Trend Speed-Dating: Kennenlernen in Blitzgeschwindigkeit
"Ich habe mich bei jungen Frauen, die Mitte bis Ende 20 Jahre alt und Patientinnen von mir sind, erkundigt, ob sie lieber auf ein Speed-Dating-Event gehen oder eine Online-Datinfplattform nützen würden", berichtet die Wiener Psychologin Mag. Dunja Radler.
"Tatsächlich haben alle geantwortet, dass sie Speed-Dating dem Online-Dating vorziehen würden. Keine von ihnen besitzt ein Profil auf einer Online-Datingplattform. Hier scheint also tatsächlich ein Umdenken stattzufinden ..."
Der Liebes-Weg hin zum Digitalen
Digitale Partnerbörsen gibt es bereits seit den 1990er-Jahren. Anfang der Nullerjahre (genauer: am 14. Februar 2001, also pünktlich zum Valentinstag) ging die berühmte Online-Partnervermittlung "Parship" an den Start und hob die Suche nach der Liebe auf ein neues (Geschäfts-)Level.
Mit Aufkommen von Social Media blieb aber auch beim Dating kein Liebesstein mehr auf dem anderen: 2012 kam die App Tinder auf den Markt und veränderte die Partnersuche radikal.
Blitzschnelles "swipen" wurde zum neuen Handkuss (oder auch zu dessen Verweigerung), ein Wischen nach links oder rechts und schon waren die Weichen zur potenziellen gemeinsamen Zukunft mit dem Auserkorenen (bzw. der Auserkorenen) gestellt. Nichtmal von der Couch musste man dafür mehr aufstehen! Und One-Night-Stands waren mitunter schneller gefunden, als so mancher Akt am Ende selbst dauerte. Algorithmus an, dafür Hausverstand gerne mal aus.
Frauen distanzieren sich von Online-Dating
Mittlerweile ist Online-Dating zum Alltag geworden, gilt beinahe schon als veraltet und überholt – was nicht so sehr überraschet, wenn man bedenkt, dass die erste elektronische Partnervermittlung bereits (in den USA) in den 1950er-Jahren stattfand.
"Während der Pandemie und den damit verbundenen Ausgangsbeschränkungen waren Online-Dating-Apps noch sehr beliebt", so Radler, "dieser Trend ist seit 2021 aber wieder rückläufig." Männer seien zwar nach wie vor an Online-Dating interessiert und dort deshalb auch in der Überzahl, "speziell junge Frauen aber interessieren sich immer weniger für solche Apps."
Von Ghosting und Online-Dating-Burnout
Die Nachteile von Dating-Apps (oder Online-Dating im Allgemeinen) sind inzwischen nicht nur wohlbekannt, sondern auch gefürchtet: "Ja, eines der Vorteile von Online-Dating ist, dass man Zugang zu einem größeren Pool an potenziellen Partnern hat – und dass schüchterne, introvertierte oder auch ungesellige Personen sich aufgrund der Niederschwelligkeit beim digitalen Dating wohler fühlen als beim analogen", räumt die Expertin ein.
Doch für viele User nehmen die Nachteile immer mehr überhand: Sogenanntes Ghosting beispielsweise, also ein plötzlicher Kontaktabbruch ohne jegliche Erklärung, nimmt immer mehr zu, was freilich negative Auswirkungen auf die Psyche des Betroffenen haben kann. Auch der Fokus auf Äußerlichkeiten, das Reduzieren auf Small-Talk und die hohe Wahrscheinlichkeit, dass es nach zahlreichen Online-Nachrichten nie zu einem realen Treffen kommt, kann bei Dating-App-Usern zu einem "Online-Dating-Burnout" oder gar einer Depression führen.
"Hinzu kommt, dass das scheinbare Überangebot zu einer Entscheidungsunfähigkeit bzw. einem 'Fear-Of-Missing-Out-Gefühl' [die Angst, etwas Wichtiges/Besseres zu verpassen; Anm.] führen", ergänzt Psychologin Radler. Hat man das Glück, viele Anfragen zu bekommen, steigt natürlich der Dopaminhaushalt, woraus sich ein Suchtverhalten entwickeln kann.
Speed-Dating: Ein perfekter (Dating-)Spiegel unserer Zeit
Die Folge: Analoges Treffen anstatt ewiges Chatten liegt wieder im Trend. Direkt- statt Onlinekommunikation also. Doch wie datet man am besten in einer schnelllebigen Zeit, in der sogar dem Suchen nach der Liebe ein fixer Platz im Terminkalender eingeräumt werden muss?
