Magnus Brunner über seine Kritik an der EZB, das Russland-Geschäft der RBI, Optimismus bei Richtwertmieten, Flüge nach Vorarlberg und die Finanzierung des ORF.
KURIER: Die Silicon Valley Bank (SVB) ist pleite, die Credit Suisse bekommt 50 Milliarden Franken an Finanzhilfen. Bleiben Sie dabei, dass beide keine systemischen Auswirkungen auf den Finanzmarkt darstellen?
Magnus Brunner: Ich bleibe dabei. Die SVB hat laut Expertinnen und Experten keine Auswirkungen auf den europäischen Finanzmarkt, die Credit Suisse keine großen. Der Bankensektor hat nach der Finanzkrise seine Hausaufgaben gemacht.
Apropos Banken. Die RBI will die europäischen Anteile der Sberbank übernehmen, diese im Gegenzug das Russlandgeschäft der RBI. Ein normaler Vorgang, der mit den EU-Sanktion konform geht?
Die Sberbank Europe gibt es in der Form nicht mehr, sie ist keine Bank mehr. Es geht also nicht um die Ausweitung der Russlandgeschäfte, sondern um europäische Assets, um die sich die RBI laut Medienberichtenbemüht. Es handelt sich übrigens um den Teil, den früher die Volksbank hatte, andere Teile hatten schon die Bawag, die Erste und slowenische Banken übernommen.
Es ist kein Tauschgeschäft. Zudem: Ich gehe erstens davon aus, dass die Sanktionen eingehalten werden. Zweitens hat die Raiffeisen schon zu Beginn des Krieges angekündigt, alle Möglichkeiten zu prüfen. Eine Bank kann nicht von heute auf morgen den Schlüssel umdrehen und sich aus einem Land zurückziehen. Außerdem hat Putin verfügt, dass Banken nur durch Sondergenehmigungen die russische Föderation verlassen können. Laut Universität Sankt Gallen haben sich bisher nur 10 Prozent der Unternehmen aus Russland zurückgezogen. Also: So trivial ist das alles nicht – man muss es im Gesamtkontext sehen.
Der da wäre?
Die RBI ist auch in der Ukraine tätig und hat dort sogar mehr Kunden als in Russland. Beim Wiederaufbau der Ukraine wird die RBI daher eine wesentliche Rolle spielen.
Die EZB erhöht den Leitzinssatz auf 3,5 Prozent. Sind Sie jetzt zufrieden, nachdem Sie EZB-Präsidentin Lagarde dafür kritisiert haben, zu langsam gehandelt zu haben?
Ich bleibe dabei und verstehe den Vorwurf „too late, too little“. Zur Verteidigung der EZB muss man jedoch sagen, dass die Budget- und Schuldensituation in Europa eine andere als jene in den USA ist. Die EZB hatte das Problem, dass Zinserhöhungen auf manche EU-Staaten und deren Verschuldung massive Auswirkungen gehabt hätten. Deshalb plädiere ich für konsequente Fiskalregeln, damit die Verschuldung in allen Staaten runtergeht. Es ist eine Abwägung zwischen Zinserhöhung, um die Teuerung abzudämpfen, und Wirtschaftswachstum.
Prognosen gehen für den Jahresschnitt von 6,4 Prozent aus. 2022 waren wir mit 8,6 Prozent leicht unter dem EU-Schnitt, jetzt sind wir mit 11 leicht darüber. Die Gründe sind vielfältig: Österreichs Wirtschaft ist 2022 gewachsen und wir verfügen über hohe Haushaltseinkommen, die weitaus höher sind als in Niedrig-Inflationsländern wie Spanien. Auch die unterschiedlichen Warenkörbe und das Konsumverhalten – in Österreich geht man häufiger essen als in anderen Staaten – spielen eine Rolle.
Am 1. April sollen die Richtwertmieten um 8,6 Prozent erhöht werden, wenn es zu keiner Einigung kommt…
Die Verhandlungen laufen auf parlamentarischer Ebene. Ich bin immer noch optimistisch, dass es zu einer Einigung kommt. Uns ist bewusst, dass die Mietpreisbremse wesentlich ist, auch wenn sie hauptsächlich Wohnungen in Ostösterreich betrifft. Es geht uns aber auch um Wohnungsbesitzer, die möglicherweise ihre Wohnungen sanieren müssen.
Die Richtwertmieten könnten einen Nachzieheffekt für andere Mieten haben!
