Curling: Moderne Stein-Zeit
Curling also.
Dieser Sport mit den Besen und den schreienden Frauen; mit den herzzerreißenden Grimassen bei misslungenen Schachzügen; mit den Norwegern mit den wild-gemusterten Hosen.
Na dann los.
Keine Action
Die Faszination von Curling erschließt sich nicht auf den ersten Blick. Wie denn auch? Da fliegt nichts durch die Luft. Da gibt es keine spektakulären Stürze. Da sind es nicht Geschwindigkeit und Akrobatik, die den Reiz ausmachen. Da gibt es auch keine Bodychecks oder Kämpfe Mann gegen Mann. Und auch die Helden auf dem Eis scheinen auf den ersten Blick weniger Marke Hollywood zu sein, sondern eher von der Kategorie Albert Fortell. Ein Irrtum, wie der Blick ins World Wide Web zeigt.
Denn die heißen Feger der Curling-Szene sind längst auch im Internet Stars. "Your jacket is red, your eyes are blue – Anna Sloan, can I go out with you?", reimte etwa ein Fan auf Twitter für die hübsche Blondine aus Schottland, die gar so entsetzt die blauen Augen aufreißt, wenn sie den Stein auf die Reise über die Eisbahn schickt.
Curling hat durchaus das Zeug zum Suchtfaktor. "Ich hab’ da früher auch immer drüber gelacht", sagt ein Kollege über den Sport, der eine Mischung aus Eisstockschießen und Petanque ist, "aber da kippst du voll rein."
Keine Aufregung
Im modernen Ice Cube im Olympia-Park in Adler sind die Bedingungen perfekt. Da herrscht gespanntes Schweigen, wenn wieder ein Athlet kniend übers Eis rutscht und der Besenwirbel beginnt. Wie bei Snooker oder Darts ist es vielleicht gerade diese Unaufgeregtheit einer Präzisionssportart, die die Zuschauer fasziniert. Das Warten auf den nächsten Streich, nach dem kein Stein mehr neben dem anderen bleiben kann.
Die Steine des Anstoßes sind übrigens besonders – besonders teuer nämlich. Wegen der Seltenheit des sogenannten Blue-Hone-Granits kann das Arbeitsgerät der Curler schon tausend Euro kosten. Nur auf Ailsa Craig, einer kleinen Vulkaninsel vor der Westküste Schottlands, ist das wertvolle Gut in dieser harten Form zu finden.
Keine Überraschung
Wer am wischbegierigsten ist und die teuren Steine am besten im Griff hat, wird sich am Freitag zeigen. Dann, wenn der Titelverteidiger Kanada im Finale auf Großbritannien trifft (14.30 Uhr MEZ). Zum fünften Mal in Folge haben es die Kanadier ins Endspiel geschafft, dem 10:6-Erfolg gegen das chinesische Überraschungsteam sei Dank. Nach den Triumphen von Turin 2006 und Vancouver 2010 könnte in Russland nun sogar der Gold-Hattrick gelingen.
Leicht möglich, dass auch dieses Spiel ehemalige Curling-Banausen und langjährige Besen-Ignoranten begeistern wird.
Oh Gott, diese Hose:
Obwohl die Sportart seit 1998 wieder als olympische Disziplin aufgenommen wurde, ist Curling für viele ein Fremdbegriff.
Der Stein muss wohin?
Der besagte Zielkreis, das House, befindet sich am anderen Ende der Eis-Bahn, die ca. 45 Meter lang und fünf Meter breit ist. Der Mittelpunkt des Zielkreises wird als Tee bezeichnet.
Spielziel ist, möglichst viele der acht eigenen Steine näher beim Tee zu platzieren als der am besten platzierte gegnerische Stein. Für jeden solchen Stein im House gibt es einen Punkt.
Es gibt zehn Durchgänge, sogenannte Ends. Die Mannschaft, die das vorherige End verloren hat, hat das immens wichtige Recht des letzten Steins im nächsten End. Bei einem Nuller-End, wenn keine Mannschaft Punkte gemacht hat und das Haus leer geblieben ist, wird das Recht des letzten Steins nicht gewechselt. Daher sind Nuller-Ends viel öfter Strategie als Zufall, um das Recht des letzten Steins nicht zu verlieren.
2 Mannschaften - 4 Team-Mitglieder im Einsatz
Dies ist der Zeitpunkt, an welchem der Besen zum Einsatz kommt. Falls der Stein die Richtung nicht perfekt mitbekommen hat, sind die beiden Besenwischer für eine Richtungsänderung zuständig. Durch die schnelle Bewegung der Borsten entsteht ein Wasserfilm, der sofort wieder gefriert, und so das Eis glatter und schneller werden lässt. Jeder Spieler eines Team lässt pro End zwei Steine über das Eis gleiten, es beginnt der Lead, gefolgt von Second und Third, die besonders wichtigen letzten beiden Steine spielt der Fourth, in der Regel der Skip, dann gibt der Third die Kommandos.
Curling und Olympia
Erstmals war Curling als olympische Disziplin im Jahr 1924 in Charmonix ausgetragen geworden. Bis 1998 gab es drei olympische Demonstrationsbewerbe. Seit 1998 ist Curling wieder fixer Bestandteil der Olympischen Winterspiele.
Für Sotschi haben sich je zehn Herren- (Kanada, China, Dänemark, Deutschland, Großbritannien, Norwegen, Russland, Schweiz, Schweden, Dänemark) und Damen-Teams (Kanada, China, Dänemark, Japan, Großbritannien, Südkorea, Russland, Schweiz, Schweden, Dänemark) qualifiziert. Im Liga-System spielt jeder gegen jeden, die ersten vier qualifizieren sich für das Semifinale.
Kommentare