Lockdown für 200 Millionen: China verschärft den Corona-Kurs

Chinese Communist Party Congress in Beijing
Es sind Städte betroffen, die für rund ein viertel der jährlichen Wirtschaftsleistung Chinas stehen

Anhaltende Probleme im Immobiliensektor, sinkende Gewinne in der Industrie, langsamere Exporte und anhaltend schwache Einzelhandelsumsätze trüben die Aussichten auf eine starke wirtschaftliche Erholung in China. Trotz des Wachstums im dritten Quartal haben die Analysten von Goldman Sachs ihre Wachstumsprognose für China für das vierte Quartal von zuvor 5,0 Prozent auf 3,5 Prozent gesenkt.

Dazu kommt nun erneut die Angst vor Corona und wie schon bisher praktiziert, scharfe Maßnahmen der Behörden.

Von Wuhan in Zentralchina bis Xining im Nordwesten wurden Stadtteile mit Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern abgeriegelt, um die Ausbreitung des Virus aufzuhalten. Die Behörden meldeten am Donnerstag den dritten Tag in Folge mehr als 1.000 neue Covid-Fälle - eine im internationalen Vergleich geringe Zahl, aber genug, um neue Verbote und Einschränkungen im ganzen Land auszulösen.

Zu den betroffenen Kommunen zählt mit Guangzhou die viertgrößte Stadt des Landes gemessen an der Wirtschaftsleistung. Dort wurden am Donnerstag weitere Straßen und Stadtteile abgeriegelt, Menschen durften ihre Wohnungen nicht verlassen. Der Grund: Neue Gebiete wurden als Hochrisikobereiche eingestuft. "Viele meiner Freunde und Kollegen sind zu Hause eingeschlossen", sagte Lily Li aus Guangzhou. Die Situation sei instabil. "Der Unterricht wurde eingestellt, und auch die Unterhaltungsangebote wurden ausgesetzt", sagte Li. "Das Fitnessstudio, in das ich oft gehe, wurde ebenfalls geschlossen."

Bereits zu Wochenbeginn waren in 28 Städten mehr oder weniger strenge Lockdowns in Kraft. Den Analysten des Finanzinstituts Nomura zufolge waren damit rund 207,7 Millionen Menschen in Regionen betroffen, die etwa 25,6 Billionen Yuan (rund 3,5 Billionen Euro) oder rund ein Viertel des chinesischen Bruttoinlandsprodukts erwirtschaften.

In Wuhan, wo Ende 2019 der weltweit erste Corona-Ausbruch nachgewiesen wurde, werden in dieser Woche etwa 20 bis 25 Neuinfektionen täglich gemeldet. Das hat die Behörden dazu veranlasst, mehr als 800.000 Menschen in einem Stadtteil anzuweisen, bis Sonntag zu Hause zu bleiben. "Ich weiß nicht, was ich tun soll", sagte ein 38-jähriger Einwohner von Wuhan mit dem Nachnamen Chang. "Wir fühlen uns wie betäubt von dem Ganzen. Wir fühlen uns mehr und mehr abgestumpft."

Verkaufsstopp für Schweinefleisch

In Wuhan wurde zudem der Verkauf von Schweinefleisch in Teilen der Stadt ausgesetzt, wie aus Bildern und Beiträgen in den sozialen Medien hervorgeht. Zuvor war ein Corona-Fall festgestellt worden, der nach Angaben der Behörden mit der lokalen Schweinefleisch-Lieferkette in Verbindung stand. In Xining, der Hauptstadt der Provinz Qinghai, wurde in den sozialen Medien von Lebensmittelknappheit und Preissteigerungen bei lebenswichtigen Gütern berichtet. "Um das Risiko einer Übertragung zu verringern, wurden einige Gemüse- und Obstgeschäfte geschlossen und unter Quarantäne gestellt", sagte ein Beamter der Verwaltung von Xining.

Die Lockdown-Welle könnte auch die heimische und die deutsche Wirtschaft treffen. Mit einem bilateralen Handelsvolumen von rund 14,3 Mrd. EUR im Jahr 2019 ist China der mit Abstand wichtigste Handelspartner Österreichs in Asien, heißt es auf der Webseite der österreichischen Botschaft in Peking. Seit 2016 ist China Deutschlands wichtigster Handelspartner: Zwischen beiden Ländern wurden allein im vergangenen Jahr Waren im Wert von 245,4 Milliarden Euro gehandelt.

 

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