Ja. Deshalb bin ich der Meinung, dass man Wohnen gesamthaft diskutieren muss. Ich finde übrigens interessant, warum der Staat immer für Dinge sorgen muss, die auch auf Länderebene gelöst werden könnten – wie man an Wien sieht.
Aus Mitteln, die wir über den Heiz- und Wohnkostenzuschuss den Ländern zur Verfügung gestellt haben. Wunderbar, dass Wien sie dafür einsetzt, aber es sind zum Teil Bundesmittel, die sie dafür verwenden können.
Kann die Inflation noch national, mit Mehrwertsteuersenkungen gedämpft werden?
Ich bin bei solchen Gießkanneneingriffen sehr skeptisch. Auch Expertinnen und Experten haben uns dringend davon abgeraten. Europäische Beispiele, wie die Spritpreisdeckel in Ungarn oder Deutschland, haben keine positiven Effekte gehabt. Diese Eingriffe sind auch nicht treffsicher, sie helfen eher Besserverdienenden.
Momentan können sich nur Besserverdiener ein Eigenheim leisten.
Umso wichtiger ist es, dass sich junge und nicht so gutverdienende Familien wieder Eigentum leisten können. Das geht am besten über Steuersenkungen. Wir haben vor vielen Wochen gesagt, dass leistbares Eigentum für uns zum Thema Wohnen gehört. Deshalb verstehe ich die Aufregung nicht.
Die Grünen meinen, das Modell helfe auch beim Erwerb von Luxusimmobilien.
Dem widerspreche ich zu 100 Prozent. Mein Vorschlag war immer, dass die Grunderwerbssteuer (GrESt) erst ab 500.000 Euro bezahlt werden muss. Und ich kann mir auch vorstellen, eine Obergrenze für den Immobilienpreis insgesamt einzuziehen. Wer diese Grenze überschreitet, muss die GrESt auch für die ersten 500.000 Euro bezahlen. Darüber können wir gerne reden.
Wenn der Koalitionspartner aus ideologischen Gründen keine Steuersenkung will, muss ich das akzeptieren. Es gibt auch komplexere Unterstützungsmöglichkeiten. Mir geht es um die Sache.
Bietet sich beim nächsten Budget das Klimaressort für Einsparungen an? Geht es nach dem Bundeskanzler, wird es ja ohnehin keine Klima-Untergangsapokalypse geben.
Der Klimawandel ist eine der größten Herausforderungen unserer Generation. Deshalb haben wir uns im Regierungsprogramm auch zu gemeinsamen Zielen bekannt. Der Weg zu diesen Zielen ist etwas unterschiedlich. Als ÖVP halten wir nicht so viel von Verboten und Verzicht. Wir glauben, dass man sich technologieoffener verhalten und ganz stark auf Innovationen setzten muss.
Nehmen Sie die Grünen als Verbotspartei wahr?
Natürlich sind wir zwei unterschiedliche Parteien. Wir gehen vielleicht mit etwas mehr Realismus an die Sache heran. Aber ich glaube, die Zusammenarbeit läuft sehr gut. Erst am Mittwoch haben Ministerin Gewessler und ich die Steigerung der Photovoltaik-Förderungen vorgestellt.
Will man damit auch das ÖVP-Profil wieder schärfen: Der Bevölkerung zu erklären, dass sich niemand wird einschränken müssen?
Ökologie und Ökonomie dürfen sich nicht ausschließen. Wir können nicht von heute auf morgen alles zudrehen. Gegen die Wirtschaft und gegen die Menschen werden wir die Klimaziele nur schwer erreichen. Wir müssen alle mitnehmen auf diesem Weg.
Nehmen Sie öfter einen Kurzstreckenflug, um nach Vorarlberg zu kommen?
Im Schnitt bin ich zwei Wochenenden pro Monat in Vorarlberg. Wenn ich Zeit habe, nehme ich den Zug. Wenn ich auf dem Weg Termine absolvieren muss, das Auto. Wenn die Zeit drängt, nehme ich den Flug nach Altenrhein.
Haben Sie es als ÖVP-Mann leichter als die Grüne Nina Tomaselli, die für einen Flug nach Altenrhein kritisiert wurde?
Ins Mobilitätsverhalten der Abgeordneten Tomaselli mische ich mich nicht ein. Ich glaube, das muss jeder für sich selbst definieren.
Steht die Finanzierung der ORF-Haushaltsabgabe schon?
Das fällt in die Zuständigkeit von Ministerin Raab, aber natürlich rechnen wir im Finanzministerium immer mit.
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