, bald schon Vizebürgermeister und Bildungsstadtrat.

Beide lobten einander nochmals für das „Verhandeln auf Augenhöhe“ in den vergangenen drei Wochen und beschworen als Vorbild die sozialliberale Koalition in der BRD unter SPD-Kanzler Willy Brandt.

In der Nacht auf Montag erfolgte noch der Feinschliff für das Regierungsprogramm der selbst ernannten „Zukunftskoalition“.

Es umfasst 209 Seiten. Und das sind die acht wichtigsten Punkte daraus:

1. Arbeit und Wirtschaft

Dieser Punkt steht völlig im Zeichen der Corona-Krise. „Die Unterstützung für den Arbeitsmarkt und die Wirtschaft sowie die Sicherung des Gesundheitssystems und der Ausbau des Bildungsbereichs haben jetzt Vorrang vor einer schwarzen Null“, wird gleich eingangs des Kapitels betont.

Neben dem bereits bekannten Konjunkturpaket mit einem Volumen von 600 Millionen Euro will man die „Aktion 50plus“ weiter forcieren, um älteren Arbeitslosen zu helfen.

Geplant ist aber auch eine Entbürokratisierung und Entlastung: Ziel sind unter anderem Vereinfachungen, wie sie im Rahmen der Corona-Krise angewandt wurden. Zudem werden alle Abgaben, Steuern und Gebühren systematisch einer Überprüfung zur zeitgemäßen Anpassung unterzogen. Besonders im Fokus: die Gebrauchsabgabe für die Nutzung öffentlichen Raums.

2. Bildung

Auch wenn Wiederkehr SPÖ-Mann Jürgen Czernohorszky als Bildungsstadtrat ablöst – dieses Kapitel trägt klar die Handschrift der Sozialdemokraten. Darin findet sich vieles, was auch schon in der abgelaufenen Legislaturperiode auf Schiene war.

Wie etwa die Stärkung von Schulen mit besonders hohen sozialen Herausforderungen. Solche Standorte sollen nun gemäß dem „Wiener Bildungsversprechen“ von sogenannten Schulentwicklungsexperten begleitet werden. Zudem erhalten sie zusätzliche Ressourcen, wie etwa psychosoziale oder Sprachförder-Kräfte.

Weiters stellt Rot-Pink kostenfreie Ganztagsschulen in Aussicht. Pro Jahr sollen zehn verschränkte Ganztagsschulen, in denen sich Unterrichts-, Lern- und Freizeiteinheiten den ganzen Tag über abwechseln, dazukommen.

Gegenüber dem Bund will sich die neue Stadtregierung für einen Ethikunterricht einsetzen. Denn das Wissen über die verschiedenen Religionen und die Auseinandersetzung mit ethischen Fragen trage zum gegenseitigen Verständnis in einer pluralistischen Gesellschaft bei.

Da die Stadt aber keinen Ethikunterricht in den Lehrplan aufnehmen kann, werden in einem Pilotprojekt die inhaltlichen Aspekte des Ethikunterrichts in der Pflichtschule erarbeitet.

Ausgebaut werden sollen die städtischen Kindergartenplätze sowie die Sprachförderung für Kindergartenkinder mit nicht-deutscher Muttersprache.

3. Klimaschutz

Das wohl spannendste und ambitionierteste Kapitel, das deutlich von den Konzepten der Neos geprägt ist. Bis 2040 will die Stadt CO2-neutral werden. Ein Vorhaben, das erstmals in einem eigenen Klimaschutzgesetz festgeschrieben wird, um eine Verbindlichkeit zu ermöglichen.

Für die praktische Umsetzung gibt es ab dem Budgetvoranschlag 2022 jährlich ein eigenes Klimabudget, bei dem es sich eigentlich um ein Treibhausgas-Budget handelt. Es gibt vor, „wie viel Treibhausgas-Emissionen maximal ,ausgegeben‘ – und damit ausgestoßen – werden dürfen, damit ein ,Nulldefizit‘ beim Klimaschutz erreicht wird“, wie es im Programm heißt.

Das Budget wird detailliert auf einzelne Bereiche – etwa Verkehr oder Gebäude – heruntergebrochen. Noch nicht ganz klar ist, was passiert, wenn die jährlichen Teilziele nicht eingehalten werden können. Denkbar ist eine Übertragung des Defizits auf das Folgejahr oder eine Kompensation durch andere Klimaschutz-Maßnahmen.

