Weltweit: Zwei Drittel aller Schulkinder ohne Internet zu Hause

Ein Bub erzählt seiner Großmutter, was in dem Schulbuch steht, aus dem er vor seiner Hütte in Osttimor lernt
UNICEF und Internationale Fernmeldeunion rufen zu dringenden Investitionen zur Überbrückung der digitalen Kluft auf.

Zwei von drei Kindern und Jugendlichen in Bildungseinrichtungen – 1,3 Milliarden junge Menschen - auf der Welt haben zu Hause keinen Internet-Anschluss. Das ergab eine Erhebung des UNO-Kinderhilfswerks UNICEF gemeinsam mit der Internationalen Fernmeldeunion (ITU International Telecommunication Union, Sonderorganisation der UNO). In Zeiten von Schulschließungen zur Eindämmung der Pandemie klafft damit ein digitaler Bildungsgraben.

Fast eine Viertelmilliarde Schüler_innen weltweit sind nach wie vor von COVID-19-Schulschließungen betroffen und damit auf virtuelles Lernen angewiesen. Für diejenigen, die keinen Internetzugang haben, kann Bildung unerreichbar sein.

Zwei Jugendliche schauen Bildugnsfernsehen in Nairobi (Kenya) und schreiben in ihre Hefte

Die 12-jährige Elizabeth Achieng inmd ihr Nachbar Justin schauen Bildungsfernsehen in einer Wellblechhütte in Kibera, einer Riesen-Township am Rande der Kenyianischen Hauptstadt Nairobi.

„Dass so viele Kinder und Jugendliche zu Hause kein Internet haben, ist mehr als eine digitale Lücke – es ist eine digitale Kluft", sagt Henrietta Fore, UNICEF-Exekutivdirektorin. „Mangelnde Vernetzung hindert Kinder und Jugendliche nicht nur daran, sich online auszutauschen, sondern auch daran, in der modernen Wirtschaft zu konkurrieren. Dieser Mangel isoliert sie von der Welt. Und im Falle von Schulschließungen, wie sie derzeit Millionen Menschen aufgrund von COVID-19 erleiden, führt dies dazu, dass sie im Bildungsbereich den Kürzeren ziehen. Um es ganz offen zu sagen: Das Fehlen eines Internetzugangs kostet die nächste Generation ihre Zukunft."

Fünf Schüler_innen lernen mit Handy unter einem großen Baum

Fünf Schüler_innen im Westen Jamaikas lernen übers Handy - unter einem Baum, einem Ort, wo sie Internet-Empfang haben - natürlich im Corona-Abstand.

58 : 16

Weltweit verfügen 58 Prozent der schulpflichtigen Kinder aus den reichsten Haushalten zu Hause über einen Internetanschluss, während es in den ärmsten Haushalten nur 16 Prozent sind. Das gleiche Missverhältnis besteht auch zwischen den Einkommensniveaus der einzelnen Länder. Weniger als jedes zwanzigste schulpflichtige Kind aus einkommensschwachen Ländern verfügt zu Hause über einen Internetanschluss, verglichen mit fast neun von zehn Kindern aus einkommensstarken Ländern.

Der Bericht der beiden UNO-Organisationen stellt darüber hinaus fest, dass Kinder und Jugendliche aus den ärmsten Haushalten, ländlichen und einkommensschwächeren Staaten durch diese digitale Kluft noch weiter hinter ihre Altersgenossen zurückfallen und noch weniger Chancen haben, aufzuholen.

Die 9-jährige Maria verfolgt über das Handy ihres Vaters eine voraufgezeichnete Schulstunde in einem Zelt im Flüchtlingslager Idlib in Syrien

Die 9-jährige Maria verfolgt über das Handy ihres Vaters eine voraufgezeichnete Schulstunde in einem Zelt im Flüchtlingslager Idlib in Syrien

Ländliche Regionen

„Die Anbindung der ländlichen Bevölkerung bleibt eine gewaltige Herausforderung", sagt ITU-Generalsekretär Houlin Zhao. „Wie die ITU-Messung der digitalen Entwicklung zeigt (Fakten und Zahlen 2020) sind große Teile der ländlichen Gebiete nicht mit einem mobilen Breitbandnetz abgedeckt und weniger ländliche Haushalte haben Zugang zum Internet. Die Kluft bei der mobilen Breitbandnutzung und der Internetnutzung zwischen Industrie- und Entwicklungsländern ist besonders groß, wodurch die fast 1,3 Milliarden Kinder im Bildungsalter (gezählt wird von 3 bis 17 Jahre), vor allem aus einkommensschwachen Ländern und ländlichen Regionen, Gefahr laufen, ihre Ausbildung zu versäumen, weil sie zu Hause keinen Zugang zum Internet haben.“

West- und Zentralafrika: 95% - 194 Millionen
Ost- und Südafrika: 88% - 191 Millionen
Südasien: 88% - 449 Millionen
Mittlerer Osten und Nordafrika: 75% - 89 Millionen
Lateinamerika und Karibik: 49% - 74 Millionen
Ost-Europa und Zentralasien: 42% - 36 Millionen
Ostasien und Pazifikregion: 32% - 183 Millionen
Global: 67% - 1.3 Milliarden

Zwei Mädchen vor einem aufgeklappten Laptiop in Osttimor

Zwei Mädchen in Osttimor starten jene Online-Plattform, auf der viele Unterrichtsmaterialien fürs Home-Schooling in diesem unabhängigen südostasiatischen Inselstaat versammelt sind.

Große regionale Unterschiede

Es gibt auch geografische Ungleichheiten innerhalb der Länder und zwischen den Regionen. Weltweit haben etwa 60 Prozent der Schulkinder in städtischen Gebieten zu Hause keinen Internetzugang, verglichen mit etwa drei Viertel ihrer Kolleg_innen in ländlichen Haushalten. Am stärksten betroffen sind Kinder bzw. Jugendliche in Afrika südlich der Sahara und in Südasien, wo etwa neun von zehn Schüler_innen keinen Zugang zum Internet haben.

Ein Kind mit Buch, eines mit Heft und eine Jugendliche mit Laptop lernen zu Hause

Nguyen Xuan Minh Khai (8 Jahre), Truong Gia Bach (7) und Truong Thu Anh (14) aus Ha Noi, Vietanm beim Lernen zu Hause

Initiative zur Abhilfe

Im vergangenen Jahr starteten UNICEF und ITU mit „Giga“ eine weltweite Initiative, um jede Schule und die sie umgebende Gemeinschaft ans Internet anzuschließen. In Zusammenarbeit mit Regierungen hat Giga inzwischen mehr als 800.000 Schulen in 30 Ländern erfasst. Die Initiative arbeitet jetzt im Rahmen der Initiative „Reimagine Education“ und in Koordination mit Generation Unlimited zusammen. Mit der „Reimagine Education-Initiative“ will UNICEF die Lernkrise angehen und das Bildungswesen verändern, indem Kindern und Jugendlichen der gleiche Zugang zu qualitativ hochwertigem digitalen Lernen ermöglicht wird. Ein Schlüssel zum Erreichen dieses Ziels ist der universelle Internet-Zugang.

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