Schmid und die Russen: Wie Ex-Kanzler Kurz seine Zeugen nach Wien holen will

Schmid und die Russen: Wie Ex-Kanzler Kurz seine Zeugen nach Wien holen will
Die Geschäftsleute aus St. Petersburg sollen die Glaubwürdigkeit des Hauptbelastungszeugen ins Wanken bringen. Das Straflandesgericht tüftelt gerade an den Ladungen. Kein leichtes Unterfangen.

Nach sieben Verhandlungstagen ging der Falschaussage-Prozess gegen Ex-Kanzler Sebastian Kurz und seinen früheren Kabinettschef Bernhard Bonelli am vergangenen Montag in Weihnachtspause. Am 10. Jänner geht es weiter - wie und mit wem, das ist noch ungewiss. 

Das Wiener Straflandesgericht ist gerade dabei, die Ladung von zwei Zeugen aus Russland vorzubereiten, die Kurz-Verteidiger Otto Dietrich vergangene Woche aus dem Ärmel gezaubert hat:

Walerij Afinogenow und Aleko A., zwei Geschäftsleute aus St. Petersburg, haben angeblich etwas zu sagen, das die Glaubwürdigkeit des Hauptbelastungszeugen Thomas Schmid ins Wanken bringen könnte. 

Richter Michael Radasztics hat bei der Verhandlung bereits angemerkt, dass es angesichts der aktuellen Lage (Stichwort Ukraine-Krieg) nicht einfach werden dürfte, die beiden Zeugen über die Rechtshilfe zu laden. 

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Wie aber geht man jetzt vor?

Videobefragung?

Der einfachste Weg wäre, wenn die Verteidigung die Zeugen selbst vorstellig macht, heißt es zum KURIER. Kurz' Verteidiger Otto Dietrich, der mit den Russen ja bereits in Kontakt war, könnte sie selbst fragen, wann sie kommen können und sie dann einfach mitnehmen. 

Tatsächlich geht man aber den formellen Weg: Kurz' Verteidiger Dietrich wird dem Gericht die Kontaktdaten der zwei Geschäftsleute übermitteln, dann bekommen sie eine Ladung. Und es bleibt zu hoffen, dass sie reagieren, denn zwangsweise vorführen lassen kann man sie nicht. Das ginge nur, wenn sie in Österreich wohnhaft sind. 

Dem Vernehmen nach wären die beiden aber bereit, vor Gericht auszusagen. Überlegt wird eine Befragung per Videokonferenz. 

Dafür müssten die Zeugen in ein Gericht - beispielsweise in St. Petersburg - in Anwesenheit eines Richters vor einer Kamera sitzen. Die Befragung könnte dann in Wien im Großen Schwurgerichtssaal auf einer Leinwand gezeigt werden.

Was erhofft man sich von der Befragung? 

Kurz' Anwalt Dietrich und Bonellis Anwalt Werner Suppan wollen, wie bereits erwähnt, Schmids Glaubwürdigkeit ins Wanken bringen: Er ist Hauptbelastungszeuge in diesem und anderen Verfahren, seine Glaubwürdigkeit sei daher ein entscheidendes Beweismittel in der Frage um Schuld- oder Freispruch, erklärte Dietrich sinngemäß. 

Die WKStA hat grundsätzlich nichts dagegen einzuwenden, die Russen zu laden, stellt aber ihrerseits die Glaubwürdigkeit der Zeugen infrage. Dem Antrag, dass zuerst Kurz und sein Verteidiger erklären sollten, was es mit diesem Beweismittel auf sich hat, hat Richter Radasztics nicht stattgegeben. Er lässt die Zeugen laden, damit sie unter Wahrheitspflicht selbst Auskunft geben können. 

Worum geht's bei dem Beweismittel?

Die Geschichte der russischen Geschäftsleute, die Kurz-Anwalt Dietrich da vergangene Woche präsentiert hat, klingt tatsächlich etwas schräg: 

Walerij Afinogenow ist laut Recherchen des ORF-Journalisten Martin Thür Geschäftsführer einer Firma, die künstliche Edelsteine produziert. Aleko A. ist Marketingleiter iener ähnlichen Firma. 

Im Sommer haben sie Schmid angeblich zu einem Bewerbungsgespräch in Amsterdam, wo der 48-jährige Tiroler mittlerweile lebt,  getroffen. Den Kontakt soll ein Investmentbanker aus London eingefädelt haben. Bei dem Job soll es um ein Ölprojekt in Georgien gegangen sein. 

Bei einem Spaziergang soll Schmid dann erzählt haben, dass er mit seiner Aussage (also bei jenem Geständnis, mit dem Schmid hofft, Kronzeuge zu werden) "nur die Staatsanwaltschaft glücklich machen wollte, um einen Deal mit ihm zu machen, obwohl nicht alles, was er ausgesagt hat, seiner Erinnerung nach wahr ist". Das gaben die beiden Russen in einem so genannten Affidavit (einer Art eidesstattlicher Erklärung) an.

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Spekulationen

Die WKStA zeigte sich angesichts des Beweisantrages skeptisch: Es sei "unergründlich", mit welcher Motivation Aussagen eines vertraulichen Bewerbungsgesprächs an Kurz übermittelt wurde. Daher bestehe der Verdacht, dass es sich um ein "provoziertes Beweismittel handelt". 

Es wird spekuliert, dass Schmid in eine Art Falle gelockt worden sein könnte. Laut Recherchen des Standard soll es eine Verbindung zu Siegfried Wolf geben. Der Industrielle hat bekanntlich intensive Geschäftskontakte in Russland, stand zu Kanzler-Zeiten in engem Kontakt mit Kurz und war von Kurz sogar Wunschkandidat für den ÖBAG-Aufsichtsrat. Jetzt wird Wolf von Schmid, früher Generalsekretär im Finanzministerium, wegen angeblicher Interventionen in Steuerverfahren schwer belastet. Wolf hat sich noch nicht zu diesen Spekulationen geäußert. 

Aus dem Kurz-Umfeld heißt es, dass der Kontakt über Verteidiger Dietrich gelaufen sei und dieser sich auch mit einem der beiden Zeugen getroffen habe. Kurz kenne die russischen Geschäftsleute nicht.

Der weitere Fahrplan

Die nächsten Verhandlungen finden am 10., 25., 30. und 31. Jänner statt. Fix ist vorerst nur, dass Ex-Finanzminister Gernot Blümel am 25. Jänner befragt wird. 

Neben den Russen werden dann noch fünf weitere Zeugen geladen. Vier davon sind Mitglieder des ÖBAG-Aufsichtsrates, die darüber Auskunft geben sollen, wie ebendieser zustande gekommen ist. Der Verdacht gegen Kurz lautet ja, dass er viel stärker in die Vorgänge involviert war, als er im U-Ausschuss zugeben wollte. 

Der fünfte Zeuge ist ein ehemaliger Mitarbeiter von Kurz im Kanzleramt. 

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