Die Antwort ist fast schon logisch: "Speed-Dating" ist so beliebt wie schon lange nicht mehr. "Beim Speed-Dating lernt man in kurzer Zeit Singles in der passenden Altersgruppe kennen, somit ist es eine äußerst effiziente Kennlernmethode und obendrein auch ökonomisch", fasst Karin Pallinger, Geschäftsinhaberin der österreichischen Agentur "City Speed Dating", zusammen.
Was ist Speed-Dating überhaupt?
Ursprünglich kommt diese Art der Partnersuche – nicht überraschend – aus den USA. Ein solches Event, im Grunde eine weiterentwickelte Form des Blind Dates, fand dort das erste Mal 1998 statt. Eine Gruppe von Männern und Frauen (in derselben Anzahl) treffen sich in einem Lokal. Die Altersstufe ist aufeinander abgestimmt. Die Singles haben in der Regel fünf bis acht Minuten Zeit, einander kennenzulernen.
Ist die Zeit um, rückt man zum nächsten "Kandidaten" weiter. Das Bäumchen-Wechsel-Dich-Spiel geht so lange, bis sich alle untereinander kennengelernt haben. Ob es eine Übereinstimmung gab, erfährt man meist am nächsten Tag – in solch einem Fall kommt es zu einem Kontaktdaten-Austausch. Organisiert und moderiert wird jedes Speed Dating-Event von einer darauf spezialisierten Agentur.
Kann Speed-Dating funktionieren?
Aber: Genügen tatsächlich weniger als zehn Minuten, um das Gegenüber gut einschätzen zu können? Geht es nach Studien, durchaus: so entscheiden schon die ersten fünf Minuten – der sogenannte berühmt-berüchtigte "erste Eindruck" – darüber, ob man sich sympathisch ist oder nicht. Sogar, ob man (kein) Interesse an einem Wiedersehen hat.
In diese Kerbe schlägt auch Psychologin Radler: "Der Vorteil von Speed Dating ist, dass man sein Gegenüber nicht nur optisch wahrnimmt und beurteilt. Auch Körpersprache, Stimme und nicht zuletzt Geruch spielen wichtige Rollen in der Partnerwahl." Nachsatz: "Der Nachteil könnte sein, dass man sich zumindest vor Ort 'outen' muss, auf Partnersuche zu sein." Trotzdem gibt sie zu bedenken, dass im Durchschnitt die Erwartungen bei Speed-Dating weniger oft enttäuscht werden als beim Online-Dating.
Der Fokus liegt auf dem Wesentlichen
Natürlich, innerhalb nur weniger Minuten entstehen in der Regel keine philosophischen Diskussionen, auch die politische Weltlage wird meist nicht besprochen. Man beschränkt sich auf das Wesentliche, beinahe wie bei einem beruflichen Vorstellungsgespräch (im Übrigen wird das Konzept des Speed-Datings auch in der Arbeitswelt immer mehr angewandt): Woher kommst du? Hast du bereits Erfahrung mit Speed-Dating? Was machst du beruflich? Wie verbringst du gerne deine Freizeit? Ja, ein Zeitdruck ist da – mit diesem umgehen zu können ist aber sowohl individuell als auch Übung.
"Der Rest ist reine Kopfsache", meint "City Speed Dating"-Chefin Pallinger und rät damit zum Hausverstand. "Wir weisen unsere Teilnehmer bei der Anmeldung darauf hin, auf das Bauchgefühl zu hören. Es spielt auch die generelle Bereitschaft der Teilnehmer eine Rolle, unvoreingenommen sein Gegenüber zu begegnen."
Wer nimmt an Speed-Dating teil?
Ein negatives Stigma haftet Speed-Dating immer weniger an, ist vor allem in Großstädten beinahe nicht mehr vorhanden. Passend sei solch eine Art von Partnersuche vor allem für Personen, "die sich online eher schlecht präsentieren können sowie für Menschen, bei denen die 'Chemie' passen muss beziehungsweise ein attraktives Äußeres alleine nicht entscheidend ist", fasst Psychologin Radler zusammen. "Auch Menschen, die eher keine One-Night-Stands suchen, sind bei Speed-Datings anzutreffen."
Expertin Pallinger weiß Details darüber zu berichten, wer bei Speed-Dating-Events teilnimmt – und wer nicht. "Unsere derzeit jüngste Gruppe – also 26- bis 38- Jährige – ist eindeutig männerlastig", gibt sie zu. Bei den 32- bis 43-Jährigen sowie 36- bis 48-Jährigen sei das Geschlechterverhältnis ausgewogen, bei Gruppen ab 50 Jahren "erfolgen mehr Buchungen von Frauen. Unsere älteste Gruppe (54 bis 66 Jahre) wird nur in Wien angeboten, da es hier weniger Herrenanmeldungen gibt."
Liebe oder Freundschaft?
