"Burger-Gate": Nehammer geht mit neuem Video in die Offensive

"Burger-Gate": Nehammer geht mit neuem Video in die Offensive
Nach Kritik reagiert Nehammer auf die Empörung: "Ich stehe dazu, dass sich Leistung lohnen muss."

Kanzler Karl Nehammer hat auf das "Burger-Gate" mit einem eigenen Video reagiert. In einem auf sozialen Netzwerken hochgeladenen Video spricht der ÖVP-Chef über das "Burger-Gate" rund um seinen Auftritt bei der ÖVP Hallein. "Ich habe bei einer Diskussionsveranstaltung mit Funktionären einige Themen angesprochen, die mir wichtig sind", so Nehammer. "Ich stehe dazu, dass sich Leistung lohnen muss."

Österreich sei eines der reichsten Länder der Welt mit den höchsten Sozialleistungen - die Armutsgefährdung in Österreich sei genauso gering wie 2017, sagt Nehammer. "Und damals gab es keinen Krieg, keine Energiekrise und keine Teuerung. Das heißt: Jedes Kind muss in Österreich eine warme Mahlzeit bekommen."

Verantwortung bei den Eltern

Dafür würden Vater und Mutter die Verantwortung tragen. "Dazu gehört auch dafür zu sorgen, dass ein Kind die Zähne geputzt bekommt, rechtzeitig ins Bett geht oder eben eine warme Mahlzeit bekommt." Nachsatz: "Wenn es Familien gibt, die mit dieser Situation überfordert sind, dann greift das soziale Netz, das durch arbeitende Menschen in diesem Land finanziert wird. Diese Hilfe gibt es in den Sozialämtern und den Gemeinden."

"Während andere Videos zusammenschneiden..."

Die Kritik an seinem Auftritt gab Nehammer an den politischen Mitbewerb zurück: "Während andere Videos zusammenschneiden und verkürzen, lasse ich mir als Kanzler unser Österreich nicht schlechtreden." Man habe "die zweitmeisten Anti-Teuerungsmaßnahmen in Europa beschlossen, und die Kalte Progression abgeschafft. "Zusätzlich zur Familienbeihilfe und anderen Sozialleistungen, die jetzt mit fast 10 Prozent erhöht werden, werden für sozial benachteiligte Familien 60 Euro pro Monat ausbezahlt."

Heftige Kritik am Kanzler vom Koalitionspartner

Am Mittwochabend hatte sich in den sozialen Medien ein Video verbreitet, das Nehammer bei einem Gespräch mit Parteifreunden zeigt. Aufgenommen wurde es offenbar Ende Juli am Rande einer ÖVP-Veranstaltung in einem Lokal in Hallein

➤ Nehammer-Video geht viral: "McDonalds-Burger ist billigste warme Mahlzeit"

Einige Aussagen des Kanzlers sorgten dabei im Netz für Empörung - unter anderem auch beim Präsident von Caritas Österreich, Michael Landau. Er äußerte sich auf Twitter und kritisierte Nehammer: "Aber wer sagt, dass in Österreich niemand hungert oder friert, hat von der Wirklichkeit der Menschen keine Ahnung".

Nun äußerte sich auch Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) zu dem Video "Menschen in Not auszurichten, sie seien selbst Schuld oder sollen ihren Kindern Fast Food servieren, ist zynisch."

Vizekanzler Werner Kogler von den Grünen will das Video laut ORF noch nicht gesehen haben, versteht die jetzt losgetretene Debatte aber als Handlungsauftrag etwa, was den beschleunigten Ausbau der Kinderbetreuung angeht: Er sagte im Ö1-Mittagsjournal: "Mir ist wichtig - und wenn das jetzt Aufmerksamkeit erzeugt, möglicherweise berechtigt - dann ist doch ein guter Zeitpunkt für die Regierung und auch für den ÖVP-Teil, das was angekündigt wurde - das ist ja alles noch nicht in trockenen Tüchern - beschleunigt anzugehen."

Die Grünen-Klubobfrau Sigrid Maurer twitterte, dass sie die Empörung verstehen könne. "Wie muss es einer teilzeitarbeitenden Mutter oder einer Alleinerzieherin gehen, die jeden Euro umdrehen muss, wenn sie solche Worte hört?"

Parteifreund Zangerl findet die Ansage "erschütternd"

Der Tiroler Arbeiterkammer-Präsident Erwin Zangerl hat sich im Ö1-Mittagsjournal zum Nehammer-Video geäußert. Er ist ÖVP-Gewerkschafter und kann den Aussagen seines Parteikollegen wenig abgewinnen: „Ich muss sagen, da würde es jedem sozialen Schwarzen schon am Morgen den Magen umdrehen. Es ist schon erschütternd – in alter österreichischer Tradition in abgewandelter Form natürlich - wenn sie kein Brot haben, sollen sie zu McDonalds gehen.“

Zur Aussage Nehammers Menschen in Teilzeit sollten einfach mehr arbeiten und damit mehr Geld verdienen, sagt Zangerl: „Leute, die gerne mehr arbeiten möchten, haben ja nicht einmal die Möglichkeit. Das ist einfach eine Betrachtungsweise, die dermaßen oberflächlich ist, dass ich sie einfach nicht nachvollziehen kann.“

