Ticker-Nachlese: Aufsichtsrätin sieht keinen Konnex zwischen Spende und Posten, Kurz fürchtete sich vor WKStA
Im Prozess gegen Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und dessen ehemaligen Kabinettschef Bernhard Bonelli wegen Falschaussage im Ibiza-U-Ausschuss ist am Mittwoch Iris Ortner als Zeugin befragt worden.
Die ÖBAG-Aufsichtsrätin ist die Tochter des Industriellen Klaus Ortner, eines Großspenders der ÖVP. Einen Zusammenhang zwischen den Spenden und ihrer Bestellung sah sie nicht. "Niemand hat mir gesagt, der Herr Schmid muss Vorstand werden", betonte Ortner.
Russen per Videochat
Weiterhin unklar ist, wann die beiden von der Verteidigung ins Spiel gebrachten russischen Geschäftsmänner, die Schmid im vergangenen August zu einem "Bewerbungsgespräch" in Amsterdam getroffen haben soll, befragt werden.
Richter Michael Radasztics hat bereits Kontakt mit ihnen aufgenommen, den beiden sei es jedoch nicht möglich nach Wien zu kommen und ein österreichisches Gericht könne sie auch nicht dazu zwingen.
Der Richter sprach sich deshalb für den Vorschlag eines der beiden Russen aus, die Befragung via Zoom bzw. einem anderen Videochat-System in einem österreichischen Konsulat durchzuführen. Die Verteidiger sprachen sich dafür aus, die WKStA gab vorerst keine Erklärung ab.
Der KURIER tickerte live aus dem Gerichtssaal. Hier der Ticker zum Nachlesen:
Kurz-Prozess
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Das war's
Die Verhandlung ist geschlossen.
Die Verteidiger Suppan und Dietrich gehen noch zu den Anklägern nach vorne, schütteln Adamovic und Koch kollegial die Hände.
Kurz und Bonelli haben den Saal schon verlassen.
Auch wir verabschieden uns und bedanken uns fürs Mitlesen - und Mitfiebern!
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Beide Verteidiger melden Berufung an
Wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe.
Die WKStA gibt vorerst keine Erklärung ab.
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Strafbemessung
Der Richter sieht eine Kombination von Geld- und Freiheitsstrafe für nicht indiziert.
Es sei kein Polit-Prozess gewesen. Die Strafe sei zu bemessen gewesen wie bei einem Nicht-Politiker. Voraussetzungen für eine bedingte Strafe gegeben gewesen. Unbescholtenheit war bei beiden mildernd. Bei Kurz käme erschwerend hinzu, dass er zum Zeitpunkt der Aussagen Kanzler gewesen sei. Das System von Checks und Balances sei wichtig für die Demokratie, der U-Aussschuss sei ein wichtiges Instrument, Daher wiege die Falschaussage eines Kanzlers schwerer.
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Wieder die Frage: Aussagenotstand?
Anders als bei Kurz sieht der Richter bei Bonelli ein viel vorsichtigeres Vorgehen bei den Aussagen von Bonelli.
Ein Nichtjurist könne schwer beurteilen, ob die Aussagen strafrechtlich relevant sind. Das Gesetz sehe den Aussagenotstand vor, um die schwierige Situation im U-Ausschuss abzufedern. In diesem Fall sei daher Bonellis Falschaussage exkulpiert.
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Zur Bestellung der ÖBAG-Aufsichtsräte. Bonelli habe den Eindruck erweckt, überhaupt nicht involviert gewesen sein. Das lasse sich mit den Beweismitteln nicht in Einklang zu bringen. Bonelli habe selbst Kern dem Finanzminister als Aufsichtsrat vorgeschlagen. Das hab nichts zu tun mit einem nachträglich Informiertwerden zu tun.
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Jetzt kommt der Richter zum Bonelli-Urteil
Zunächst geht es um die Freisprüche: Im Zusammenhang mit der Schmid-Schiefer-Vereinbarung seien so unklare Aussagen gefallen, dass man sie nicht als Falschaussage betrachten könne. Bei der Bestellung der Kabinettsmitglieder ortet der Richter wiederum eine unklare Fragestellung im U-Ausschuss. Es sei nicht seine Aufgabe aus Auskunftsperson, hier nachzufragen. Vielmehr müsste der Fragesteller präzisieren.
