Nehammer-Rede: "Kein Beweis für Untergangsapokalypse"

KANZLERREDE "ZUR ZUKUNFT DER NATION - ÖSTERREICH 2030": NEHAMMER
Hoch über Wien skizziert Karl Nehammer seinen Plan für die nächsten sieben Jahre und bemühte sich um Optimismus.

Die Aussicht war grandios, zumindest was den Ort des Geschehens anging: Im 35. Stock der Twin Towers am Wienerberg skizzierte Bundeskanzler Karl Nehammer am Freitag, wie er sich die nächsten sieben Jahre für das Land vorstellt. Die Rede "Österreich 2030" soll den Startschuss für einen Expertenprozess markieren, an dem Praktiker und Politiker "aus unterschiedlichen Fachbereichen" mitwirken. 

Für Nehammer war es die erste Rede in diesem Format. Er nahm sich gut eineinhalb Stunden Zeit und ging gleich zu Beginn auf die Stimmung im Land ein. In Sachen Pandemie müsse man über Dialog und Versöhnung nachdenken; ein "Gegeneinander" helfe nicht. "Aber ich sage auch: Ich bin der Wissenschaft mehr als dankbar dafür, was sie in der Pandemie geleistet hat. Impfstoffe wurden in Rekord-Geschwindigkeit entwickelt. Impfstoffe und Medikamente bringen uns in eine ganz andere Lage."

Und bei alldem wie auch später war dem Regierungschef ein Satz wichtig: "Die Krisen haben gezeigt, dass wir das Unmögliche möglich machen. Wir können Krisen überwinden."

Austrian Chancellor Nehammer delivers his speech on “The Future of the Nation” in Vienna

Großen Raum bekam in der Rede unter anderem das Thema Eigentum und vor allem hier des Wohnens. "Menschen sollen nicht von der öffentlichen Hand leben müssen", sagte der Kanzler. "Ich will, dass es möglich wird, Eigentum zu erwerben." Das bedeute, dass sich der Staat zurücknehmen müsse, wenn "das erste Eigenheim geschaffen wird" - kurzum: Die Grunderwerbssteuer soll in diesem Fall fallen. 

Wehrhafte Demokratie

In weiterer Folge unternahm der ÖVP-Chef eine tour d'horizon, in der er beispielsweise eine Reform des Bildungswesens versprach. Es gebe einige, die meinten, man könne eine Universität nur abschließen, wenn man "richtig gendern" könne - er sehe die Prioritäten aber anderswo. Politische Bildung müsse im Sinne einer wehrhaften Demokratie in allen Schulformen zentraler Bestandteil sein - so wie auch die technologische Entwicklung. Konkret forderte Nehammer, dass Programmieren ab der 5. Schulstufe ein Pflichtfach werden sollte. Er versprach einen "Masterplan Gesundheit", damit ausreichende Kassenärzte am Land zur Verfügung stünden. Und er forderte die Länder dazu auf, in einer Art "Nostrifikationsgipfel" dafür zu sorgen, dass Pflegekräfte es leichter haben, in Österreich zu arbeiten. 

Die "Untergangsapokalypse"

Was den Klimaschutz angeht, mahnte der Regierungschef zu einer mäßigenden Rhetorik bei den Klima-Aktivisten: "Für die Untergangsapokalypse gibt es keinen wissenschaftlichen Beweis."  Und zum Thema Klimakleben: Der Protest und das Thema seien ernst zu nehmen, aber: Die Maßnahme sei sinnlos. Und: Österreich sei DAS Autoland schlechthin. Nicht etwa, weil so viele Menschen mit dem Auto fahren würden, sondern vielmehr, weil gut 80.000 Österreicher in dieser Branche arbeiten würden. 

Grundsatzrede: Wieso jetzt?

Experten wie der Politikberater und Wahlkampf-Experte Thomas Hofer sehen in der Rede den "überfälligen" Versuch, Aktivität zu signalisieren und im Hinblick auf die Nationalratswahl auch inhaltliche Pflöcke einzuschlagen. Laut Hofer habe sich die ÖVP im irrigen Glauben befunden, für den politischen Erfolg reiche es aus, "zig Rettungspakete" zu schnüren und dafür Dank zu ernten. Nehammer und der ÖVP müsse es nunmehr darum gehen zu erzählen, "wofür man als Partei eigentlich steht". 

Und hier ist man wieder bei einem Thema, mit dem nicht nur Nehammer, sondern auch dessen Vorgänger Sebastian Kurz zu punkten suchte, nämlich: der Migration. Geregelt und kontrolliert müsse sie ablaufen. Und Nehammer blieb dabei, dass es Bürgern nicht zu erklären sei, wenn vermeintliche indische Flüchtlinge mit dem Flugzeug nach Serbien flögen, nur um von dort dann unter erleichterten Vorzeichen in die EU einzureisen.  Wesentlich ist dem ÖVP-Chef, „dass wir entscheiden, wer nach Österreich kommt - und nicht die organisierte Kriminalität“. Und: Nur wer mindestens fünf Jahre in Österreich lebt, solle vollen Anspruch auf alle Sozialleistungen haben.

Was die umfassende Sicherheit des Landes angeht, will Nehammer an der Neutralität festhalten und eine neue, adaptierte Sicherheitsstrategie für das Land vorlegen. Und die soll - ganz im Sinne des Titels der Rede - bis zum Jahr 2030 vorliegen.

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