Klimaproteste am Neusiedler See: Traktoren werden B50 blockieren

Der Strandabschnitt bei Jois im Jahr 2019: Damals stand das Wasser um 40 Zentimeter höher (Stand 28. April).
Für Mai sind zwei Protestaktionen geplant. Derweil wird am Strand gefeiert und zwei Nationalparks kooperieren. Außerdem gibt es eine neue Online-Plattform.

Der Neusiedler See steht derzeit als eines der ersten sichtbaren Zeichen der Veränderung durch den Klimawandel besonders im Fokus. An diesem Wochenende sogar noch mehr, hat doch am Freitag das bis 7. Mai dauernde See Opening begonnen. 

Angesichts der - trotz des verregneten Aprils - zunehmenden Trockenheit stellt sich allerdings die Frage nach der Zukunft des Steppensees.

Im folgenden Artikel lesen Sie:

  • Wie beim See Opening gefeiert wird
  • Welche Protestaktionen im Mai geplant sind
  • Warum das Burgenland mit dem Nationalpark niedersächsischen Wattenmeer kooperiert
  • Was bei der Podiumsdiskussion am Freitag besprochen wurde
  • Wie Betroffene aus der Region auf die Veränderungen reagieren

Mehr dazu: Warum das seichte Wasser für die Surfer beim See Opening kein Problem ist

Zum Start des See Openings am Freitag lagen die Temperaturen zwar weit unter den Erwartungen der Veranstalter, waren aber immerhin noch die wärmsten im Vergleich zum Rest von Österreich. Zumindest etwas besser lauten die Prognosen für die kommenden Tage, da kann das Thermometer mit etwas Glück sogar leicht über die 20-Grad-Marke klettern.

Dabei hat es das Wetter in den vergangenen Aprilwochen eigentlich sehr gut gemeint mit der Region Nordburgenland. Zumindest in Sachen Wasserstand. Der ist nämlich dank der zum Teil ausgiebigen Niederschläge um zehn Zentimeter gestiegen und befindet sich damit nur noch etwa 20 Zentimeter unter jenem des Vorjahres.

"Klimaproteste": B50 wird blockiert

Eine Trendumkehr ist das regnerische Aprilwetter angesichts der zunehmenden Folgen des Klimawandels freilich noch lange nicht. Dessen sind sich auch die Menschen in den Gemeinden rund um den Neusiedler Sees bewusst. In Jois wird deshalb am 9. Mai zu einer Demonstration für die Rettung des Neusiedler Sees aufgerufen. 

Mehr dazu: Wie mit dem Regen das Leben in den Seewinkel zurück kehrt

„Auch der Bund muss aktiv werden, um die Region vor dem Verlust der Lebensqualität zu bewahren“

von Johann Steurer

Bürgermeister Jois, ÖVP

Die Kommune rund um Bürgermeister Johann Steurer (ÖVP) befürchtet, dass der See, sollte er einmal ausgetrocknet sein, nicht zuletzt aufgrund des Klimawandels nicht mehr zurückkehrt. Sie fordern von Land und Bund rasche Maßnahmen, um das zu verhindern. Eine entsprechende Resolution wurde im Gemeinderat beschlossen.

Mehrere Traktoren sollen am 9. Mai die Burgenland Straße (B50) durch Jois blockieren, um auf das Thema aufmerksam zu machen und vor einer Austrocknung des Sees zu warnen.

Mehr dazu: Warum der Welterbe-Status des Neusiedler Sees im Herbst in Gefahr ist

„Abgesehen vom Land muss auch der Bund endlich aktiv werden, um das Nordburgenland vor dem Verlust der Lebensqualität, Massenabwanderung sowie seiner einzigartigen Tier- und Pflanzenwelt zu bewahren“, betonte Bürgermeister Steurer, der auch von einer „drohenden Umweltkatastrophe“ sprach.

Rudern und Paddeln für den See

Das ist aber nicht die einzige Protestaktion, die im Mai geplant ist. Denn auch bei der "Lakemania 2023" am Pfingstsonntag, den28. Mai, werden sich viele Wasser(sport)freunde unter dem Motto "Rudern und Paddeln für den Neusiedler See Fertö" in die Riemen legen. Das Anliegen der Organisatoren: "Der Öffentlichkeit einen wunderschönen Steppensee zeigen, den es zu schützen gilt."