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Keine Furcht
Kurz sei bei seinem ersten Auftritt im U-Ausschuss selbst oft patzig, relativ aggressiv und "Counter Strike"-mäßig unterwegs gewesen, sagt der Richter.
Bei manchen Fragen habe er sich eher defensiv verhalten, sich häufig mit seiner Vertrauensperson beraten.
"Eine Furcht kann ich in der Gesamtbetrachtung nicht erkennen", sagt der Richter in Bezug auf den Versuch der Verteidigung, einen Freispruch durch Aussagenotstand zu erwirken.
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Richter bestätigt WKStA-Theorie zu Motiv
Ein Aussagenotstand sieht der Richter nicht. Wer eine strafrechtliche Verfolgung abwenden will, müsse dies bewusst tun. Diese Absicht sei bei der ersten Aussage nicht vorgelegen.
Nun zur Annahme der WKStA, dass es ihm vornehmlich um den Schutz des eigenen Image gegangen sei und er jeden Anschein des Postenschachers vermeiden wollte, nachdem seine Partei ja den "neuen Stil" propagiert hat.
"Ich glaube, dass sie hauptsächlich das auf dem Schirm hatten", bestätigt der Richter.
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Warum muss der zuständige Finanzminister überhaupt Rücksprache halten?, fragt der Richter. In einem Fall habe Löger zurückrudern müssen, weil das Kanzleramt mit einem Kandidaten nicht einverstanden war.
"Sie haben ihre Rolle verschwiegen und bewusst heruntergespielt", sagt der Richter. Er habe das Thema auch bewusst nicht mehr angesprochen, bewusst die eigene Involvierung nicht weiter thematisiert - damit sei auch die subjektive Tatseite erfüllt.
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Sichtlich zufrieden wirken die beiden Oberstaatsanwälte während der Erläuterungen des Richters. Immer wieder tuscheln sie miteinander. Während Kurz' Anwalt Dietrich unentwegt Notizen macht, hört Bonelli-Verteidiger Suppan ruhig zu.
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Der Richter redet sehr schnell, kurz einmal wird er laut.
Nämlich bei folgender Stelle: Wenn er, Kurz, ein SMS bekommt, wo jemand meint, "Pierer für Aufsichtsrat wäre cool" - warum schreibt er dann nicht zurück: "Mach dir das mit dem Hartwig (Löger, Finanzminister) aus!"
Kurz errötet.
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"Ich nicht, ich nicht!"
Insgesamt habe Kurz im U-Ausschuss den Eindruck erweckt, dass er nicht eingebunden gewesen sei - "alles andere klammern sie aus", sagt der Richter. Die Abgeordneten hätten ihn mit Fragen bombardiert, und er habe immer nur gesagt: "Ich nicht, ich nicht" und von Brainstorming und zuständigen Ministern gesprochen.
In der Gesamtaussage sei das übrig geblieben, und das sei etwas, das im Beweisverfahren keine Deckung gefunden habe, erklärt der Richter.
Der Kern des Vorwurfs war die Einbindung und seine Darstellung der Einbindung im U-Ausschuss, betont er.
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"Kriegst eh alles..."
Schmid gab an, er hatte das "Backing" von Kurz, habe die Umwandlung zur ÖBAG begleitet und entwickelt.
Kurz sagte im U-Ausschuss, er habe Schmid für qualifiziert gehalten. Es gebe einen scheinbaren Widerspruch, sagt der Richter. "Sie haben zweifellos gewusst, dass Schmid Interesse hatte, sie haben das wohlwollend betrachtet, und Schmid hat diese wohlwollende Betrachtung als Förderung und Unterstützung gesehen."
Es gab dazu eine Kommunikation von März 2019, als Kurz an Schmid schrieb: "Kriegst eh alles was du willst" und Schmid antwortete: "Ich liebe meinen Kanzler".
Die Interpretation von Kurz, dass er meinte, Schmid solle einmal den Hals vollkriegen, kauft der Richter ihm nicht ab. "Weil dann schickt man nicht noch drei Kuss-Emojis hinterher."
