Mit seinem Konzept, die Suche nach Liebe ausschließlich auf den ersten Eindruck der äußerlichen Attraktivität zu reduzieren, hat Tinder den Online-Dating-Markt revolutioniert.
Dabei ist die Partnersuche im Netz ein Thema, seit es das Internet überhaupt gibt. Zwar bestehen auch heute noch erfolgreiche, klassische Partnerbörsen wie Parship oder Elitepartner, die ihre Mitglieder zunächst einen ausführlichen Fragenkatalog ausfüllen lassen und ihnen dann automatisch passende Singles vermitteln wollen. Weil deren Dienste aber eine kostenpflichtige Mitgliedschaft voraussetzen, ist der Altersschnitt hier höher, die Nutzerzahlen aber gleichzeitig deutlich geringer als bei der direkt für das Smartphone konzipierten Konkurrenz.
Parship gehört ebenso wie Elitepartner, das vor allem Singles mit akademischem Abschluss ansprechen soll, einer Tochterfirma der ProSiebenSat.1-Mediengruppe. Das deutsche Konglomerat ist außerdem für sechs weitere Plattformen verantwortlich, am bekanntesten dürfte mit knapp 1,9 Millionen aktiven Nutzern wohl Lovoo sein.
Die App funktioniert im Grunde ähnlich wie Facebook oder Instagram: Nutzer können öffentlich Bilder posten und bei Beiträgen anderer auf „Gefällt mir“ klicken. Außerdem werden Singles in näherer Umgebung vorgeschlagen, mit denen man direkt in Kontakt treten kann.
Im Vergleich dazu wirkt das Konzept von Tinder regelrecht stumpf, beinahe einfallslos. Durch ihre Oberflächlichkeit reduziert die App die Partnersuche auf ein fast schon instinktives Niveau, der Druck, aufgrund von Charaktertests oder Fragenkatalogen Seelenverwandte finden zu müssen, fällt weg. Gleichzeitig nutzt Tinder einige spielerische Elemente: Die einfache Bedienung eignet sich perfekt, um für ein paar Minuten zwischendurch hin- und herzuwischen – das Suchtpotenzial ist somit enorm. Kein Wunder, dass es seither unzählige Portale gibt, die diese Funktionsweise weitestgehend übernommen haben.
Auch die große Nummer Zwei unter den Dating-Apps, Bumble, erinnert stark an den Branchenführer. Die vor allem zu Beginn oftmals als „feministisches Tinder“ bezeichnete App wurde 2014 von der ehemaligen Tinder-Gründerin Whitney Wolfe ins Leben gerufen. Inzwischen verzeichnet sie mehr als 40 Millionen aktive Nutzer.
Der einzige Unterschied zu Tinder besteht darin, dass nach einem „Match“ zwischen Mann und Frau nur die Frau das Gespräch beginnen kann. Somit sollen unangenehme Nachrichten von Männern erspart bleiben, was auf Tinder, wo drei von vier Nutzern männlich sind, ein großer Kritikpunkt ist.
Leider gibt ein großes Dilemma, das alle Datingplattformen mit sich bringen: Das Ziel der Nutzer, einen Partner zu finden, widerspricht in Wahrheit ihrem Geschäftsmodell. Denn sie profitieren ja davon, wenn die Singles möglichst lange weitersuchen.
Wohl auch deshalb hat Tinder im Verlauf der Jahre einige neue, kostenpflichtige Funktionen hinzugefügt. So kann man inzwischen nicht mehr unbegrenzt durch die Single-Welt wischen, stattdessen gibt es ein Tageslimit. Für einen monatlichen Fixpreis (der je nach Nutzer variieren kann) lässt es sich aufheben. Gerade in Zeiten der Pandemie ging das Konzept auf, denn viele Nutzer konnten einander während der weltweiten Ausgangsbeschränkungen nicht treffen – und "tinderten" somit weiter. Auch gegen die Langeweile.
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