Österreichs Curler hoffen auf ein Ende der Stein-Zeit
David Zott trägt Brillen, die rot-schwarze Jacke des Österreichischen Curling Verbands (ÖCV) und einen flotten Spruch auf den Lippen: "Zum Aufwärmen hören wir schon mal den Ski-Twist vom Hansi Hinterseer – immerhin regional", sagt er mit einem Schmunzeln, nachdem er zwei Stunden auf dem gepebbelten Eis gestanden ist und gewischt hat. Zott ist 18 Jahre alt und Curler – und stolz darauf. So wie die sieben anderen Jungs und Mädels zwischen 15 und 20 Jahren, die heute hier mit ihm trainieren.
"Ihr könnt gut wischen, dann putzt doch bitte mal bei uns zuhause", so etwas hört man als Nachwuchs-Curler nicht selten. Das muss man erst einmal wegstecken können. Wenn bei einem internationalen Turnier ein gutes Ergebnis erspielt wird, geht das leichter. Wie jüngst der zweite Platz bei der Junior Star League Tour in Deutschland und Tschechien.
Curling ist während Olympia in vieler Munde. Jeden Tag wurde im Pekinger Aquatics Center gecurlt. Das gesamte restliche Jahr ist der Sport eine Randerscheinung – zumindest in Österreich.
Herkunft
Curling stammt aus Schottland, wo schon im Mittelalter mit flachen, unbehandelten Steinen gespielt wurde. Die erste Weltmeisterschaft fand 1959 statt. Seit 1998 ist Curling olympisch
Ausrüstung
19,959 Kilogramm wiegt ein Curling-Stein maximal. Er wird aus dem seltenen Granit der schottischen Insel Ailsa Craig hergestellt und kostet rund 1.000 Euro. Auf der Unterseite ist der Stein hohl geschliffen – das bewirkt die Drehung ("Curl"). Zur Ausrüstung gehören zudem ein Eisbesen und Spezialschuhe
Spezielles Eis
50 Grad Celsius haben die Wassertropfen, die vor dem Spiel mit einem Spezialgerät auf dem Eis verteilt werden. Man nennt das "pebbeln". Die Tropfen frieren auf der Eisoberfläche und bleiben als kleine Hügel liegen ("Pebbles")
Ziel des Spiels
Das "Haus", in das gespielt wird, ist rund 3,5 Meter breit und ca. 46 Meter vom "Hack" (Abstoßpunkt) entfernt. Es geht darum, den Stein möglichst nahe zum Zentrum zu befördern. Das Wischen beeinflusst Richtung und Geschwindigkeit des Steins
"Olympia fehlt"
Der österreichische Bundestrainer Björn Schröder ist Schweizer und war selbst erfolgreicher Curler. Er hat mehrere Medaillen zuhause, unter anderem WM-Gold aus dem Jahr 1992. "Olympia fehlt", sagt er, ein bisschen wehmütig. Derzeit pendelt Schröder aus dem Schweizer Thun, wo er Lehrer ist, nach Kitzbühel, um die österreichischen Curlingteams zu trainieren, auch den Nachwuchs.
Momentan kommen fast alle Nachwuchs-Curler aus Kitzbühel, weil dort die einzige Halle steht, die speziell für den Curlingsport erbaut wurde. In Steyr ist eine Vier-Rink-Curlinghalle in Planung. Drei- bis viermal pro Woche trainieren die Jugendlichen. Kraft- und Mentaltraining inklusive. Neben der Schule ist so ein Training auf Distanz kaum möglich.
"Entwicklungshilfe"
In Schröders Heimatland ist man mit dem Curling schon etwas weiter. Dort stehen 50 Curling-Hallen, im Umkreis von 25km kann jeder Schweizer eine finden, sagt der Trainer. Zusammen mit dem ÖCV möchte er den Curlingsport bekannter machen und die Begeisterung, mit der nicht nur der Nachwuchs trainiert, nach außen tragen.
Die großen Curling-Nationen gaben sich nun vor großem (TV-)Publikum bei den Olympischen Spielen die Ehre. Bronzemedaillengewinner Kanada konnte, mit 1,5 Millionen Curlern landesweit, aus mehreren Elitemannschaften die beste zu den Spielen schicken. Das Gründerland des Curlingsports, Schottland (dessen Team für Großbritannien ins Finale gekommen ist) und die Schweiz haben immerhin je 10.000 Curler, Finalist Schweden um die 5.000.
Masse und Spitze
In ganz Österreich curlen nur rund 320 Menschen – vom Nachwuchs bis zu den Senioren. "Man braucht eine breite Masse, damit eine gute Spitze entsteht", sagt Schröder. Curling braucht Herzblut und Ausdauer. Wer in Österreich curlt, der macht das neben Job oder Schule und Studium. "Wir versuchen gerade Strukturen aufzuziehen, um das zumindest semi-professionell machen zu können", sagt der Bundestrainer und denkt etwa an den Heeressport. Doch die Entwicklung steckt noch in den Kinderschuhen.
Den Traum von Olympia hat Björn Schröder noch nicht abgeschrieben. Er blickt auf den Nachwuchs, der gerade in der kleinen Halle in Kitzbühel übers Eis "slidet" und wischt. "Wir haben die Idee, in vier Jahren ein Auge auf Olympia zu werfen", sagt er. "Und wenn nicht in vier Jahren, dann in acht…"
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