In der Gesamtbetrachtung könne er hier aber nicht feststellen, ob die Aussage objektiv falsch gewesen ist, deshalb Freispruch.
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Politsprech
Schmid habe Kurz da gar nicht so eindeutig belastet, meint der Richter.
Er habe gesagt, dass Kurz ihn in einer solchen Position "sehen" würde, das war Politsprech, sagte Schmid. So sieht es der Richter auch. Es sei uneindeutig, absichtlich vage - aber kein konkretes Versprechen.
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"Na" oder "Nein" für Richter irrelevant
Nun zum Faktum Bestellung Schmids als Vorstand.
Da habe es zahlreiche Fragen und Antworten gegeben, das alles vorzulesen, würde den zeitlichen Rahmen sprengen.
Kurz gab im U-Ausschuss im Wesentlichen an, er sei informiert gewesen. Das "Na" anstatt eines "Nein" hält er übrigens für irrelevant. Um diese angeblich falsche Protokollierung ist zu Beginn der Ermittlungen eine riesige Debatte losgebrochen. "Das sind semantische Spielereien", sagt der Richter jetzt.
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Zu den Freisprüchen
Richter Radasztics erklärt jetzt die Freisprüche:
Kurz wurde im U-Ausschuss ein eMail vorgehalten, in dem es um die Schmid-Schiefer-Vereinbarung ging. Er sagte darauf, das könne alles sein, in einer Regierung würden täglich Vereinbarungen getroffen, er habe keine Ahnung, "was die vereinbart haben".
Der Wahrheitsgehalt sei anhand der Frage zu beurteilen, erklärt der Richter. Die echte Vereinbarung lag zu dem Zeitpunkt nicht vor, sie sei ihm auch nicht vorgehalten worden. Man könne aus dem eMail nicht schließen, dass es sich auf die konkrete Vereinbarung beziehe. Die Zeugen sagten ja auch aus, dass es verschiedene Vereinbarungen gab.
Objektiv sei der Tatbestand daher nicht erfüllt, sagt der Richter, deshalb der Freispruch.
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Der Richter zu den Russen
Durch die russischen Zeugen sei es nicht gelungen, die Glaubwürdigkeit Schmids zu erschüttern. Zweifelhaft sei vor allem das fast gleichlautende Affidavit gewesen.
Es sei weltfremd, dass sich Schmid, der Kronzeuge werden wollte, sich gegenüber zwei ihm unbekannten Russen "um Kopf und Kragen" reden würde.
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Schmid für Richter ein glaubwürdiger Zeuge
"Es geht nicht darum, dass es einen Zeugen pro und sieben kontra gibt, und dann zählt man zusammen wie bei einem Fußballmatch. Das geht so nicht. Man müsse weitere Faktoren bedenken, etwa die Nähe der Zeugen zum Angeklagten, erinnern sich Zeugen oder haben sie Lücken? Gibt es Widersprüche zu objektivierbaren Fakten?"
Jede einzelne Aussage sei gesondert zu bewerten. Jene von Schmid sei glaubwürdig in ihrer Gesamtheit gewesen, weil sie differenziert war. Er habe durchaus manche Dinge relativiert, seine Bestrebungen nicht beschönigt oder kleingeredet.
Schmids Aussagen hätten sich mit der festgestellten Kommunikation gedeckt, sondern auch mit jener anderer Beteiligter.
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Wie reagiert Kurz?
Der Ex-Kanzler hört den Ausführungen des Richters zu, tippt aber immer wieder auf seinem Handy herum, das vor ihm auf dem Tisch liegt. Bonelli sitzt mit verschränkten Armen da.
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Wenn bei Aussagen der Anschein der Vollständigkeit erweckt wird, sei das Verschweigen von Fakten eine Falschaussage.
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Richter Michael Radasztics begründet das Urteil
Eine Falschaussage liege vor, wenn sie mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmt. Das gelte vor Gericht wie vor einem U-Ausschuss.
