Eine blau-schwarze Koalition scheint derzeit wahrscheinlich, weil Stocker in seiner ersten Rede als Parteichef dies anklingen ließ - und weil die FPÖ trotz aller Kritik an der ÖVP nimmermüde war zu betonen, "unsere Hand ist ausgestreckt".
Erstmals ausgestreckt ist sie Mitte Oktober, wenige Wochen nach der Wahl. Doch der damalige ÖVP-Chef Karl Nehammer will von dem Angebot nichts wissen. Dafür lässt der FPÖ-Chef wissen, dass Arbeitsgruppen und Zeitplan für blau-schwarze Koalitionsverhandlungen möglich sind. Nachlesbar in einer blauen Mappe.
Diese Mappe könnte nun - mit verändertem Zeitplan und anderem ÖVP-Chef - wieder wichtig werden. Entgegen kommt Stocker und Kickl dabei, dass sie und die Parteiapparate einander aus dem Parlament - vor allem aber aus Niederösterreich kennen. Genauer gesagt aus Wiener Neustadt.
Stocker ist seit 2000 Vizebürgermeister von Wiener Neustadt. Ebendort lebt FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz. Beide kennen einander - kritisieren einander öffentlich aufs Schärfste. Und haben dennoch "einen Draht zueinander", wie es aus dem Umfeld beider heißt.
Dies fällt auch Nationalratsabgeordneten aller Parteien auf, die Schnedlitz und Stocker oft abseits zusammenstehen und reden sein. Oft gehe es dabei um: Wiener Neustadt. In der zweitgrößten Stadt Niederösterreichs - nach der Landeshauptstadt St. Pölten - lebt auch Niederösterreichs FPÖ-Chef Udo Landbauer.
Dem Landeshauptfrau-Stellvertreter von Johanna Mikl-Leitner wird zudem eine besonders gute Gesprächsbasis zum Wiener Neustädter ÖVP-Bürgermeister Klaus Schneeberger nachgesagt.
Die Gespräche, die 2023 schlussendlich die ÖVP-FPÖ-Koalition in Niederösterreich bringen, finden laut KURIER-Informationen damals nicht in St. Pölten, sondern eben in Wiener Neustadt - und maßgeblich auch zwischen Landbauer und Schneeberger statt. So ähnlich könnte es jetzt für den Bund laufen.
Ganz abgesehen davon, dass sich derzeit viele ob des Regierungsverhandlungs-Aus im Bund an die Regierungsgespräche nach der niederösterreichischen Landtagswahl erinnert fühlen. Rückblick: Nach der Wahl scheitern die langen Verhandlungen zwischen ÖVP und SPÖ - Mikl-Leitner schließt entgegen aller bisherigen Annahmen ein Arbeitsübereinkommen mit FPÖ-Chef Udo Landbauer ab.
Für Funktionäre beider Parteien eine mögliche Vorlage für Blau-Schwarz im Bund. Die verhandelnden Protagonisten kennen einander jedenfalls von damals- und wollen sich dies zu Nutze machen. Sollte Stocker nicht an der Spitze der ÖVP bleiben, fällt derzeit ein Name, der ebenfalls im Zusammenspiel von Schwarz und Blau erprobt ist: Jochen Danninger.
Dem ehemaligen Staatssekretär im Finanzministerium und nunmehrigen Klubobmann der niederösterreichischen Volkspartei wird jedenfalls von einigen Parteigängern attestiert, auch das Zeug zum ÖVP-Vizekanzler in einer von Kickl geführten Regierung zu haben.
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