Experte: "Öl-Embargo der EU ist ein Schuss ins Knie"

Österreich deckt sieben Prozent seines Bedarfs an Erdöl durch Bohrungen im Inland.  
Energieexperte Johannes Benigni zerpflückt den von der EU geplanten Importstopp von russischem Erdöl.

Am Montag haben die EU-Energieminister über ein Öl-Embargo gegen Russland beraten, Österreich wird dieses nun doch mittragen. Bis spätestens Mittwoch will EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ihren Vorschlag für ein neues Paket mit Russland-Sanktionen präsentieren.

Ausnahmen

Die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einem Öl-Embargo kommt, wird immer größer. Doch bremsen vor allem noch Ungarn und die Slowakei bei dem Vorhaben, da sie stark von Öl-Importen aus Russland abhängig sind. Für sie soll es Sonderregelungen wie Ausnahmen oder eine lange Übergangsperiode geben, um die Einheit der EU-27 zu wahren.

Österreich ist, anders als bei Erdgas, kaum von russischem Erdöl abhängig. Vor dem Krieg in der Ukraine stammten 7,8 Prozent des nach Österreich gelieferten Erdöls aus Russland, seit März wird hierzulande gar kein russisches Erdöl mehr verarbeitet. Österreich fördert übrigens rund sieben Prozent des eigenen Gesamtbedarfs im Inland.

Experte: "Öl-Embargo der EU ist ein Schuss ins Knie"

So sehr sich die EU über den zum Greifen nahen Entschluss für ein Embargo freut, gibt es trotzdem einen großen Schönheitsfehler, meint der österreichische Energieexperte Johannes Benigni von JBC Consulting. „Für einen Experten gibt es keinen Grund, warum man das tun sollte“, sagt der Consulter.

Und erklärt: Wenn die EU kein Öl mehr in Russland kauft, dann werden es andere Länder, vor allem in Asien, tun. Indien habe überhaupt kein Problem, den Russen Öl abzunehmen, da für sie der Ukraine-Krieg einer von vielen sei und sie überhaupt nicht interessiere. Auch China werde russisches Öl kaufen. So lange man Russland nicht völlig isoliere – was nicht realistisch sei – sei ein Öl-Embargo der EU sinnlos.

Gegenteil wäre besser

Und sogar kontraproduktiv. Denn die EU müsse Erdöl nun aus anderen Ländern beziehen und das sei wegen höherer Logistikkosten in der Regel teurer als jenes aus Russland. „Russland wird durch ein Embargo nicht beeinträchtigt, wir erreichen damit gar nichts, zahlen aber mehr. Das ist ein Schuss ins Knie“, sagt Benigni. Es könne zwar sein, dass Russland künftig nicht mehr so viel Erdöl absetzen könne, wegen des aktuell höheren Ölpreises, aber genau so viel wie vor dem Krieg damit verdiene.

Als Alternative zum Öl-Embargo schlägt Benigni genau das Gegenteil dessen vor: Die Preise am Markt sind derzeit überhöht und liegen bei rund 107 US-Dollar für ein Fass der Nordsee-Ölsorte „Brent“. Bei einem ausgeglichenen Markt wären das laut Benigni nur 70 Dollar.

Würde die EU also weiterhin in Russland Erdöl kaufen und damit dazu beitragen, dass sich der Markt beruhigt und die Ölpreise sinken, würde das Russland wesentlich mehr schaden. „Wenn wir wollen, dass Russland weniger Einnahmen hat, dann müssten wir alle den Ölmarkt betreffenden Sanktionen beenden“, meint Benigni.

Das russische Öl gegen anderes zu substituieren sei für Österreich jedoch kein Problem, es gebe genügend andere Anbieter. Würde die ganze Welt kein Öl mehr aus Russland beziehen, sähe die Sache anders aus, dann käme es zu einer Verknappung.

Einen Trumpf hat aber auch Russland in der Hand: Ein großer Teil des Öls für Europa kommt aus Kasachstan, muss aber 800 Kilometer durch Russland ans Schwarze Meer transportiert werden. Russland könnte im Falle eines Öl-Embargos durch die EU die Pipeline blockieren.

Einen Nutzen könnte ein Embargo aber doch haben, meint Klaus Weyerstraß, Außenwirtschaftsexperte am IHS: „Wenn die große Nachfrage der EU ausfällt, dann wird der Preis für russisches Öl fallen.“ Vor dem Krieg lag es gleichauf mit Brent, jetzt ist es um 30 Prozent billiger. Käme es zu einem Embargo, könnte Russland noch deutlichere Abschläge hinnehmen müssen, meint Weyerstraß. Außerdem sei ein Embargo sinnvoll, um zu zeigen, dass die EU doch nicht so stark von Russland abhängig sei, wie es erscheine.

„Deutliche Reaktion“

Ähnlich sieht man das im Umweltministerium von Leonore Gewessler: „Russland bezieht sehr viel Geld durch Öl-Exporte nach Europa. Ein Öl-Embargo wäre ein klares Zeichen und eine deutliche Reaktion auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, das auch für Russland spürbare Auswirkungen hätte.“ Österreich hat seine zögernde Haltung aufgegeben und will jetzt ein Öl-Embargo „konsequent mittragen, wenn die Kommission und die Mitgliedstaaten sich dafür entscheiden“.

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