Natürlich seien beide Situationen nicht vergleichbar, die Aussage in einem U-Ausschuss sei ungleich schwieriger. Fragen würden teilweise suggestiv gestellt, wären uneindeutig, würden oft aggressiv gestellt, es gebe Störungen und Zwischenrufe. Dennoch sei die Falschaussage gleichgestellt mit jener vor Gericht.
Das Argument, dass eine unvollständige Aussage keine Falschaussage sei, hält der Richter nicht für richtig. Das Gesetz lasse es nicht zu eine Gesamtaussage in Teilbereiche zu zerlegen.
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Die Strafe: Acht Monate für Kurz, sechs für Bonelli - beides bedingt.
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Wegen der weiteren Vorwürfe, ob er Wahrnehmungen zu Vereinbarungen oder Kabinettsbildungen habe, wird Bonelli freigesprochen.
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Auch für Bonelli gibt es bezüglich des Anklagepunktes der Aufsichtsräte einen Schuldspruch.
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Was die Aufsichtsräte-Bestellung betrifft wird er schuldig gesprochen: Er habe im U-Ausschuss tatsachenwidrig ausgeführt, dass er zwar wisse, es habe Gespräche und Überlegungen gegeben, obwohl er wusste, dass er sich an vielen Gesprächen einbrachte und beteiligte.
Weiters wird er wegen der Vorstandsbestellung Schmids und der Schmid-Schiefer-Vereinbarung freigesprochen.
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Schuldspruch für Kurz!
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Los geht's
Der Richter nimmt noch einen Schluck Wasser, die Oberstaatsanwälte der WKStA betreten wieder den Saal.
"Urteilsverkündung in der Strafsache Kurz und Bonelli. Großer Schwurgerichtssaal, bitte eintreten", sagt Radasztics.
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Reges Gewusel im Großen Schwurgerichtssaal - alle warten gespannt, bis Richter Radasztics wieder Platz nimmt und sein Urteil verkündet.
Auch auf der Zuschauer-Galerie wird es eng.
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Urteile um 19 Uhr
Bonelli ist fertig, der Richter unterbricht die Verhandlung für 30 Minuten - danach sollen die Urteile folgen.
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Jetzt spricht Bonelli
Bonelli wählt einen sehr persönlichen Ansatz für sein Statement. Er, der bekanntlich tiefgläubig ist, schildert, wie es ihm zu Beginn der Ermittlungen gegangen sei. "Ich bin auf Wallfahrt nach Mariazell gegangen. Ich habe die Apostelgeschichte gelesen. Da ging es darum, wie die Apostel immer wieder im Gefängnis waren und wieder herausgekommen sind." Das habe einiges zurechtgerückt.
Bei einer weiteren Wallfahrt in Polen habe er Kraft gefunden, mit der Situation umzugehen.
Später habe er seinen vier kleinen Kindern gesagt, dass er vor Gericht müsse. "Die vierjährige Tochter habe gefragt, ob ich ins Gefängnis müsse." Nein, habe er gesagt, aber es werde eine schwierige Zeit.
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"Mir wird hier nicht vorgeworfen, was ich gesagt habe, sondern eine Interpretation von dem, was ich im U-Ausschuss von mir gegeben habe", sagt Kurz. Seiner Interpretation entspreche das nicht.
Das war's von Kurz, er bedankt sich und setzt sich wieder hin.
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Der Oberstaatsanwalt sagte auch, es gebe keine Zweifel.
Kurz verweist auf die Zeugen aus dem Aufsichtsrat, die alle gesagt haben, sie seien in ihrer Entscheidung frei gewesen. Für Guttenberg und Wolf habe er sich stark gemacht, "aber beide sind es nicht geworden", sagt Kurz. Wenn er die Aufsichtsräte ausgesucht hätte, dann wären es wahrscheinlich die geworden, die er wollte.
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"Furchtbar" und "wehrlos"
"Emotional am schwersten" tut er sich, wie die WKStA seine Aussagen interpretiert, sagt Kurz. Sicher könne man vieles unterschiedlich interpretieren, vieles sei zweideutig. "Aber für mich ist es extrem befremdlich, wenn mir ein anderer sagt, wie ich meine Aussage gemeint habe."
Das fühle sich "furchtbar" an, man fühle sich "wehrlos", sagt Kurz.
