Verbund-Chef Strugl: Strom wird noch teurer
Verbund-Chef Michael Strugl spricht im KURIER-Interview über die hohen Strompreise, die EU-Taxonomieverordnung, die Energiewende und Haltungsnoten für Politiker.
KURIER: Was sagen Sie als ehemaliger ÖVP-Politiker zu dem Bild, das Ihre Partei bei Postenbesetzungen abgibt?
Michael Strugl: Ich bin aus der Politik ausgeschieden und habe jetzt eine völlig andere Aufgabe. Ich möchte deswegen auch keine Haltungsnoten für Politikerinnen und Politiker vergeben.
Einige große Unternehmen wollen ungeimpfte Mitarbeiter nicht bezahlen, wenn sie nicht eingesetzt werden können. Ist das auch beim Verbund denkbar?
Ich halte das arbeitsrechtlich für problematisch, das ist eine Diskussion, die wir nicht führen. Wir haben schon seit Beginn der Pandemie einen permanenten Krisenstab und ein sehr engmaschiges Sicherheitsnetz mit Schutzkonzepten für alle Standorte. Wenn sich etwas tut, können wir sehr rasch reagieren.
Was bedeutet die EU-Taxonomieverordnung für Sie?
Die Taxonomieverordnung soll Finanzströme in die Technologien lenken, die darin als nachhaltig klassifiziert werden. Insofern ist es für uns als Erneuerbarer-Player schon irritierend, wenn Technologien wie Atomkraft und Gas dasselbe Gütesiegel bekommen sollen.
Wirkt sich das auf die Finanzierung von Projekten aus?
Ja. Denn damit werden Investitionen in diese Technologien auch attraktiver für Investoren, weil sie als nachhaltig gelten. Auch der Förderkuchen ist nicht größer geworden, aber die Stücke kleiner.
Österreich importiert Strom, vor allem im Winter. Ist die Opposition zu Atomkraft und Gas insofern nicht unehrlich?
Wir können uns in Österreich glücklich schätzen, dass wir die Wasserkraft haben. Das haben andere Länder nicht im selben Ausmaß, die müssen andere Technologien suchen. Natürlich kann man berechtigt die Frage stellen, warum nimmt man so schnell große Kapazitäten aus dem Netz, wie in Deutschland. Man muss diesen Umbau gesamthaft sorgfältig planen. Die Kritik ist insofern nicht unberechtigt.
Steht Planung nicht im Widerspruch zum Marktmechanismus?
Ein funktionierender europäischer Strommarkt steht nicht im Widerspruch zur Versorgungssicherheit. Damit das gewährleistet werden kann, braucht es eine gesamthafte Planung und nicht Stückwerk. Man muss das System umbauen, aber es reicht nicht zu sagen ich baue eine gewisse Kapazität an erneuerbarer Erzeugung dazu, ohne die systemische Planung zu hinterlegen. Da ist beispielsweise der Netzausbau oder die Planung von Flexibilitätsoptionen und Speichern genauso wichtig wie Reservekapazitäten.
Braucht Österreich mehr Pumpspeicher?
Ja. Wir gehen davon aus, dass allein für die saisonale Verschiebung vom Sommer in den Winter 10 Terawattstunden (TWh) notwendig sein werden. Davon können wir derzeit ungefähr ein Drittel bewerkstelligen. Wir schätzen, dass man die derzeitige Kapazität verdoppeln könnte. Ich gehe davon aus, dass es auch noch andere Technologien brauchen wird. Damit kommen Gasspeicher ins Spiel. Sehr weit nach vorne gedacht könnten das auch grüne Gase wie Wasserstoff sein. Andere Technologien, wie beispielsweise Batteriespeicher, sind eher kurzfristige, also nicht-saisonale Speicher.
Verbund hat 2021 die Mehrheit an der Gas Connect Austria übernommen – wie zukunftssicher ist Gas?
Fossiles Gas wird als Energieträger noch länger gebraucht werden, auch als Brückentechnologie zu vollständig erneuerbaren Systemen. Es wird nicht von heute auf morgen möglich sein, ohne Gas auszukommen. Das wird für ganz Europa gelten, insofern ist die Versorgung mit Gas ein vitales Interesse des gesamten europäischen Wirtschaftsraumes. Die derzeitige Situation zeigt auch die Vulnerabilität. In der langen Perspektive wird wohl auch Gas immer grüner werden und deswegen ist die Gasinfrastruktur auch in der Zukunft notwendig. Das große Thema ist Wasserstoff. Wasserstoff wird in einem künftigen Energiesystem eine prominente Rolle spielen, aber es wird aber noch eine Weile dauern, bis grüner Wasserstoff marktfähig ist.
