Todesfalle Beziehung: Wie man einen gewalttätigen Partner erkennt
Am Anfang ist noch alles schön, rosarot und luftig leicht. Wenn man frisch verliebt ist und die neue Beziehung an ihrem Anfang steht, neigt man dazu, den Partner oder die Partnerin zu idealisieren. Nichts kann schief gehen, nichts kann der andere falsch machen. Oder doch?
Verliebte neigen zu Selbstvergessenheit und zur Nachsicht. Und das kann gefährlich werden.
Der gemeinnützige Verein "Frauen* beraten Frauen*" unterstützt Frauen in einem für den Frühsommer geplanten Workshop dabei, Gefahren am Anfang einer Beziehung zu erkennen und sich sicher durch den Beziehungsstart zu navigieren.
Vorsicht beim Online-Dating
Leider stellt sich manchmal heraus, dass man sich im Partner oder in der Partnerin getäuscht hat. Österreich hat ein massives Problem mit geschlechtsspezifischer Gewalt. Intime Beziehungen können zur (Todes-)Falle werden - vor allem für Frauen.
Laut einer Erhebung der Statistik Austria aus dem Jahr 2022 war jede dritte Frau in ihrem Leben von sexueller und/oder körperlicher Gewalt betroffen. Mehr als 16 Prozent der 18- bis 74-jährigen Frauen erleben oder erlebten Gewalt durch Intimpartner. Im Jahr 2023 gab es laut den Autonomen Österreichischen Frauenhäusern 25 Femizide.
Die beiden psychosozialen Beraterinnen Anica Popović und Johanna Enzendorfer haben den Workshop "Selbstbestimmt (und) in Beziehung. Durch Anfänge von Liebesbeziehungen navigieren" entwickelt, um Frauen für negative Beziehungsdynamiken, Gefahren und Selbstbestimmung zu sensibilisieren. Doch worauf müssen Frauen achten und wo liegen die Gefahren in der rosarote-Brillen-Phase?
Am Anfang steht das Kennenlernen. Dies geschieht heutzutage jedoch häufig via Apps und beginnt somit schon vor dem eigentlichen Kennenlernen an.
Durch die Dating-Plattformen haben sich in unserer aller Dating-Verhalten neue Möglichkeiten, aber auch Unsicherheiten und Gefahren eingeschlichen. "Beim Online-Dating sollte man sich einige Punkte bewusst machen, etwa dass man in dieser Situation eigentlich zu Dritt ist: Ich, die Person am Screen und der Algorithmus. Der Algorithmus, schlägt vor, mit wem ich Kontakt haben kann, die Auswahl ist also nicht so frei, wie man meint", erklärt Enzendorfer im KURIER-Gespräch.
Negative Vorzeichen erkennen, Pause machen
"Gerade beim Online-Dating entwickelt sich oft die Dynamik, wo sich alles enorm beschleunigt. Warnzeichen sind, etwa wenn Bedürfnisse, die ich spüre und geäußert habe, ignoriert werden. Oder, wenn Druck ausgeübt wird, dass alles schnell gehen muss". Die Empfehlung der Expertin: Die Kommunikation sollte dann bewusst entschleunigt werden oder man legt eine Pause ein. "Akzeptiert das Gegenüber die Pause nicht, ist das ein Anzeichen, dass es auch in einer Beziehung Grenzen nicht respektiert werden".
Zudem solle man sich über die eigenen Motive gewahr sein. Das helfe, die Motive des Gegenübers zu erkennen, so die Beraterin.
Stichwort Kommunikation: Es sei wichtig zu erkennen und zu kommunizieren, wenn eine Forderung oder Aussage des Anderen zu schnell oder zu weit gehe. Und: "Vorsicht beim Versenden von Fotos, Videos oder der Preisgabe heikler Daten, wie der Adresse", sagt die Beraterin.
Nächster Schritt: Das erste Treffen
Es gibt einige Dinge, die Frauen präventiv zum eigenen Schutz beim ersten Date tun können. So ist etwa die Wahl der richtige Ortes wichtig. "Wählen Sie einen öffentlichen Ort". Wichtig sei es, sich zu überlegen, wo man sich treffen möchte: Ist es ein Ort, an dem ich mich wohlfühle? Oder sollte ich einen Ort wählen, an dem ich nie bin, damit man ihm oder ihr später nicht ungewollt begegnet.
"Informieren Sie eine Vertrauensperson, wen Sie wo wann treffen. Vereinbaren Sie einen Kontrollanruf, damit Ihre Vertrauensperson weiß, dass alles in Ordnung ist. Gehen Sie auf die Toilette. So haben Sie die Möglichkeit, sich aus der Situation zu entfernen, wenn nötig".