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Kurz sagt, er sei erstaunt, wie verschieden die Wahrnehmungen sein können. Erst kürzlich habe er mit einem ehemaligen Kollegen gesprochen, der gesagt habe: "Das Kabinett macht etwas aus und wir dürfen den Kopf dafür hinhalten."
Die Staatsanwaltschaft habe etwas über die Atmosphäre im U-Ausschuss ausgeführt. "Ich war dort", sagt Kurz. "Und die Atmosphäre war anders, als die WKStA das darlegt."
Am Tonband höre man die Zwischenrufe nicht, wenn die Mikros ausgeschaltet sind. Man sehe auch nicht die Grimassen, die geschnitten werden.
"Ich kann mich nicht an jedes Detail erinnern im U-Ausschuss oder bei der ÖBAG-Entscheidung. Aber eines kann ich versichern: Ich bin mit dem Vorsatz in den U-Ausschuss gegangen, hier nicht zu landen."
Kurz betont: "Mein Ziel war, dort weder eine Falschaussage zu machen noch in irgendein Verfahren verwickelt zu werden." Er gibt zu, nicht gut vorbereitet gewesen zu sein.
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Kurz Schlussworte
"Ich weiß, es ist schon spät und es ist ein langer Tag", leitet Kurz ein, der versuchen will, sich kurz zu halten.
WKStA-Mann Adamovic sagte ja, er habe selten ein so klaren Fall von Falschaussage erlebt. "Dann weiß ich nicht, wie ich mir die unklaren vorstellen soll", sagt Kurz und verweist auf die lange Ermittlungsdauer von fast drei Jahren.
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Aussagenotstand?
70 Prozent dessen, wozu Bonelli im U-Ausschuss befragt wurde, hätten mit dem Strafrecht zu tun, rechnet Suppan vor. Zu diesem Zeitpunkt habe es schon Ermittlungen zu illegalen Postenbesetzungen gegeben.
Heute sage die WKStA dazu: "Fürchtet euch nicht." Aber Strache etwa sei zwar freigesprochen worden, heute aber bankrott, weist Suppan auf einen weiteren prominenten Ex-Politiker hin.
Bonelli habe aber keine Falschaussage getätigt und sei daher freizusprechen.
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Unvollständigkeiten bei Aussagen im U-Ausschuss seien nicht als Falschaussage zu bewerten, ist Suppan überzeugt.
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Suppan verweist auf eine Aussage Schmids aus dem U-Ausschuss. Dort hatte er betont, den ÖBAG-Aufsichtsrat habe der Finanzminister bestellt. "Trotzdem gibt es bis heute kein Verfahren wegen Falschaussage gegen Schmid", wundert sich der Bonelli-Anwalt.
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"Zusammenbau einer anderen Wirklichkeit"
Der Bonelli-Anwalt wirft den Oberstaatsanwälten als Replik auf ihre Plädoyers vor, "Nichtvorhandenes als Vorhandenes" darzustellen.
Es werde behauptet, alles sei so eindeutig und klar, dennoch habe das Ermittlungsverfahren 26 Monate gedauert. Weil es kein Substrat gebe, ist Suppan überzeugt. Er spricht von einem "versuchten Zusammenbau einer anderen Wirklichkeit" etwa durch Antwortfragmente aus Chats.
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Nun ist Bonellis Anwalt Suppan am Wort
"Ich habe die Rolle des letzten Festredners, bevor es zum Buffet geht", steigt Suppan jovial ein. Er nimmt diese Rolle aber gerne an - und versucht, sich mit seinem Plädoyer für Mandant Bonelli kurz zu halten.
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Dietrich kommt zum Schluss:
Kurz habe nicht falsch ausgesagt, er sei freizusprechen.
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250 "mans"
250 Mal habe Schmid den Begriff "man" verwendet, wenn es um Vorgänge ging, die er möglicherweise selbst zu verantworten hatte.
Etwa bei der Frage, wer sich um eine Manipulation einer Ausschreibung gekümmert hat - da hieß es, "man" habe sich darum gekümmert.