Mehr dazu: Wie das Wasser in den Neusiedler See gelangt und wieder verschwindet

Darauf zielt auch die Resolution des Joiser Gemeinderates ab. Außerdem fordert die Kommune, dass die Seegemeinden mehr eingebunden werden und die Kommunikation über Bundeslandgrenzen hinweg verbessert wird. Neben dem Land soll sich auch der Bund um den Neusiedler See bemühen und diesen mit Experten zur „Chefsache“ machen, so die Gemeinde. Auch die EU könne aktiv werden.

"Dunkler Vorbote, was dem Neusiedler See droht"

„Wir müssen aus der Geschichte und den klimatischen Gegebenheiten die richtigen Schlüsse ziehen und auf allen Ebenen rasch ins Handeln kommen“, meinte Steurer. Am Zicksee habe man bereits gesehen, was dem Neusiedler See drohe, ergänzte Gemeindevorstand Sascha Krikler (ÖVP): „Das Massensterben mit Tonnen an toten Fischen und der Zusammenbruch des Ökosystems rund um den Zicksee sind ein dunkler Vorbote, was in einem weit gigantischeren Ausmaß dem Neusiedler See droht.“

Mehr dazu: In diesen Gewässern droht ein Fischsterben

Noch eine Nummer größer sind die drohenden Auswirkungen auf andere Ökosysteme, wie beispielsweise dem niedersächsischen Wattenmeer. Der namensgleiche Nationalpark und das burgenländische Pendant, der Nationalpark Neusiedler See - Seewinkel haben jetzt im Rahmen der diesjährigen pannonian Bird Experience eine Kooperationsverbeinbarung unterzeichnet. 

Trotz der beachtlichen Entfernung seien die beiden Regionen durch eine naturräumliche Verbundenheit geprägt, sagte dazu Landeshauptmann-Stellvertreterin Astrid Eisenkopf (SPÖ).

Mehr dazu: Neues Warnsystem für den Neusiedler See

Unterzeichnet wurde der Vertrag von Peter Südbeck, Leiter der Nationalparkverwaltung Niedersächsisches Wattenmeer, und dem Direktor des Nationalpark Neusiedler See – Seewinkel, Johannes Ehrenfeldner. Neben Eisenkopf nahm auch der Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Österreich, Michael Klor-Berchtold, daran teil.

Klimaproteste am Neusiedler See: Traktoren werden B50 blockieren

Bürgermeister Maximilian Köllner (Illmitz),  Astrid Eisenkopf, Peter Südbeck, Johannes Ehrenfeldner und S.E. Michael Klor-Berchtold (v.li.).

"Wir stehen vor zwei großen Herausforderungen. Zum einen dem Klimawandel und dessen Auswirkungen, zum anderen dem weltweiten Verlust an Biodiversität. Hier setzen die Nationalparks an", betonte Nationalparkdirektor Johannes Ehrenfeldner. Eine der Hauptaufgaben bei der Partnerschaft werde es sein, die Jugend für das Leben mit der Natur zu begeistern.

Peter Südbeck, Leiter der Nationalparkverwaltung Niedersächsisches Wattenmeer sieht vor allem das Potenzial, das in dieser neuen Kooperation liegt: „Die Zusammenarbeit ist weit mehr als die Summe der einzelnen Teile. Durch die fachlichen und naturräumlichen Ähnlichkeiten finden wir Synergien bei vielen Fragen des Nationalparkmanagements, unter anderem auch bei der Forschungs- und Monitoring-Agenda.“

Beide Nationalparke verbindet ihre besondere Wertigkeit und Bekanntheit als „Vogel-Nationalpark“. Gemeinsame Arten sind zum Beispiel Seeregenpfeifer, Säbelschnäbler, Löffler und Graugans. Beiden Gebieten sind als UNESCO-Welterbestätte anerkannt, wobei beide jeweils Teil eines grenzüberschreitenden Welterbes sind. Zudem sind sie im Sinne der Ramsar-Konvention als Feuchtgebiete internationaler Bedeutung gelistet.

Weißbuch: "Das Ende des Neusiedler Sees"

Passend zum Thema fand am Freitagnachmittag eine Podiumsdiskussion zum neuen Weißbuch "Das Ende des Neusiedler Sees? Eine Region in der Klimakrise. Herausforderungen. Perspektiven. Lösungen" im Weingut Esterhazy in Trausdorf statt.