Gewerkschaft reagiert

Auch mit der Gewerkschaft ging der Bundeskanzler in dem Video hart ins Gericht. Ein Zuhörer rief dem Kanzler zu, dass er kein Problem damit habe, wenn Menschen nur in Teilzeit arbeiten würden, ihn störe es allerdings, dass es dann Subventionen gäbe. Nehammers Antwort: „Was ist in Österreich real? Real ist, über all das hab ich mich mit dir gar nicht unterhalten. Warum? Weil dann kommt nämlich die Gewerkschaft her und die Wirtschaftskammer her und sagt: “He, putz di, Sozialpartnerschaft, Sozialpartnerschaft!„

Die Gewerkschaft, die Nehammer im Video auch als größten Bremser bei der “Rot-weiß-rot„-Card bezeichnet, zeigt sich über die Rede des Kanzlers empört. “Die Sozialpartnerschaft hat einen entscheidenden Beitrag zur Bewältigung von Krisen geleistet, insbesondere durch Maßnahmen wie die Kurzarbeit. Die Behauptung des Kanzlers, dass die Sozialpartnerschaft ein Hindernis sei, ist für uns nicht nachvollziehbar. Sie ist ein Erfolgsmodell für unser Land und hat maßgeblich zu unserem Wohlstand beigetragen. Für uns sind die Aussagen des Kanzlers daher absolut unverständlich„, sagte Vizepräsidentin Korinna Schumann. Die Wirtschaftskammer wollte kein Statement abgeben. 

Auch Herbert Kickl (FPÖ) machte am Donnerstag in einer Aussendung seinen Standpunkt in der Causa klar: Er nannte die Rede "weinseliges Impulsreferat" und weiter: "Nehammer ist empathielos, menschenverachtend und abgehoben!"

Der SPÖ-NÖ Chef Sven Hergovich ergänzte: Ich habe in meiner Zeit beim AMS NÖ viele Menschen in Lebenslagen gesehen, denen es wirklich dreckig ging, ich kann es nicht anders beschreiben. Das Nehammer Video ist ein Schlag ins Gesicht für alle jene, die nicht mit dem goldenen Löffel geboren wurden.

Die Grüne Gewerkschafterin Karin Stanger bezeichnete die Aussagen, die der Kanzler in dem Video tätigte als "weltfremd" und "beschämend". 

ÖVP steht hinter Nehammer

Die ÖVP bestätigte inzwischen die Echtheit der Aufnahmen, sie seien aber zusammengeschnitten worden. In einem an Puls24 übermittelten Statement heißt es zudem: "Wir sind so wie der Bundeskanzler überzeugt, dass jedes Kind in Österreich eine warme Mahlzeit bekommen kann, wenn die Eltern ihre Verantwortung wahrnehmen, zumal wir die Familien wie nie zuvor unterstützen".

Babler wendet sich an "liebe Kinder"

Am Nachmittag nahm dann noch SPÖ-Chef Andreas Babler in einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz Stellung. In Manier des Bundespräsidenten wandte er sich an die "Österreicherinnen und Österreicher und alle, die hier leben" und adressierte eigens alle Bevölkerungsgruppen, auch die "lieben Kinder", um deren warme Mahlzeit es ja in dem Nehammer-Video gegangen war.

Wie zu erwarten, attackierte der SP-Chef Nehammer scharf: als einen "Bundeskanzler, der die Leute für etwas verachtet, das er selbst zu verantworten hat". Nehammer binde den Leuten die Schuhe zusammen, und sage ihnen dann, "stehts auf und rennts schneller".

 

"Keine gescheite Betreuung"

Das Problem der im Video angesprochenen Teilzeit sei, dass es "keine gescheite Kinderbetreuung" in Österreich gebe. Babler erinnerte an seine Mutter, die ihn als Kind zur Arbeit mitnehmen und in einem Zimmer habe verstecken müssen.

Nehammer "vergiftet und spaltet das Land", in dem viele Menschen schwer arbeiteten und sich trotzdem nichts leisten könnten.

Unter Anspielung auf die noble Location, in der Nehammer vor Funktionären sprach ("bei edlem Wein und Käsehäppchen") kritisierte der SP-Chef, dass Nehammer den Menschen ausrichte, "Kinder sollen sich kein gesundes Essen leisten können" - "a gesundes, a warmes Essen", wie Babler es ausdrückte.

In der "noblen Weinbar" philosophiere Nehammer, was er "den Menschen als nächstes wegnehmen" wolle. Die ÖVP sei früher ja christlichsozial gewesen, jetzt müsse sie sich vom Caritas-Präsidenten (Michael Landau; Anm.) ausrichten lassen, von der Lebensrealität der Menschen "keine Ahnung" zu haben.

Und, mit Blick auf die Zukunft: "Jetzt sehen wir in diesem furchtbaren Video, was uns bei der nächsten schwarzblauen Regierung drohen könnte", warnte Babler. Um mit "Es braucht wieder Politik für die Menschen" zu schließen.

Kommentare