Immer dann, wenn es um andere Leute ging, die er beschuldigt hat, habe Schmid Namen genannt. "Das ist es, was man als vorbeiturnen bezeichnet", sagt Dietrich und verweist auf das Plädoyer von WKStA-Mann Adamovic.
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Vorwurf Nr. 3 betrifft die "Schmid-Schiefer-Vereinbarung".
Auch Schiefer nannte keinerlei Bezug zu Kurz. Er habe sich immer direkt mit Schmid oder Löger beraten, sagte dieser als Zeuge.
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Aus der Brille des Bundeskanzlers
Zum nächsten Vorwurf:
2. Bestellung der Aufsichtsräte der ÖBAG Anfang 2019.
Dietrich weist auf Zeuge Hartwig Löger hin, der im Prozess geschildert hat, dass er als zuständiger Finanzminister die Entscheidungen getroffen habe. Das zeige schon das Beispiel Siegfried Wolf, so Dietrich: Kurz habe sich Wolf als Aufsichtsratschef gewünscht, das sei aber nicht umgesetzt worden.
Schmid sagte etwas von einer "Brille des Bundeskanzlers", aus der mitgedacht worden sei, was Kurz wohl will. Das heiße aber nicht, dass Kurz das auch gesagt hat, betont Dietrich.
Zudem habe Schmid immer wieder vom "Bundeskanzleramt" gesprochen. Auch das heiße nicht, dass Kurz wirklich involviert war. Eher, dass man auch hier die Dinge "aus der Brille des Bundeskanzlers" gesehen habe.
Kurzum: "Wenn Bonelli dem Schmid etwas sagt, heißt das nicht, der Kurz hat das entschieden." Das sei "genau kein Beweis".
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Aus all diesen Beweisen sei nicht abzuleiten, dass von Kurz ausgegangen sei, dass Schmid ÖBAG-Chef wird, sagt Dietrich.
"Eine Interpretation kann Tatsachen nicht ersetzen", sagt Dietrich. Die Entscheidung, Schmid zum ÖBAG-Chef zu machen, habe der Aufsichtsrat getroffen. Kurz sei darüber informiert worden.
Dietrich zitiert hier mehrere Aufsichtsräte hier vor Gericht. "Niemand hat mir gesagt, dass Schmid Vorstand werden muss", sagte Ortner. Die Frage, ob es von dritter Seite Zurufe gab, dass Schmid zu nehmen wäre, hat auch Aufsichtsratschef Helmuth Kern mit "Nein" beantwortet.
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"Schmid nie im inner circle"
Nun zu den Vorwürfen im Detail:
1. Hat Kurz es geplant, dass Schmid Vorstand der ÖBAG wird, hat er mit ihm über die Bewerbung gesprochen und war er in die Ernennung eingebunden oder nur informiert?
Dietrich betont, dass Schmid "dachte", dass Kurz ihn unterstützt, dass er davon ausgegangen sei, er habe sein Backing. Kein Zeuge hat bestätigt, dass Schmid zum "inner circle", also zum innersten Kreis gehört. Schmid neige offenbar dazu, zu übertreiben, merkt Dietrich an.
Nicht einmal seiner eigenen Mutter habe Schmid geschrieben, dass er auf Kurz' Wunsch ÖBAG-Chef werden soll. Seiner Mutter habe er nur über seinen "Plan B" geschrieben, zu Benko zu gehen, wenn es mit der ÖBAG nichts wird.
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Ein weiteres klares Indiz für einen Aussagenotstand wäre das Einsetzungsverlangen des U-Ausschusses, sagt Dietrich.
"Wenn man sich das anschaut, und dann die Art und Weise, wie die Befragung durchgeführt wurde, dann sieht man, dass die Fragen der Abgeordneten geradezu geeignet waren, diese Angst zu begründen", sagt Dietrich.
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Aussagenotstand
Dietrich bleibt dabei: Bei seinem Mandanten liege ein Aussagenotstand vor.
Die WKStA habe damals Zeugen vernommen, was Postenbesetzungen betrifft. Sein Mandant habe fürchten müssen, sich einer strafrechtlichen Verfolgung auszusetzen.
Schmid hat sich im U-Ausschuss auch entschlagen, weil er Sorge hatte, sich selbst zu belasten.
