Virusnachweis: Testen wir zu viel?
Es waren nur ein paar Zeilen aus einem internen Papier, die Rotkreuz-Geschäftsführer Gerry Foitik in Erklärungsnot brachten. Darin schlug er vor, in Hinblick auf den Wintertourismus weniger zu testen, um eine „grüne“ Einschätzung der EU-Partner zu erreichen. Das Papier war eigentlich für den Krisenstab gedacht, doch es gelangte an die Öffentlichkeit. Und Foitik kam in Erklärungsnot: Geschönte Corona-Zahlen zugunsten des Tourismus?
„Nein!“, erklärte er auf direkte Nachfrage. Von einer geplanten Manipulation könne keine Rede sein. Es gehe nur darum, dass andere Länder keine Tests bei direkten Kontaktpersonen vornehmen – und somit wäre kein direkter Vergleich möglich.
Darüber, ob das wirklich der Fall ist und ob in Österreich zu viel – oder falsch – getestet wird, ist nun eine Debatte entbrannt. Experten teilen ihre Einschätzungen, wie eine verbesserte Teststrategie hierzulande aussehen könnte.
Kontaktpersonen testen
Der Epidemiologe Gerald Gartlehner, Leiter des Departments für evidenzbasierte Medizin an der Donau-Universität Krems, kann dem Gedanken, Kontakte der Kategorie 1 nicht mehr zu testen, durchaus etwas abgewinnen. Deren Testung habe „keine Konsequenz“. Der Grund: „Diese Gruppe muss ohnehin verpflichtend in Quarantäne bleiben. Treten Symptome auf, werden sie sowieso getestet.“
Er bezeichnet die derzeitige Strategie als „Luxus, den man sich in Österreich leistet. In Phasen, wo man nicht mehr nachkommt, um Infizierte herauszufiltern, sollte man die Strategie überdenken.“ Am 20. Oktober wurden laut Gesundheitsministerium in Summe rund 19.500 Tests eingemeldet.
Wen und wann testen
Florian Thalhammer, Infektiologe an der MedUni Wien, formuliert die Thematik anders. Es stelle sich nicht die Frage, ob mehr oder weniger Personen getestet werden sollen. „Es geht darum, dass man gezielt testet.“ Der Experte hält nichts von flächendeckenden Tests, etwa die gesamte Bevölkerung. „Es müssen Risikogruppen herausgefiltert werden.“ Ähnlich Gartlehner: „Es kommt darauf an, wo routinemäßig getestet wird. Etwa in Pflegeheimen oder unter Risikogruppen macht es durchaus Sinn.“
Wichtige Einschränkung: „Es muss häufig und in kurzen Abständen getestet werden, sonst sind die Ergebnisse nicht aussagekräftig“, sagt Gartlehner. Er führt eine Modell-Studie an, die in einer Notfallaufnahme durchgeführt wurde. „Sogar dort machte es nur Sinn, wenn jede Woche getestet wurde.“
Flächendeckend testen
Was die propagierten, flächendeckenden Tests im Tourismus anbelangt, ist Gartlehner kritisch. „Das ist reines Marketing und die Kapazitäten fehlen dann in anderen Bereichen.“ Infektiologe Thalhammer plädiert dafür, innerhalb von Infektionsclustern intensiver zu testen, anstatt Menschen ohne Symptome. „Eine Untersuchung von Infektiologen der Universität St. Gallen zeigte klar, dass die Cluster viel gefährlicher sind.“
19.500Tests (PCR)
wurden am 20. Oktober eingemeldet
PCR
Die Standardmethode. Genetische Information des Virus wird per Rachenabstrich abgenommen und im Labor vervielfältigt. Bei Gurgeltests ist nur die Probenentnahme anders
Antigen-Tests
Sie weisen für das Virus typische Eiweißbestandteile nach. Die Abnahme per Abstrich muss durch geschultes Personal erfolgen
Antikörper
Nachweis einer durchgemachten Infektion durch im Blut nachweisbare Antikörper
Antigen-Tests
Die zunehmend in den Fokus rückenden Antigen-Tests (Ergebnisse in ca. 30 Minuten) sehen die Experten differenziert. Erst kürzlich wurden sie in die „Österreichische Teststrategie SARS-CoV-2“ aufgenommen. Im Gesundheitsministerium argumentiert man mit immer neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen: „Die Teststrategie wird immer wieder mit Aktualisierungen auf den neuesten Stand – wie nun zuletzt mit den Antigentests – gebracht.“
Sie sollen etwa in Spitalsambulanzen, in Hausarztpraxen, Schulen- oder Altersheimen symptomatische Personen herausfiltern. „Antigentests bieten den Vorteil, dass sie sehr schnelle Ergebnisse liefern. Hochinfektiöse Patienten können mittels Antigentests erfasst werden“, sagt ein Sprecher des Gesundheitsministers.
Bei Antigen-Tests wird nicht wie beim klassischen PCR-Test das Virus-Erbgut nachgewiesen, sondern dessen Protein bzw. die Proteinhülle. Je höher die Virenlast des Infizierten, desto genauere Ergebnisse liefern sie. „Die neue Generation dieser Tests ist sicher besser als die früheren. Aber man erwischt damit auch nicht zuverlässig alle Infizierten“, gibt Thalhammer zu bedenken. Zudem müsse ein PCR-Test angeschlossen werden. „Der Befund muss schließlich stimmen.“
Für Gartlehner ist der richtige Einsatz von Antigen-Tests entscheidend. So müsse sichergestellt sein, dass negative Ergebnisse tatsächlich negativ und nicht falsch-negativ sind, „Ich glaube, um eine akute Erkrankung auszuschließen, sind sie gut geeignet. Das würde auch die Kontaktverfolgung beschleunigen.“
Kommentare