Nach der Begrüßung durch Stefan Ottrubay, Direktionsrat der Esterhazy Privatstiftung, moderierte Martin Ganster die Veranstaltung. Zum Thema Wasser waren Christian Sailer, Leiter der Task Force und Leiter der Abteilung Gewässer, Gewässerökologe Georg Wolfram und Alois Lang, Autor und Herausgeber des Weißbuchs. In einer weiteren Runde sprachen der Tadtener Landwirt David Goldenits, Frank Schindler, Geschäftsführer des Weingut Esterhazy, und abermals Lang über die Auswirkungen der aktuellen Entwicklungen.

Neue Online-Plattform

Zentrales Thema war die neue Online-Plattform, die von den Herausgebern des Buches ins Leben gerufen wurde. Sie soll nicht nur Fachleute zu Wort kommen lassen, sondern auch zur Diskussion einer Region über ihre eigene Zukunft als „Patient Zero“ der Klimakrise anregen, betonten Christian Janisch, Alois Lang und Bibi Watzek am Freitag.

Mit der Webseite zukunft-neusiedler-see.at soll das Buch, ein Nachschlagewerk rund um den Neusiedler See, weitergeführt werden. Die Autoren und Fachleute sollen so auf aktuelle Entwicklungen oder Fragen aus der Bevölkerung eingehen können und Themen beleuchten, die in ihren Augen zu kurz kommen.

„Das Buch selbst, das war uns klar, kann nur der Beginn sein“, sagte Christian Janisch von den Esterhazy Betrieben. „Der Klimawandel ist schon da. Er lässt sich nicht mehr aufhalten.“ Die Region müsse nun gemeinsam in die Zukunft gehen.

Mehr dazu: Dem Osten geht das Wasser aus

Kurzfristige Entspannung hat der Regen der vergangenen Wochen gebracht, erläuterte Karl Maracek, Referatsleiter für Hydrographie im Amt der burgenländischen Landesregierung. Der Wasserstand stieg um zehn Zentimeter auf 115,1 Meter über Adria. Der Abstand zum ohnehin schon schlechten Vorjahr halbierte sich dadurch und liegt nun bei zehn Zentimetern. Den tagesaktuellen Stand finden Sie beim Wasserportal Burgenland.

Grundwasser fehlt ein Meter auf Durchschnitt

Problematisch ist neben dem See aber auch das Grundwasser im Seewinkel, meinte Öko-Tourismusmanager Lang. Diesem fehle mehr als ein Meter auf die Durchschnittswerte. Ein Ansatz, um für Entspannung in der von Trockenheit belasteten Region zu sorgen, ist, Wasser in den Gräben, die eigentlich zur Entwässerung errichtet wurden, zu stauen und in der Region zu halten. Damit sollen auch die Lacken, die noch existieren, geschützt werden.

Dem See wiederum soll per Zuleitung geholfen werden. Eine solche sei grundsätzlich möglich, offene Fragen gebe es noch zu möglichen Schadstoffen im zugeführten Fremdwasser sowie dazu, ob man damit fremde Arten in den See bringe, die sich dort ansiedeln, meinte Hydrologe Georg Wolfram.

"Der Mensch ist am wenigsten flexibel"

Den Öko-Tourismus in der Region sieht Lang jedenfalls nicht gefährdet. Die Vogel- und Pflanzenwelt im Seewinkel sei artenreich. „Solche dramatischen Änderungen, dass es bei uns nichts mehr zu erleben und zu sehen gibt, kann ich mir derzeit nicht vorstellen.“ Die Auswirkungen der Veränderungen in der Region auf die Tiere, kommentierte Lang launisch: „In der Tierwelt ist sicher der Mensch die Art, die am wenigsten flexibel ist.“

Von der Trockenheit betroffen ist auch die Landwirtschaft, die sich nach und nach an die neuen Gegebenheiten anpasst, betonte Franz Trautner von Bio Austria. Wichtig sei es, Wasser effizient einzusetzen und Kulturen anzubauen, die wenig brauchen. So gibt es im Seewinkel etwa Oliven, Ingwer und Kurkuma. Qualitätswein brauche gar keine Bewässerung, erläuterte Frank Schindler, Geschäftsführer des Weinguts Esterhazy. Wein für den Alltag, den es um 6,50 Euro im Supermarkt gibt, aber schon. Ganz könne man auf Bewässerung keinesfalls verzichten, meinte Trautner: „Ohne Wasser gibt es kein Leben.“

Kommentare