...aber ist das Gasnetz Wasserstoff-Fit?
Auch das wird ein Übergang in Etappen sein müssen. In einer ersten Stufe wird es durch Blending möglich sein, Wasserstoff auch in der bestehenden Infrastruktur zu transportieren. Die bestehende Infrastruktur ist eine Grundlage auch für eine künftige Wasserstoffinfrastruktur.
In welchen Bereichen soll der Verbund wachsen?
Wir brauchen einen Zubau in der Erzeugung. Unser Schwerpunkt ist eindeutig die Wasserkraft. Wir wollen jetzt auch in anderen Erzeugungstechnologien wachsen, also Fotovoltaik und Wind. Einerseits, weil ganz Europa sehr viel mehr Grünstrom brauchen wird, aber auch aus einer strategischen Perspektive. Eine bessere Streuung im Erzeugungsportfolio durch andere Technologien, aber auch durch andere Regionen und andere Strompreiszonen hilft uns, schwankende Ergebnisse zu stabilisieren.
Ist durch den Klimawandel mit schlechterer Wasserführung zu rechnen?
Wir beobachten das sehr intensiv. Es geht weniger darum, ob sich das Wasserdargebot über das Jahr gerechnet stark verändert. Es sind die unterjährigen Schwankungen, die Schwierigkeiten machen. Wir sehen immer mehr Situationen, wo es Trockenperioden gibt, das heißt, wir haben dann niedrige Wasserführung und damit einen Erzeugungsverlust. Andererseits gibt es Perioden mit extremen Wetterereignissen. Und auch eine zu hohe Wasserführung bringt Erzeugungsverluste.
Der Verbund hat ein Fotovoltaik-Mietmodell, wird das gut angenommen?
Die Nachfrage ist enorm. Wir könnten wesentlich mehr verkaufen, aber der Engpassfaktor sind die Fachkräfte. Das geht nicht nur uns so.
Welchen Beitrag können Kleinst-Produzenten zur Stromwende leisten?
Grundsätzlich zählt jede Kilowattstunde, wenn wir bis 2030 100 Prozent Strom aus erneuerbaren Quellen schaffen wollen. Insofern ist es gut, wenn viele Private selbst zu Produzenten werden.
Aber ist das nicht vergleichsweise ineffizient?
Natürlich sind große Anlagen effizienter. Trotzdem werden wir beides brauchen. Das ist natürlich auch eine Frage der Teilhabe. Wenn viele Bürgerinnen und Bürger Teil der Energiewende sein wollen, dann muss es auch Angebote und Möglichkeiten geben, wie man sich selbst engagieren kann.
Müssen sich die Konsumenten auf weitere Strompreiserhöhungen einstellen?
Davon ist auszugehen. Wir haben in 20 Jahren Liberalisierung eine Entwicklung gehabt, wo die Strompreise relativ günstig waren und auch inflationsdämpfend gewirkt haben. Jetzt erleben wir eine völlig andere Situation. Faktum ist, dass die meisten Versorger ihre gestiegenen Beschaffungskosten noch gar nicht an die Endkunden weitergegeben haben. Das wird aber passieren, weil die Unternehmen auch zu diesen erhöhten Preisen beschaffen müssen.
Wieso zahlen die Kunden mehr für Strom, obwohl die Konzerne als Erzeuger auch vom hohen Preisniveau profitieren?
Weil es einen Marktpreis gibt. Auch ein Unternehmen wie Verbund muss zu diesen Marktpreisen beschaffen, selbst konzernintern. Die Wettbewerbshüter sind da sehr streng.
Oberösterreicher
Geboren wurde Michael Strugl 1963 im oberösterreichischen Steyr. Er studierte Jus in Linz und später Wirtschaftswissenschaften in Linz und Toronto.
ÖVP-Politiker
Seit 1995 bekleidete er verschiedene Funktionen in der ÖVP Oberösterreich. Ab 2013 war er Mitglied der Landesregierung, ab 2017 Landeshauptmann-Stellvertreter.
Stromkonzern-Manager
Im Jänner 2019 wechselte Strugl in den Vorstand von Österreichs größtem Stromkonzern Verbund, 2021 wurde er zum Vorstandsvorsitzenden.
Kommentare