Ebenfalls bis 2040 ist der Ausstieg aus fossilen Energieträgern für Heizung, Kühlung und Warmwasser geplant.

Ein weiteres, deutlich kurzfristigeres Ziel: „Die Wiener Taxiflotte sowie andere Fahrdienstanbieter und Car-Sharing-Fahrzeuge sollen bis 2025 auf Elektroautos umgestellt werden.“

4. Mobilität

Worüber die SPÖ mit den Grünen erbittert stritt, das setzt sie jetzt mit den Neos um: Bis 2022 soll das Stadtzentrum verkehrsberuhigt werden. Mögliche Hebel sind neue Parkregelungen bzw. Zufahrtsbeschränkungen innerhalb des Rings.

Das passt zur grundsätzlichen Stoßrichtung des Kapitels Verkehr. Darin festgeschrieben ist eine „Mobilitätsgarantie“: Bis 2025 soll gewährleistet sein, dass die Wienerinnen und Wiener auch ohne Auto voll mobil sind.

Erreichen will man das durch einen massiven Ausbau der Öffis: mit Straßenbahnen über die Stadtgrenzen hinaus, besseren Tangentialverbindungen in den Außenbezirken, einem S-Bahn-Ring um die Stadt und einer Stadtseilbahn zwischen Ottakring und Hütteldorf.

Bis 2022 soll das Parkpickerl neu aufgestellt werden: Zuständig sein werden nicht mehr die Bezirke, sondern die Stadt. Möglich ist eine Staffelung der Tarife nach Fahrzeuggröße bzw. nach -Emissionen. Die Parkraumbewirtschaftung soll dabei helfen, die Zahl der Pkw-Pendler nach Wien bis 2030 zu halbieren.

Ambitionierte Ziele hat Rot-Pink für die Radfahrer: Der Radwege-Anteil an der Gesamtverkehrsfläche soll auf 10 Prozent gesteigert werden (derzeit liegt er bei etwas mehr als 1 Prozent). In den kommenden fünf Jahren werden jährlich 20 Millionen Euro dafür aufgewendet (bisher: zwischen 6 und 7 Millionen).

Übrigens: Das Wort Begegnungszone kommt in dem Pakt genau ein Mal vor.

5. Wohnbau

Eine Fortsetzung der SPÖ-Politik mit leichten Anpassungen lässt sich aus diesem Kapitel herauslesen. Zusätzlich zu den schon vor Jahren geplanten 4.000 neuen Gemeindewohnungen kommen 1.500 hinzu. Weiters will man die Wohnungsvergabe umfassend evaluieren und weiterentwickeln.

Was aber hervorsticht: Generell soll der Wohnbau-Boom der vergangenen Jahre etwas gedrosselt werden: „Das starke Wachstum Wiens hat sich zuletzt abgeschwächt. Diese Entwicklung lässt eine maßvollere Dichte bei Stadterweiterungen zu“, heißt es im Koalitionspapier. „Das Widmungs- und Bauprogramm von bisher 10.000+ Wohnungen soll reduziert werden, um die gewachsenen Strukturen in den Außenbezirken besser zu berücksichtigen.“

6. Transparenz

Ein weiteres Neos-Kernanliegen. In diesem Bereich konnten sie gleich mehrere Punkte durchsetzen. So wird eine Antikorruptions-Ombudsstelle in der Magistratsdirektion eingerichtet, weiters eine Whistleblower-Plattform, wo jeder anonym Verdachtsfälle melden kann.

Die Untersuchungskommission des Gemeinderats wird reformiert, wobei unter anderem die Minderheitenrechte gestärkt werden.

Das Förderwesen der Stadt soll transparenter und nachvollziehbarer werden, insbesondere durch die Veröffentlichung von Förderkriterien. Die Wahlkampfkostenobergrenze wird von sechs auf fünf Millionen Euro gesenkt.

Auch die Parteienfinanzierung soll transparenter werden. Eine zentrale Rolle wird dabei der Stadtrechnungshof einnehmen.

7. Gesundheit

Für die schon länger geplante Auslagerung der Gemeindespitäler nimmt man sich nun doch die gesamte Legislaturperiode Zeit. Getestet werden soll ein Kompetenzzentrum für Kinder mit chronischen Erkrankungen.

8. Kultur

Kultur soll, wie die SPÖ schon länger plant, verstärkt in der eigenen Nachbarschaft erlebbar sein, das Grätzel soll zum „verlängerten Wohnzimmer“ werden.

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