Wer haftet für 1.500 Milliarden?
Warum sollte ich dafür geradestehen, werden Sie sich fragen, wenn Ihr Nachbar in Saus und Braus lebt und jetzt schwer verschuldet dasteht. Richtig, sein Problem! Ganz anders aber sieht es aus, wenn es darum geht, das löchrige Dach der Hausgemeinschaft zu reparieren. Sie werden ebenso dafür zur Kasse gebeten wie Ihr verschuldeter Nachbar: Zu hoffen ist nur, dass er seinen Anteil zusammenkratzen kann, damit das Dach repariert wird und es auch Ihnen, dem stets sparsam und wirtschaftlich vernünftig Handelnden nicht ins Zimmer regnet.
Wenn es jetzt darum geht, die EU und ihre 27 Mitgliedsstaaten als Folge der Corona-Pandemie auf die größte Rezession ihrer Geschichte vorzubereiten, kann es nur eine Antwort geben: Diese drohende, gewaltige Erschütterung ist nur mit gemeinsamen Kraftakten zu bewältigen.
Allein im europäischen Tourismus drohen heuer Verluste bis zu 400 Milliarden Euro. Wie etwa sollte Spanien, das ein Fünftel seiner Wirtschaftsleistung aus dem Tourismus bezieht, diesen Absturz ohne die gemeinsame Hilfe bewältigen? Oder anders gesagt: Keller, Fundament, Stützmauern und das Dach des europäischen Hauses könnten kollabieren, wenn sich nicht alle Beteiligten zusammenraufen. Darüber sind sich die 27 EU-Staats- und Regierungschefs im Grunde einig: Abgesehen von nationalen Maßnahmen und weiteren, schon genehmigten 540 Milliarden Euro muss für die Zeit nach Corona ein gigantischer Wiederaufbau-Fonds (manche sagen „eine Art Marshall-Plan“) her. Zahlen von bis zu 1.500 Milliarden Euro geistern herum.
Aber über Finanzierung und Verwendung dieser Gelder wird es noch viel Streit geben, das Misstrauen zwischen Nord- und Südeuropa wird wieder hochkommen, sobald sich die europäischen Granden am Nachmittag erneut zu ihrem virtuellen Gipfeltreffen per Video zusammensetzen.
Eine Frage wird alles dominieren: Wer haftet für die Schulden? Wäre die EU ein Staat, wäre es ganz einfach: Alle gemeinsam. Doch die Corona-Krise zeigt bedauerlicherweise einmal mehr, dass die Union in Krisenzeiten zuerst einmal in nationale Reflexe zurückfällt. Lieber auf die eigenen als auf die gemeinsamen Stärken vertrauen – das war auch Österreichs erste Reaktion. Und bei den gemeinsamen Geldtöpfen hört sich die Freundschaft so und so auf.
Aber wenn die EU ihr gemeinsames Haus erhalten will, wird sich kein Mitgliedstaat leisten können, nicht auch zumindest einen kleinen Teil der Haftung gemeinsam zu schultern. Das wäre noch lang keine, von den reicheren Ländern mit Grausen befürchtete „Transferunion“. Aber ohne finanzielle Solidarität gegenüber jenen Staaten, wo Corona besonders schlimm wütete, ist die EU ihren Namen Union nicht mehr wert.
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