Die durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine ausgelöste Energiekrise könnte die weltweite Energiewende beschleunigen, prognostiziert die Internationale Energieagentur (IEA). 2022 werde im Nachhinein als Wendejahr gelten, meinte IEA-Chef Fatih Birol anlässlich der Präsentation des World Energy Outlook am Donnerstag in Paris.
Denn zählt man Öl, Kohle und Gas zusammen, war Russland der größte Exporteur der Welt. Seinen wichtigsten Markt Europa hat es aber verloren – und in der IEA geht man nicht davon aus, dass das zerrüttete Vertrauen wieder hergestellt werden kann.
Große Wirtschaftsräume wie die USA, die EU oder Japan würden deswegen vermehrt in erneuerbare Energien investieren. Bis 2030 sollen die jährlichen Investitionen in nicht-fossile Energieträger (inklusive Kernkraft) nach Berechnung der IEA um 50 Prozent von 1,3 Billionen US-Dollar auf 2 Billionen Dollar steigen. Der größte Treiber sei dabei nicht das Klimabewusstsein, sondern die Versorgungssicherheit.
Das derzeitige Revival von Kohle insbesondere in der Verstromung soll demnach nur vorübergehend sein, weil die Erneuerbaren effizienter sind. Nach Schätzung der IEA sollen die Verbrauchsspitzen von Öl, Kohle und Gas bis Mitte der 2030er-Jahre werden (siehe Grafik). Danach werde der Verbrauch fossiler Energieträger abnehmen, obwohl der weltweite Energieverbrauch weiter steigen dürfte.
Die größten Verwerfungen entstehen durch die Energiekrise derzeit in ärmeren Ländern, wo sich die Versorgungssituation durch die stark gestiegenen Preise verschlechtert hat. Dabei wirkt sich vor allem aus, dass Europa heuer deutlich mehr Flüssiggas gekauft hat, um das russische Erdgas zu ersetzen. Diese Mengen fehlen anderswo und die Preise steigen. Dabei wirkt sich heuer noch dämpfend aus, dass China wegen wiederholter Corona-Lockdowns weniger Energie verbraucht hat.
Birol appelliert deswegen an die reichen Länder: Bei der diesjährigen Klimakonferenz im ägyptischen Sharm-El-Sheikh müsse es finanzielle Zusagen geben, um die Energiewende etwa in Afrika voranzutreiben.
Erderwärmung
Laut einem Report der Weltorganisation für Meteorologie der UNO haben die weltweiten Treibhausgasemissionen zuletzt einen Höchstwert erreicht. Die IEA geht davon aus, dass die Emissionen erst 2025 ihren Höhepunkt erreichen. Danach sollen sie langsam zurückgehen. Ausreichend ist das nicht: In diesem Szenario würde die globale Erwärmung, gemessen am vorindustriellen Zeitalter, bis Ende des Jahrhunderts 2,5 Grad betragen.
Wenn alle Ziele und Versprechen des Klimagipfels in Glasgow vergangenes Jahr eingehalten werden, könnte die Erderwärmung auf 1,7 Grad begrenzt werden – das wäre aber immer noch über dem 1,5-Grad-Ziel aus dem Pariser Abkommen. Um dieses zu erreichen, müssten 2030 nicht zwei, sondern vier Billionen US-Dollar investiert werden, so die IEA.
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