Zum Schluss natürlich die Frage aller Fragen: Wie erfolgsversprechend ist Speed-Dating wirklich? Pauschal beantworten lässt sich dies natürlich nicht. Laut Pallinger liegt die Matching-Quote von "City Speed Dating" bei circa 83 Prozent. "Das bedeutet, dass mehr als zwei Drittel der Teilnehmer zumindest ein Match hat." Mehr als 86 Prozent der Teilnehmer vergeben ein "Ja" an ihre Dating-Partner, so Pallinger weiter – "was jedoch letztendlich nicht zu einem Match führen muss ...". Immerhin aber gab es auch schon "zahlreiche Hochzeiten", weiß Pallinger zu berichten.
Und wenn man kein Glück hatte, Mr. oder Mrs. Right zu treffen? "Selbst dann verbringt man einen netten Abend mit anderen Singles. Zahlreiche Freundschaften wurden bereits geschlossen", macht Pallinger Mut. "Die Gruppe bleibt noch nach dem Dating gemeinsam sitzen, geht gemeinsam aus, tauscht Kontakte aus, bildet Whats-App-Gruppen. Es gibt Whats-App-Gruppen, die klein gestartet sind, nun aber bis zu 100 Personen umfassen, die sich in der Freizeit regelmässig treffen."
Ob nun Liebe oder Freundschaft, für beides gilt am Ende stets: Kennenlernen mag man sich zwar im Speed-Tempo, langfristig funktioniert's aber nur mit dem Mut zur Entschleunigung.
Wir stellen Ihnen die größten Anbieter von Speed Dating in Wien vor:
City Speed Dating
"City Speed Dating" bietet Events nicht nur in Wien, sondern auch in Graz, Linz und Salzburg an.
Sieben bis zwölf Dates erwarten einem an einem Abend. "City Speed Dating" legt Wert auf Stil, Niveau und persönliches Service. Es wird Wert auf ein dezent-angenehmes, kitschfreies Ambiente gelegt. Die Veranstaltungen finden in ungezwungener Atmosphäre statt.
In Wien werden durchschnittlich zwei bis drei wöchentliche Termine abgehalten, in den Bundesländern circa zweimal monatlich.
SpeedDating XXL
Hier bekommen Partnersuchende die Chance auf bis zu 15 Dates in 120 Minuten – an nur einem Abend! Zum Vergleich: Bei Speed Dating in herkömmlicher Größe lernt man bis zu sieben Personen kennen. Die Chance, den Lebenspartner zu treffen, stehen bei "SpeedDating XXL" also doppelt so hoch.
Ein Date dauert fünf Minuten. Um wiederholende Standardfragen zu vermeiden und den Start ins Gespräch zu vereinfachen, stehen bei jedem Date spannende Fragen als Inspiration zur Verfügung. In einem Teilnehmer-Bogen wird markiert, wen man gerne wiedersehen möchte. Nach einem Event bekommt jeder einen persönlichen Online-Link, wo alle Teilnehmer aufgeführt sind und man die eigene Auswertung eintragen kann.
Socialmatch
Speed Dating der etwas anderen Art: Bei "Socialmatch" lernen Sie in einer Bar (die Location wird einen Tag vorher per Mail bekanntgegeben) neue Leute bei einem eigens kreierten Brettspiel kennen. Bei diesem Spiel handelt es sich um eine Mischung aus Fragen, Aktionsaufgaben und lustiger Unterhaltung, die man alleine oder in Teams meistert. Eine lockere Atmosphäre entsteht also wie von selbst. An diesem "spielerischen" Speed Dating kann man bis zu zwei Freunden/Freundinnen teilnehmen. Die Teilnehmer-Zahl pro Event liegt zwischen sechs und zehn Personen. Auf ein ausgewogenes Geschlechter-Verhältnis wird geachtet.
Slow Dating
Jeder Trend bringt immer auch einen Gegentrend hervor: Beim Speed Dating steht Small Talk im Vordergrund – genau darum soll es beim Slow Dating aber nicht gehen. Zwar hat man auch hier nicht ewig Zeit, das Gegenüber kennenzulernen, aber der Moderator (oder die Moderatorin) gibt ein bestimmtes Thema vor, über das man sich unterhalten kann – und zwar in der Gruppe. Es soll nicht um Oberflächlichkeiten gehen, sondern um Tiefgründiges. Soul-Searching sozusagen.
Die angebotenen Slow Dating-Varianten sind durchaus abwechslungsreich: Da lernt man sich mal beim Karten- und Brettspiel-Spielen kennen, dann wieder völlig im Dunkeln ("Blind Date in the Dark") oder im Rahmen einer Rätselralley. Auch entspannende Kanutouren sorgen für Herzklopfen.
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