Am Dienstag folgte die SPÖ. Da tauchte ein Strategiepapier von Meinungsforscher Günther Ogris (Institut SORA) auf, das einen Leitfaden für den kommenden Wahlkampf beinhaltet.
Darin war sogar schon eine Art rote Schattenregierung zu finden – mit Gerhard Zeiler als Finanzminister, Erich Fenninger von der Volkshilfe als Sozialminister oder Eva-Maria Holzleitner als Frauenministerin. Die Betroffenen hatten nichts davon gewusst.
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Am Mittwoch war dann Kanzler Karl Nehammer an der Reihe. Sein Auftritt bei ÖVP-Funktionären im Salzburger Hallein Ende Juli tauchte plötzlich in den sozialen Netzwerken auf. Zuerst gezielt zusammengeschnitten, dann auch in der Vollversion.
Seine Wut-Rede über Vorwürfe im Zusammenhang mit Kinderarmut, mit Teilzeitarbeit oder mit der Sozialpartnerschaft macht seither die Runde. Darunter sein Sager, dass ein Hamburger bei McDonald’s die billigste warme Mahlzeit sei.
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Seither kommen die Kommunikationsmitarbeiter dieser drei Parteien nicht mehr zur Ruhe. Fast täglich gibt es Auftritte der Parteichefs oder deren Generalsekretäre, wobei mit gegenseitigen Vorwürfen nicht gespart wird.
Michael Schnedlitz von der FPÖ forderte den Rücktritt von Kanzler Nehammer, SPÖ-Chef Andreas Babler deutete in Richtung des Regierungschefs an, dass er mit jemandem, der die Menschen nicht mag, keine Koalition eingehen könne. ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker warf der SPÖ vor, das SORA-Papier zu Wahlkampfstrategie bereits umsetzen zu wollen.
Der Umgang mit der Affäre
Für den Meinungsforscher Wolfgang Bachmayer (OGM) war es im Hinblick auf den Wahlkampf eine entscheidende Woche. Diese drei Affären würden da sicher immer wieder auftauchen. Am wenigsten vielleicht noch das SORA-Papier für die SPÖ. Wolfgang Bachmayer: „Das schadet Babler eher nicht, weil die Bundes-SPÖ eher wenig damit zu schaffen hat.“
Entscheidend ist für die Politbeobachter, wie die drei Parteien mit ihren Affären umgegangen sind oder noch umgehen. Da sollten sie sich weder vom internen Zuspruch noch von der Debatte in den sozialen Netzwerken täuschen lassen, sagt Wolfgang Bachmayer: „Man sollte sich nicht darauf verlassen, welche direkte Reaktionen man erhält.“
Und: „Ich nehme meistens das Gegenteil von jener Meinung an, die auf Twitter (jetzt X) die Mehrheit hat.“ Welche Auswirkungen die Affären tatsächlich haben, werde man erst in den Umfragen sehen.
Die ÖVP jedenfalls ist nach dem Auftauchen des Kanzler-Videos in die Offensive gegangen. Keine Entschuldigung für so manchen Ausdruck von Nehammer zur Kinderarmut oder zur Teilzeitarbeit, wie das in so manchem Posting gefordert worden ist. Im Gegenteil. Am Donnerstag wurde ein zusätzliches Video mit Karl Nehammer aufgenommen, in dem er noch einmal auf die Video-Themen draufdrückt. Und sich gegen jegliches Schlechtreden von Österreich wehrt.
"Medieneffekt ist kein guter"
Eine Taktik, die Meinungsforscher Bachmayer nicht so schlecht findet. Es gebe genug, die sich von Nehammers Äußerungen angesprochen fühlen. Es bestünde auch die Chance, ehemalige Kurz-Wähler, die vielleicht noch abwartend sind, zurückzugewinnen.
Allerdings: „Der Medieneffekt ist sicherlich kein guter, weil der Auftritt mangelhafte Empathie gezeigt hat“, sagt Wolfgang Bachmayer. Er ist sich auch sicher, dass die ÖVP dieses Video im Wahlkampf nicht mehr loswird. Dafür würden die anderen Parteien sorgen. Bachmayer: „Es ist für die ÖVP eine maßgebliche Geschichte, die jetzt passiert ist.“
Beim geleakten SORA-Strategiepapier wird es nicht so schlimm sein. Das habe vor allem für das Meinungsforschungsinstitut selbst und den ORF Folgen gehabt. Dieser hat ja sofort die langjährige Zusammenarbeit mit den Hochrechnern aufgekündigt. Auf der anderen Seite ist eines klar: Die übrigen Parteien werden ganz genau auf den Wahlkampf der SPÖ schauen und vergleichen, ob Vorschläge aus dem SORA-Papier auftauchen.
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Bei der FPÖ hat sich Obmann Herbert Kickl schon von den Taliban-Gästen Mölzer und Hübner losgesagt. Mögliche Konsequenzen wie Parteiausschlüsse könnten folgen. Gleichzeitig hat der blaue Abgeordnete Axel Kassegger seine Funktion als außenpolitischer Sprecher zurückgelegt, nachdem bekannt geworden war, dass er fast auch nach Kabul mitgefahren wäre. Bachmayer: „Bei der FPÖ muss Herbert Kickl reinen Tisch machen, sonst kriegt er das Thema nicht weg.“
Mölzer als Journalist unterwegs
In einem Interview mit der Kronenzeitung erklärte Andreas Mölzer nach seiner Rückkehr, dass er als Journalist in Afghanistan gewesen sei und darüber in seiner Zeitung Zur Zeit publizieren werden. Außerdem habe man den rechtsextremen Autor Herbert Fritz, der in Afghanistan inhaftiert ist, freibekommen wollen. Was nicht gelang.
Dass der vorgezogene Wahlkampfstart diese Woche keine Gefahr für die türkis-grüne Regierung bedeutet hat, dafür haben Vizekanzler Werner Kogler und sein Team – auch Klubobfrau Sigrid Maurer – gesorgt. Sie reagierten auf das Nehammer-Video eher gelassen (mehr dazu). Daran konnte auch die heftige Kritik der Tiroler Abgeordneten Barbara Neßler nichts ändern, die Nehammer Äußerungen „voller Verachtung und Realitätsferne“ vorwarf.
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