Verbund-Chef: "Strompreise bleiben noch jahrelang hoch"
Mit Anfang Mai hat auch Österreichs größter Stromproduzent Verbund die Strompreise erhöht. Konzern-Chef Michael Strugl nimmt dazu Stellung. Und er sagt, dass nur der Ausbau der Alternativ-Energien unsere Rettung sein kann.
KURIER: Haben Sie auch eine höhere Stromrechnung bekommen?
Michael Strugl: Ja. So wie alle Beschäftigten in unserem Konzern. Mich trifft es nicht so hart wie Menschen mit kleinerem Einkommen.
Sie verstehen also den Ärger der Menschen über die explodierenden Strompreise?
Absolut. Mir macht das Sorgen, was die Teuerungswelle für viele Menschen bedeutet. Und glauben Sie mir, auch uns geht das unter die Haut.
Tun Sie etwas dagegen?
Wir erarbeiten gerade weitere Maßnahmen, wie wir betroffene Kundinnen und Kunden gut durch diese schwierige Situation bringen können. Also zusätzlich zum Stromhilfefonds mit der Caritas, den wir bereits verdoppelt haben.
Gibt es also eine Art Fonds?
Es geht um Härtefälle, wir gehen dem nach und arbeiten an Lösungen. Wir wollen in den nächsten Wochen unsere Kundinnen und Kunden darüber informieren.
Die Strom- und Energieversorger machen alle tolle Gewinne. Und alle sind im öffentlichen Eigentum. Und trotzdem schnalzen die Preise hinauf?
Das hat rechtliche Gründe. Vom Aktienrecht bis zum Kartellrecht. Das Kundengeschäft erfordert eine wettbewerbsrechtlich konforme, marktbasierte Preisbildung.
Der Verbund erzeugt aber Strom überwiegend aus Wasserkraft. Donau- und Gletscherwasser sind ja nicht teurer geworden.
Im Markt bestimmt nicht das Wasserkraftwerk den Preis, sondern das Gaskraftwerk. Das Gas braucht man zum Ausgleich der Nachfrageschwankungen. Das ist in ganz Europa seit Jahrzehnten das Marktmodell. Durch den Krieg zeigt der Markt extreme Verwerfungen. Wir erleben einen Gaspreisschock. Mit allen Konsequenzen.
Was tun?
Die Politik muss sozialpolitische Maßnahmen setzen, was auch schon passiert. Durch Direktzuschüsse und Entlastungen bei Abgaben. Da die Energiekonzerne ja durch ihre höheren Gewinne höhere Dividenden an den Staat abführen, hat der Fiskus da auch einen höheren Spielraum.
Was macht der Verbund mit dem verbleibenden Gewinn?
Den investieren wir in den Ausbau unserer erneuerbaren Erzeugung und Infrastruktur, also etwa in neue Stromleitungen und Speichersysteme. Unser Plan für 2022 bis 2024 sieht 3 Mrd. € an Investitionen vor, allein heuer rund eine Milliarde.
Was halten Sie davon, die Sondergewinne der Stromkonzerne höher zu besteuern?
Da die Regierenden in Bund und Land die Eigentümervertreter der Stromkonzerne sind, ist das deren Entscheidung.
Wie geht es mit dem Strompreis weiter?
Wir müssen vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen davon ausgehen, dass wir auch in den kommenden Jahren höhere Strompreise haben werden.
Von welchem Zeitraum sprechen wir da?
Auf den Terminmärkten sehen wir für die Jahre bis 2025 relativ hohe Preise. Eine gewisse Tendenz nach unten ist sichtbar, aber auf einem sehr hohen Niveau.
Und über 2025 hinaus?
Mittel- bis langfristig müssen wir so viel Erneuerbaren-Erzeugung in ganz Europa dazu zu bauen, dass wir diesen Preisauftrieb wieder in den Griff kriegen. Je schneller wir sind beim Ausbau, desto schneller geht’s nach unten.
Aber sobald irgendwo ein Windrad gebaut werden soll, gibt es einen Aufstand.
Wir wollen in Österreich die Erneuerbaren, gleichzeitig verhindern wir sie. Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass, wird nicht mehr funktionieren. Von der Flächenwidmung bis zum Bau einer Anlage selbst: Das muss jetzt rasch gehen. Wenn es für den Ausbau der Erneuerbaren aber keinen gesellschaftlichen und politischen Konsens gibt, dann können wir uns das aufzeichnen.
Müsste die Politik nicht mutiger werden, bis hin zu Enteignungen, wie wir sie auch vom Straßenbau kennen?
Ich glaube niemand hat Freude damit, wenn man enteignen muss. Leider ist es manchmal so, dass es nicht mehr anders geht.
Was ist eigentlich Ihre Meinung zum bevorstehenden EU-Öl-Embargo?
Der Krieg hat zu einem Preisschock geführt. Österreich ist aus guten Gründen gegen ein Gasembargo. Auch ein Ölembargo kann die Versorgungssituation anspannen, die Preisausschläge muss man dann irgendwie verkraften.
Was wäre bei einem Gasembargo?
Es würde der Energielenkungsfall eintreten. Mit massiven Einschränkungen für die Industrie. Alles in allem wäre das eine enorme wirtschaftliche Bedrohung für den Standort.
Ein guter Teil des Stromsystems basiert ja auch auf Gas.
Ja. Die Gaskraftwerke gleichen einerseits die fehlende Erzeugung in den Wintermonaten aus, wir haben sie aber auch in der Netzstützung. Das heißt: Sie sorgen für die Stabilität des gesamten Systems. Im Winter sind das etwa 25 bis 30 Prozent der Stromerzeugung, im Sommer zwischen fünf und zehn und übers Jahr 18 bis 20 Prozent.
In Europa hat man Gas als Brückentechnologie für die Transformation hin zu den Erneuerbaren gesehen. Diese Grundannahme gilt seit dem Krieg in der Ukraine nicht mehr. Das hat dazu geführt, dass man in einigen Ländern mehr auf Kernkraft setzt. Ich glaube aber auch, dass dadurch Alternativen schneller vorangetrieben werden, Stichwort Wasserstoff.
Man hat technische Vorkehrungen getroffen, um Risiken möglichst zu minimieren. Sowohl was Unterbrechungen und Frequenzschwankungen betrifft, als auch was die Datensicherheit betrifft. Bis jetzt funktioniert das anstandslos.
Haben wir ein Blackout, wenn Russland das ukrainische Stromnetz hackt?
Man kann sich schnell wieder trennen, wenn in der Ukraine etwas passiert. Ein Blackout-Risiko gibt es immer. Das kann man nie völlig ausschließen. Aber man kann Sicherheitsvorkehrungen treffen.
Wasserkraft
Der Verbund betreibt in Österreich und Deutschland 129 Wasserkraftwerke. Sie erzeugen etwa 95 Prozent der gesamten Stromproduktion des Konzerns
Andere Kraftwerke
Der Kraftwerkspark soll zunehmend um Wind- und Solarkraftwerke in mehreren europäischen Staaten erweitert werden, um Schwankungen in der Produktion ausgleichen zu können. Zur Netzstützung kommt außerdem ein Gaskraftwerk zum Einsatz
4,78 Milliarden Euro
Umsatz hat der Verbund vergangenes Geschäftsjahr gemacht und damit um 39 Prozent mehr als 2020. Der Gewinn stieg um 38 Prozent auf 874 Millionen Euro. Heuer sollen es bis zu zwei Milliarden Euro werden. Der Staat hält 51 Prozent der Aktien, weitere 30 Prozent gehören regionalen Energieversorgern
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