Jugendliche machen Literatur: Lustvolle, unkonventionelle Sprachspiele
Herausfordernde Zeiten verlangen viel Mut, führen manchmal zu Unmut und brauchen in jedem Fall einigen Übermut: Dem entsprechend wurde als literarisches Thema des mehrstufigen Wettbewerbs „Texte. Preis für junge Literatur 2020“ für Jugendliche im Alter von 14 bis 19 Jahren „Mut/Unmut/Übermut“ gewählt. Im Rahmen einer online gestreamten Preisverleihung aus der Alten Schmiede Wien wurden Donnerstagabend (3. Dezember) die Siegerinnen-Texte prämiert.
Zuvor lasen im Rahmen der Verleihung – wie auch in den Vorjahren bei den analogen Live-Galas im Kasino am Schwarzenbergplatz die (Burg-)Schauspielerinnen Dorothee Hartinger, Alexandra Henkel und Cornelius Obonya aus den Texten aller 24 (ursprünglich war von 25 die Rede, sorry) Finalist_innen, die online live zugeschaltet waren. Übrigens sind alle 24 Finaltexte – in voller Länge - auf der Website des Bewerbs nachzulesen - siehe Infos am Ende des Beitrages.
Leise Poetik bis sprachgewaltige Bilder
„Von eindringlicher Innenschau bis zu klar ausgeleuchteten Alltagsbeobachtungen, von leiser Poetik bis zu sprachgewaltigen Bildern – auch in diesem Jahr gab es viele authentische Texte, die unmittelbar von der Lebenswirklichkeit der jungen Schreibenden erzählen“, betont Christoph Braendle, künstlerischer Leiter des Wettbewerbs, begeistert. „Und auch wenn es immer nur drei Erstplatzierte gibt – alle Texte zeichnen sich durch ihr sehr hohes sprachliches und literarisches Niveau aus!“
Der Kinder-KURIER durfte schon vor der Preisverleihung mti vier Finalist_innen Interviews führen - Links dazu weiter unten.
Extrem sinnlich und sprachlich interessant
Unter 356 Einreichungen - allein 54 aus dem Rainer-Gymnasium in Wien - fiel die Wahl für Platz 1 auf 17-jährige Wienerin Milena Dörfler mit ihrem Text „an selbst“. Für die Jury würdigte Sandra Schüddekopf den „extrem sinnlichen und sprachlich interessanten Text“, der das kreative Anderssein behandelt, ohne gängige Klischees zu verwenden. „Durch die Vielschichtigkeit der Bilder bleibt es nicht bei einer einfachen Gegenüberstellung von Gegensätzen, sondern das Selbst scheint vielschichtiger und komplexer, als man es im ersten Moment vermutet ...
Dieser Text hat die Jury aber vor allem wegen seinem Rhythmus und Umgang mit Sprache überzeugt ... und punktet auch damit, dass jede zweite Zeile eine Überraschung ist“ und besticht durch seinen „zarten Humor“. Gleich neben der Gefahr liegt im Text ein zarter Humor … so heißt es an einer Stelle „Menschen wie mich hat niemand bestellt, Verstandsverlierer und Realitätenverzierer“.
Das ist gut konzipiert, ohne zu konstruiert zu wirken. Und das Thema, kreativ Anderssein, nicht reinpassen, und deshalb vielleicht nicht normal sein, und die Sorge darüber in der Selbstbetrachtung wird behandelt ohne gängige Klischees zu verwenden.“
Zum Interview mit Milena Dörfler gehte es hier unten
Salzburgerin auf Platz 2
Die Zweitplatzierte Salzburgerin Hannah Unterthiner überzeugte mit dem höchst originellen und unkonventionellen Beitrag „Also verliert man nichts“ über das Gefühl des Bergsteigens: „erfrischend, geradezu verführerisch – dahinter steckt aber eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Thema, ein fast Jandl'sches Ausprobieren von Sprache, ein lustvolles Sprachspiel … präziser könnte man das Gefühl Bergsteigen nicht beschreiben, ein sprachgewaltiger und dennoch leichtfüßiger Text“ so Barbara Mader (KURIER) für die Jury.
Vielfach-Teilnehmerin
Für „Wir, und mehr“ wurde Bernadette Sarman mit dem dritten Platz ausgezeichnet. In der Jurybegründung – verlesen von Vanja Radenović, einer früheren Gewinnerin beim mehrsprachigen Redewettbewerb „SAG’S MULTI!“, heißt es dazu: „Das Thema ‚Mut, Unmut und Übermut‘ spiegeln sich hier in den Gedankensplittern von Geschwistern wider ... der kreative, unkonventionelle Zugang zum Thema und die jugendliche Sprache erzeugen ein Stimmungsbild, welches Nähe zulässt.“
Zu mehreren KiKu-Interviews - auch schon bei früheren Bewerben und andren Gelegenheiten mit Bernadette Sarman geht es hier unten.
Die Finalist*innen wurden am 16. Oktober nach der ersten Abstimmung durch eine Fachjury sowie online auf der Website bekanntgegeben. Im Rahmen von Workshops mit Schriftsteller*innen hatten die Finalist*innen bis Mitte November die Möglichkeit, sich über ihre Texte auszutauschen. Eine Fachjury und das Online-Voting (60:40; 6500 Online-Stimmen) ermittelten in der zweiten Voting-Phase von 8. bis 15. November die Preisträger*innen.
Die Finalist_innen: Alexandra Aigner, Hiba Akyol, Sarah Bahmou, Anna Bauer, Katharina Bogner, Milena Dörfler, Paula Dorten, Оeneta Fejzić, Amelie Frikell, Marius Henrik Hoose, Fanny Koelbl, Fiona Kreindl, Antonia Moritz, Anna Richter, Mirjam Roher, Anna Rotter, Bernadette Sarman, Katrin Schwarz, Maria Schigan, Lilli Splettstößer, Clara Stiller, Jeannine Tendl, Hannah Unterthiner und Severin Weh
Jurymitglieder: Judith Fischer, Erwin Greiner, Eva Holzmann, Karin Ivancsics, Barbara Mader, Hanno Millesi, Petra Morze, Vanja Radenović, Sandra Schüddekopf, Peter Paul Wildner
Schriftsteller*innen (Workshop Leiter*innen): Christoph Braendle, Franzobel, Florian Gantner, Omar Khir Alanam, Radek Knapp, Mieze Medusa, Martin Ohrt, Vladimir Vertlib und Komödienworkshop mit Lisa-Maria Cerha
Schauspieler*innen, die Lesungen gehalten haben: Cornelius Obonya, Petra Morzé, Markus Meyer, Daniel Jesch, Sona MacDonald, Claudia Sabitzer, Hubert Wolf, Katharina Stemberger, Mercedes Echerer u. a.
Alle Final-Texte zum Nachlesen gibt es hier
Kommentare