Die WKStA hat damals gerade ein Verfahren gegen Aufsichtsrätin Iris Ortner eingestellt. Die WKStA erklärte anhand dessen, dass Kurz nichts zu befürchten hatte.
"So einfach ist diese Rechtsfrage nicht zu erklären gewesen, sonst brauche ich nicht drei Seiten", sagt Dietrich - so lange war die Einstellungsbegründung der WKStA.
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Dietrich will jetzt einmal Rechtliches erläutern, dann geht er auf die Beweise ein.
Auf der Leinwand wird der Paragraf 288, falsche Beweisaussage" gezeigt, dann Aussagen von Zeugen, die meinten, die Befragungssituation im U-Ausschuss sei unangenehm, "einer Republik nicht würdig" gewesen. Arnold Schiefer sprach von einer "Kirmes-Veranstaltung", Gernot Blümel von einem "Scherbengericht".
Jetzt stellt Dietrich gegenüber, was ein Strafverfahren und was einen Untersuchungsausschuss ausmacht. Ein Strafverfahren ist auf der Suche nach der "materiellen Wahrheit", der U-Ausschuss nach "Aufklärung von Vorgängen zu politischen Zwecken". Strafverfahren seien öffentlich, U-Ausschüsse nur medienöffentlich.
Diese Unterschiede müsse man berücksichtigen, wenn man Aussagen bewerten - oder sogar sanktionieren will.
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Keine Falschaussage
"Vieles, was ich sage, wird bekannt sein, weil es dasselbe ist, was ich am Anfang gesagt habe." Das Beweisverfahren habe an seiner Sicht nichts geändert.
"Sebastian Kurz hat im Untersuchungsausschuss nicht falsch ausgesagt." Die WKStA werfe ihm eigentlich eine Interpretation einer Falschaussage vor, sie sei "falsch abgebogen".
Dietrich verweist aufs Zwischenmenschliche. So habe sich "die Wahrnehmung verschoben", ist er überzeugt.
Prozesstage zum Nachlesen:
➤ Kurz-Prozess: So lief der erste Tag
➤ Tag 2: Ziemlich beste Feinde
➤ Tag 3: Bonelli zwischen Angst und Schweigen
➤ Tag 4: "Kein einziges Herzerl oder Bussi"
➤ Tag 5: Schmid 8 Stunden im Zeugenstand, am Freitag geht's weiter
➤ Tag 6: Schmids Angst vor dem "Erbsenzähler"
➤ Tag 7: Löger verspürte "keinen Druck" von Kurz, jetzt kommen die Russen
Hintergründe:
➤ Schmid und die Russen: Wie Ex-Kanzler Kurz seine Zeugen nach Wien holen will
➤ "Message Control" im Schwurgerichtssaal
➤ Wegbegleiter über Thomas Schmid: "Die Macht hat Tom verändert"
Der weitere Fahrplan
Am 25. Jänner wird dann Ex-Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) als Zeuge im Großen Schwurgerichtssaal des Wiener Landesgerichts erwartet.
Am 30. Jänner sollen ÖBAG-Aufsichtsratsvorsitzender Helmut Kern, Bernd Brünner, ehemaliger Generalsekretär im Bundeskanzleramt, und ÖBAG-Aufsichtsrätin Susanne Höllinger in den Zeugenstand treten.
Am 31. Jänner folgt Günther Helm, einstiger Chef des Diskonters Hofer und später im Aufsichtsrat der ÖBAG.
Die Vorwürfe
Kurz und Bonelli wird von der Anklagebehörde vorgeworfen, sie hätten als Auskunftspersonen vor dem U-Ausschuss insbesondere im Zusammenhang mit der Errichtung der ÖBAG und der Besetzung des Vorstandes und Aufsichtsrates dieser Gesellschaft falsch ausgesagt. Die Angeklagten bestreiten das.
Seit dem Prozessauftakt am 18. Oktober haben zur Klärung der Schuldfrage nun acht Verhandlungstage stattgefunden, die sich teilweise bis weit in die Abendstunden hinein erstreckt haben. Am Mittwoch dauerte die Verhandlung hingegen nur knapp zweieinhalb Stunden.
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