Durststrecke: Dem Osten Österreichs geht das Wasser aus
Bisher war es in Österreich undenkbar, dass es an Trinkwasser mangelt. Düstere Prognosen für das kommende Frühjahr lassen bei den Gemeinden und Wasserversorgern allerdings Nervosität aufkommen. Heuer droht in der warmen Jahreszeit in Teilen Ostösterreichs eine noch nie da gewesene Wasserknappheit.
Ähnlich wie im Vorjahr in Italien ist bereits davon die Rede, das kostbare Gut zu rationieren. Südlich von Wien ist die riesige unterirdische Grundwasserblase der Mitterndorfer Senke nämlich auf einen historischen Tiefststand gesunken.
Zwölf Meter und 30 Zentimeter. So weit liegt der Grundwasserpegel im Raum Wiener Neustadt unter dem bisherigen Höchstwert von September 1965. Besonders dramatisch wird das Ausmaß der Katastrophe auf den vielen Grundwasser- und Badeseen im südlichen Wiener Becken bis ins Nordburgenland. Vom sonst so idyllischen blauen Nass ist nur eine ausgetrocknete Schotterwüste übrig geblieben. „Sollte es bis zum Sommer nicht extreme Niederschlagsmengen über einen langen Zeitraum geben, haben wir heuer ein veritables Problem mit der Versorgung“. Franz Gartner ist Obmann des Wasserverbandes Südliches Wiener Becken. Die darin zusammengeschlossenen Gemeinden und Wasserversorger sind Herr über das Grundwasservorkommen der Mitterndorfer Senke und die Versorgung von knapp 480.000 Einwohnern.
Fall ins Bodenlose
Erholt sich der Grundwasserspiegel nicht rasch, sitzen wichtige Brunnenanlagen speziell im Nordburgenland bald auf dem Trockenen. Im betroffenen Gebiet macht allein die Wortwahl hellhörig: Die Lage sei „extrem außergewöhnlich“, sagt Helmut Herlicska, Technik-Chef des Wasserleitungsverbandes Nördliches Burgenland (WLV), zum Fall des Grundwassers ins Bodenlose.
Die Mitterndorfer Senke ist einer der größten unterirdischen Grundwasserspeicher Europas. Aus dem Wasservorkommen werden Hunderttausende Bewohner des Wiener Beckens und des Nordburgenlandes mit Trinkwasser versorgt.
40 Kilometer lang ist der tektonische Graben der Senke, der von Neunkirchen bis Mitterndorf-Moosbrunn in NÖ reicht. Der Grabenbruch füllte sich in der Eiszeit mit Schottermassen im Wiener Becken. Der Trog, der von dem Wasser durchströmt wird, ist zwei bis acht Kilometer breit und bis 150 Meter tief.
Kein Wasser im Swimmingpool
Die Versorgung der Haushalte sei zwar gesichert, aber für den Sommer könne er „nicht ausschließen, dass es Empfehlungen zur Zurückhaltung“ geben wird. Grundsätzlich rechnet Gartner mit klaren Einschränkungen im Krisengebiet. Die Rede ist von Verboten, was das Befüllen von Swimmingpools, die Gartenbewässerung oder das Autowaschen anbelangt.
Der WLV ist Österreichs viertgrößter Wasserversorger und beliefert 66 Gemeinden in den drei nordburgenländischen Bezirken Neusiedl am See, Eisenstadt Umgebung und Mattersburg. Weil Meteorologen und Klimaforscher ein düsteres Bild insbesondere für die Ostregion malen, überlegt der Verband dringend Maßnahmen, um die Wasserversorgung langfristig abzusichern. Dazu zählt das größte Erkundungs- und Erschließungsprogramm in der bald 70-jährigen Verbandsgeschichte. Außerdem setzt man auf verstärkte Zusammenarbeit mit den Nachbarn aus Niederösterreich. Bei einer Krisensitzung vor wenigen Tagen wurde auch das Zugriffsrecht auf das Vorkommen im Nachbarbundesland besprochen.
Analog zu einer schon seit Jahren bestehenden Verbindungsleitung nach Wiener Neustadt, soll nun auch eine in die Stadt Baden geführt werden – da wie dort geht es ums gegenseitige Aushelfen bei Wasserknappheit.
Leitung in die Kurstadt
Die Leitung zwischen der Kurstadt und Neufeld/Leitha könnte aber frühestens im Sommer 2024 in Betrieb gehen. „Wir brauchen eine kluge wasserwirtschaftliche Planung und Abstimmung in der Region“, merkt Herlicska grundsätzlich an. Denn: „Die Nutzungskonflikte ums Wasser nehmen zu“. Je trockener es wird, umso größer ist der Wasserbedarf in der Landwirtschaft, erklärt Gartner, es gehe um Millionen Liter. „Grundsätzlich wird man in Zukunft klären müssen, wer genau wie viel Wasser entnehmen darf“, sagt der Obmann.
Laut Marc Olefs, dem Leiter der Abteilung Klima-Folgen-Forschung von Geosphere Austria, ist „die Hitze bereits jetzt die tödlichste Naturgefahr in Österreich“. Die Klimaerwärmung verstärke Wetterextreme wie lange Hitzeperioden und niederschlagsarme Sommer.
Waldbrand-Gefahr: Keine Entspannung
Vereinfacht ausgedrückt ist es speziell in den östlichen Bundesländern Wien, Niederösterreich und dem Burgenland seit Jahren überdurchschnittlich heiß, mit viel zu geringen Niederschlagsmengen.
Von den Wetterextremen ist nicht nur das Grundwasser betroffen. Die massive Trockenheit hat im Vorjahr zu einem Negativrekord von 217 Waldbränden geführt – der höchste Wert seit 20 Jahren. Laut Untersuchungen von Waldbrandspezialisten der Universität für Bodenkultur Wien (Boku) wurden im Vorjahr rund 550 Hektar ausgetrockneter Waldböden von Flammen vernichtet. Die Rede ist vom höchsten Wert seit mehr als einhundert Jahren. Verantwortlich waren dafür vor allem drei Großbrände auf niederösterreichischen Truppenübungsplätzen des Bundesheeres.
Die extreme Lage hat dazu geführt, dass in besonders betroffenen Gebieten in mehreren Bezirken Niederösterreichs selbst über die Wintermonate strenge Waldbrandverordnungen gelten. Wer in den Gefährdungszonen Feuerstellen entzündet oder eine Zigarette wegwirft, muss mit empfindlichen Strafen rechnen. Ein Verstoß wird mit Verwaltungsstrafen von bis zu 7.270 Euro geahndet.
Ersehnter Regen
Die Waldbrandgefahr und die angespannte Grundwassersituation kann sich nur durch lang anhaltenden Dauerregen verbessern. Die Anreicherung des Grundwasserkörpers im südlichen Wiener Becken erfolgt laut Hydrologen maßgeblich über die Versickerung von Oberflächenwasser. Erhebliche Auswirkungen hat auch der Umfang der Schneeschmelze. Bleiben große Regen- oder Schneemengen aus, erholt sich der Stand nicht. Laut dem obersten Hydrologen des Landes, Martin Angelmaier, waren die Pegelstände im Raum Wiener Neustadt aber schon immer von großen Schwankungen geprägt.
Für Klimaforscher Marc Olefs von Geosphere Austria ist wissenschaftlich belegt, dass die Erderwärmung erheblichen Einfluss auf Katastrophen bringende Wetterphänomene hat. Die Durchschnittstemperatur in Österreich ist seit Beginn des Industriezeitalters um 2 Grad gestiegen und damit um ein Grad höher als der globale Anstieg.
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