In diesen heimischen Gewässern ringen Fische um Sauerstoff
Die Szenen, die sich in St. Andrä am Zicksee (Bezirk Neusiedl am See) abgespielt haben, hätte kaum jemand für möglich gehalten. 30 Tonnen Fische wurden von Hobbyfischern aus der nur noch wenige Zentimeter tiefen Seewinkel-Lacke geholt und in Tanks zu umliegenden Teichen gebracht.
„Gestandene Männer standen fassungslos mit Tränen in den Augen da und konnten es nicht glauben. Die Stimmung war eine Mischung aus Wut und Unverständnis“, erzählt Fotograf Manuel Grafenauer, der die Rettungsaktion vergangene Woche mit seiner Kamera festgehalten hat. Der Gestank sei kaum auszuhalten gewesen, sagt er. Nach Schätzung von Andreas Sattler, des Bürgermeisters von St. Andrä, am Zicksee, sind bis zu 1.000 Fische verendet.
Nach dieser dramatischen Rettungsaktion wurde am Wochenende auch erstmals über ein Fischsterben im Neusiedler See berichtet. Bei Weiden am See und Illmitz mussten verendete Tiere von Berufsfischern entfernt werden.
Zu Wochenbeginn hat sich die Lage, nach einer kühleren Nacht, wieder etwas entspannt. Leopold Krenn, Obmann des Fischereiverbandes Neusiedler See, sagt im Gespräch mit dem KURIER, dass am Montag keine nennenswerten Mengen von toten Fischen gesichtet worden seien. Insgesamt beurteilt Krenn die Situation als „noch nicht tragisch, aber bedrohlich“.
Zander in Not
Rund 30 verschiedene Fischarten tummeln sich in Österreichs einzigem Steppensee, darunter beliebte Speisefische wie Zander, Wels und Karpfen (siehe Infobox oben). Einige von ihnen haben mit der Hitze und dem extrem niedrigen Wasserstand besonders zu kämpfen. „Dem Zander geht es nicht gut, aber dem Sichling geht es noch schlechter“, berichtet Krenn, der auf fünf Jahrzehnte als Berufsfischer verweisen kann. Beim Sichling handelt es sich um einen „Massenfisch“ im Neusiedler See, der vor allem dem Zander als Nahrung dient.
Aufgrund des niedrigen Wasserstandes können sich die Fischarten, die kühleres Nass bevorzugen, nicht mehr in tiefere Wasserschichten zurückziehen. „Die kalte Schicht fehlt, die Fische sind im Dauerstress“, fasst Krenn die Misere zusammen. Erschwerend hinzu komme ein Mangel an Sauerstoff: „Am Boden bilden sich Algenfladen, das ist ein Zeichen dafür, dass dort fast kein Sauerstoff ist.“
Im Neusiedler See leben 30 unterschiedliche Fischarten. Neben heimischen Speisefischen wie Hecht und Wels sind darunter auch mehrere Fischarten, die ursprünglich aus anderen Gewässern stammen und im Neusiedler See ausgesetzt wurden.
Der Sichling
Besonders bedroht von der aktuell hohen Wassertemperatur im See ist der Sichling (Bild links, auch „Ziege“ genannt). Es handelt sich um einen karpfenartigen Weißfisch, der vermutlich aus dem Donaudelta in den Neusiedler See eingeschleppt wurde. Er dient vor allem anderen Fischen wie dem Zander als Nahrung.
Der Zander
Während der Sichling auf dem Speiseplan des Zanders (Bild rechts) steht, erfreut sich dieser auf den Speisekarten Pannoniens großer Beliebtheit. Der Zander gehört zur Familie der Barsche und ist der größte „Barschartige“ Europas, der im Süßwasser lebt.
Der Aal
In den 1950er-Jahren wurde der Aal erstmals im Neusiedler See ausgesetzt. Da Aale hier nicht heimisch sind und sich auch nicht vermehren, mussten immer wieder Jungaale im Neusiedler See ausgesetzt werden
Berufsfischer
Vor 50 Jahren lag die Zahl der Berufsfischer noch bei 53, heute sind es elf.
Massensterben
In der Vergangenheit sind mehrmals alle Fische im Neusiedler See verendet; zuletzt 1929, als der See bei niedrigem Wasserstand bis zum Boden zugefroren ist. Sollte der Winter kalt werden, droht ein ähnliches Szenario: Mit 115 Meter über Adria ist der Wasserspiegel auf dem tiefsten Wert seit Beginn der Aufzeichnungen 1965.
Ein Engpass bei Speisefisch aus dem Neusiedler See bestehe trotz alledem derzeit nicht, beruhigt der Obmann des Fischereiverbandes: Es gebe noch genug Reserven im Tiefkühl-Lager und man hoffe auf baldigen Niederschlag. „Wir können nur hoffen. Hoffentlich artet das nicht zu einer Katastrophe aus“, sagt Krenn.
Vor dem Scheideweg
Nicht nur im Neusiedler See kämpft der burgenländische Fischbestand mit dem Wetter, auch im Landessüden droht Ungemach. Seit 110 Jahren existiert in Güssing eine von ungarischen Teichbauern angelegte Teichanlage. 1934 kaufte die Familie Hoffmann das 90 Hektar große Areal und züchtet seitdem Hechte, Zander, Welse, Weißfische und Karpfen. Was mittlerweile fast 90 Jahre lang gelang, steht in den nächsten Wochen vor dem Scheideweg.
Doch es fehlt dem künstlich angelegten Teich nicht an Wasser, wie die Teichwirtschaft Hoffmann versichert, sondern an Abkühlung. „Aktuell ist die Lage noch gut, aber ab der nächsten Woche wird es kritisch. Die Wassertemperatur ist zu hoch“, heißt es auf KURIER-Nachfrage.
Momentan laufe die Zucht im Hochbetrieb, im Oktober soll abgefischt werden. Dass in den Sommermonaten nicht vermarktet wird, lässt sich auf fehlenden Niederschlag zurückführen. Denn durch die immer häufigeren Trockenperioden fehle es am Frischwasser. Geplant sind deshalb eine Wasseraufbereitungsanlage und eine winterfeste Beckenhalle.
Darscho-Lacke rechtzeitig abgefischt
Zurück an den Zicksee: Am Montag war dieser „mehr oder weniger ausgetrocknet“, wie Bürgermeister Sattler berichtete. Die letzte größere Wasserfläche im Seewinkel neben dem Neusiedler See ist derzeit der Darscho bei Apetlon. Am Wochenende wurde die Salzlacke bereits vorsorglich abgefischt, um den Fischen das Schicksal ihrer Nachbarn vom Zicksee zu ersparen.
Kommentare