Und: "Überlegen Sie, ob Sie eine Vertrauensperson erlauben, Sie für die Dauer des Treffens am Handy zu tracken", sagt die Expertin. Das ist allerdings nur im Rahmen des Schutzes gedacht. Manchmal wird das Tracken im Sinne von Gewalt, Kontrolle und Macht missbraucht.
Erwartungen reflektieren
Jeder hat ein Dating-Script. Was wie eine Gebrauchsanweisung klingt, ist eigentlich eine Art soziale Programmierung für das persönliche Dating-Verhalten - und zwar im negativen Sinn. Die Dating Scripts sind "internalisierte Abläufe, wie das Kennenlernen und Dating ablaufen sollte", sagt Enzendorfer.
Allerdings beruhe es auf stereotypischen Abläufen und Erwartungen: verabreden, unterhalten, küssen, zusammen nach Hause gehen, sich ausziehen, sexueller Kontakt. Wenn man sich nicht bewusst sei, dass das Kennenlernen einvernehmlich abzulaufen habe, könne Druck entstehen: Etwa: "Wenn bei dem Date eine Person die Rechnung bezahlt, kann das Gefühl entstehen, dass man jetzt eine Gegenleistung schuldig ist. Zum Beispiel ein Kuss oder noch weiter mitzugehen oder mit nachhause zu gehen", sagt Enzendorfer.
Rote Flaggen am Beziehungsanfang
Nächste Phase: Der Beginn einer Beziehung. Aus dem Kennenlernen entstehen mehrere Treffen, eine Beziehung entwickelt sich. Woran erkennt man, dass die Beziehung eine ungesunde Dynamik entwickelt?
"Die meisten Frauen spüren sehr schnell, dass etwas nicht stimmt. Hören Sie auf Ihre Intuition. Ein schlechtes Bauchgefühl ist das erste Anzeichen, dass etwas nicht stimmt und das irrt sich nicht", rät die psychosoziale Beraterin. "Einige Partner versuchen einem dann einzureden, dass man sich täuscht. So entstehen Zweifel am eigenen Gefühl".
Ein Tipp von der Beraterin: Bei Verdacht mit einer Vertrauensperson sprechen oder psychosoziale Beratung in Anspruch nehmen.
Wie erkennt man einen gewalttätigen Partner:
"Physische und psychische Gewalt kann ineinander übergehen, sich abwechseln, parallel passieren", sagt Enzendorfer. Und Facetten der psychischen Gewalt können sichtbar und weniger sichtbar sein.
Erkennen könne man einen (psychisch) gewalttätigen Partner etwa, wenn dieser versucht, die eigene Freiheit einzuschränken, Sie isoliert, soziale Kontakte untersagt oder zu kontrollieren versucht; wenn dieser Ihre Wahrnehmung infrage stellt und Sie verunsichert; wenn dieser Sie erniedrigt, ihren Körper oder Persönlichkeit entwertet. (Möglicherweise auch in Anwesenheit anderer; wenn dieser droht, er liebe Sie nicht mehr, wenn Sie ihm einen Wunsch nicht erfüllen; wenn geäußerte Bedürfnisse nicht anerkannt werden und etwa; wenn dieser Social-Media-Passwörter teilen möchte. "Es wird als Beweis der Liebe geäußert, dabei ist das genau das Gegenteil", erklärt Enzendorfer
Sichtbarer wird psychische Gewalt bei digitalem Stalking, bildbasierter sexueller Gewalt oder online Erniedrigungen.
24h-Frauennotruf der Stadt Wien: https://www.wien.gv.at/menschen/frauen/beratung/frauennotruf/index.html
Beratungsstelle der Wiener Frauenhäuser: https://frauenhaeuser-wien.at/beratungsstelle/
Gewaltschutzzentrum Wien: https://www.gewaltschutzzentrum.at/wien/
ZARA #Gegen Hass im Netz: https://zara.or.at/de/beratungsstellen/GegenHassimNetz
Frauen* beraten Frauen*: https://frauenberatenfrauen.at/
Anonyme datensichere Onlineberatung: https://frauenberatenfrauen.assisto.online
Wie kann ich mich schützen?
"Gewalt ist verboten und auch der digitale Raum ist nicht rechtsfrei", erklärt Enzendorfer. Frauen sollten daher Ihre Rechte kennen. "Es gibt Beratungsangebote, im Falle einer Anzeige eventuelle eine Prozessbegleitung und auch Dokumentationsbegleitung bei Übergriffen".
Stichwort Dokumentation:
"Bei digitalen Übergriffen, etwa Dickpics reicht ein Screenshot, bei dem die Meta-Daten ersichtlich sind; also Datum, Uhrzeit, Plattform (etwa Whatsapp, Instagram etc. ) und der Name/Nummer", sagt die Beraterin von Frauen* beraten Frauen*, die mit ihrem Team noch weitere Seminare und Beratungen für Frauen anbieten.
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