Von Italiens Corona-Schulden, dem Ramadan und dem Ärger der Ischgler
Videokonferenzen haben es im Gegensatz zu Sitzungen, an denen man körperlich teilnimmt, an sich, dass die Emotionen nicht so hochgehen. Es fällt schwerer, dem anderen ins Wort zu fallen. Auch die körpersprachliche Komponente (wie Mimik, Gestik und Haltung), die ja bekannterweise in der Kommunikation mehr als 50 Prozent ausmacht, ist in einer Schaltung von 27 Personen ebenfalls minimiert. Zu meist sieht man ja nur den Vorsitzenden und jene die gerade sprechen. Kopfschütteln, zustimmendes Nicken oder geballe Fäuste sieht man meist gar nicht.
Der Gipfel der Staats- und Regierungschefs Europas findet heute über Videokonferenz statt, und trotzdem könnten die Wogen hochgehen. Es geht um jene insgesamt 3,5 Billionen Euro, die zur Rettung der EU-Wirtschaft in die Länder gepumpt werden müssen. Zur Größenordnung: Der "Green Deal", den Ursula von der Leyen zu Beginn ihrer Amtszeit als EU-Kommissionspräsidentin vor wenigen Woche und vor der Corona-Krise angekündigt hat, sollte mit einer Billion Euro dotiert sein. Und damals gab es schon das große Staunen, wie man dieses Geld zusammenkratzen solle. Und dann auch zurückzahlen muss.
Sind das Kredite oder Geldgeschenke?
Und genau um das geht es im Streit der Regierungschefs, wer zahlt was zurück: Die EU-Kommission wird erstmals nämlich selbst Schulden machen und dafür haften. So viel dürfte feststehen. Das hat den Sinn, dass ärmere Länder wie Italien oder Spanien auch von den geringen Zinsen, die ein gemeinsames Europa am Kapitalmarkt bekommen würde, profitieren könnten. Wendet sich Italien derzeit alleine an mögliche Geldgeber, würden diese sehr hohe Zinsen verlangen, weil das Risiko dementsprechend hoch ist. Oder gar kein Geld mehr hergeben.
Doch die ärmeren Länder wollen, dass die EU dieses Geld als direkte und nicht rückzahlbare Förderung ausschüttet. Und das kommt für die reicheren EU-Staaten wie Deutschland oder Österreich nicht in Frage. Auch Bundeskanzler Sebastian Kurz pocht darauf, dass das Geld wie ein Kredit vom jeweiligen Land an die EU zurückgezahlt werden muss und spricht von einem Wiederaufbaufonds.
Ob das am Ende des Weges einen Unterschied macht? Wenn Italien die Schuldentilgung nicht leisten kann, haften ja erst recht wieder alle Länder gemeinsam - denn wie wir in Griechenland gesehen haben, ist es sehr kompliziert bis unmöglich - und vor allem mit hohen Schäden für den Euro verbunden - ein Land in Konkurs zu schicken.
Ramadan und Kirche
Aus zweifacher Sicht geht es heute auch um die Religion. Zum einen wird Kardinal Christoph Schönborn mit Kultusministerin Susanne Raab bekanntgeben, wie ab Mitte Mai wieder die Kirchen geöffnet werden. Haben Sie auch in der Schule die Regel für die Heilige Kommunion gelernt: Einmal am Tag darf man, einmal in der Woche soll man, einmal im Jahr muss man. Das mit dem Sollen geht sich für den April schon nicht mehr aus. Aber ich denke, angesichts der Krise, ist uns das vergeben.
Wenn heute, Donnerstagabend, die Mondsichel zum ersten Mal sichtbar ist, beginnt für die Muslime der heilige Fastenmonat Ramadan: Weder Essen, Trinken, Rauchen noch Sex ist gestattet, solange die Sonne scheint (ganz so anders haben sich auch für Christen die letzten sechs Wochen nicht angefühlt). Für Muslime in Norwegen bedeutet das 20 Stunden Fastenzeit pro Tag, in Australien sind es elfeinhalb. Bei uns am Freitag von 5.48 Uhr in der Früh bis 19.59 Uhr am Abend. Doch neben der Natur schafft heuer auch das Coronavirus Regeln im Fastenmonat. Gemeinschaftliche Gebete sind untersagt. Die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich setzt die Regierungsmaßnahmen gegen die Corona-Pandemie weiterhin um und lässt die Moscheen bis auf weiteres geschlossen.
Ischgl wie Ibiza wie Knittelfeld
Und im Tiroler Skidorf Ischgl sind seit Mitternacht die Quarantäne-Maßnahmen aufgehoben. Erstmals darf man also wieder aus Ischgl raus bzw. nach Ischgl hinein. Wirklich gut zu sprechen waren die Bewohner des Ortes auf die Außenwelt nicht. Denn die schweren Vorwürfen, dass die Lage zu lange bekannt war und trotzdem weiter abgefeiert wurde, sitzen tief. Zuletzt wurde mit Journalisten gar nicht mehr gesprochen.
Nichtsdestotrotz macht sich KURIER-Tirol-Chef Christian Willim schon heute früh auf nach Ischgl, um Eindrücke und Stimmen einzufangen. Dass aber umgekehrt auch die Außenwelt auf Ischgl nicht gut zu sprechen war, ist auch evident. Für Aufregung sorgte Vizekanzler Werner Kogler, der angesichts der bevorstehenden Lockerungen und Öffnungen im Land davor warnte, "dass lauter kleine Ischgls" entstehen könnten. Dieser Vergleich erzürnte vom Tiroler Landeshauptmann Platter abwärts viele Tiroler. Dennoch: Ischgl wird so wie schon andere Orte zuvor - verschuldet oder unverschuldet - Synonym für ein signifikantes Ereignis stehen: Knittelfeld für die FPÖ-Spaltung, Ibiza für den Versuch, das Land zu unterwandern und zu verkaufen - und Ischgl für Corona.
Doch ein ganzes (wunderschönes) Bundesland, eine ganze Tourismusbranche und viele wirklich tolle Menschen in Tirol deswegen pauschal zu verunglimpfen, ist ebenfalls nicht angebracht. Doch von der Schwarz-Weiß-Malerei in der Corona-Krise war hier erst vor kurzem die Rede.
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