Der große Öko-Check: Ist Österreich ein Umweltmusterland?
Österreich gibt sich gerne als Vorreiter im Klima- und Umweltschutz. Doch das stimmt nicht so ganz. Der KURIER hat sechs Bereiche unter die Lupe genommen.
Es ist nicht selten, dass Selbst- und Fremdbild auseinanderdriften. So auch jüngst bei der Einschätzung der ökosozialen Steuerreform. Während die Regierung von einer „echten Reform“ und „ökologischen Wende“ sprach, waren Experten, Interessensvertreter und Umweltschützer nicht ganz so euphorisch.
Die CO2-Bepreisung von 30 Euro pro Tonne sei zu niedrig, um einen Lenkungseffekt zu erwarten, meinte etwa das Wirtschaftsforschungsinstitut WIFO. Und umweltschädliche Subventionen und Ausnahmeregelungen wie das Dieselprivileg seien nicht abgeschafft worden, kritisieren WWF und Global2000. Zumindest Wirtschaftskammer und Industrie zeigten sich zufrieden.
Problemkind Verkehr
Fakt ist, Österreich hat ein Klimaschutzproblem namens Verkehr. Er ist Hauptverursacher der Treibhausgas-Emissionen, und diese wiederum steigen seit Jahren. Nur im Pandemiejahr 2020 gab es einen leichten Rückgang. Hier den Hebel in Form eines CO2-Preises anzusetzen, mache also durchaus Sinn, sagen Umweltschutzorganisationen. Auch im Hinblick auf die Klimaziele, die im November beim Klimagipfel in Glasgow wieder Thema sein werden. Bis 2100 soll die Erderwärmung auf 1,5 Grad begrenzt werden. Europa will bis 2050 klimaneutral werden, Österreich bis 2040.
Aber die in der ökosozialen Steuerreform veranschlagten 30 Euro pro Tonne CO2 machen bei Diesel und Heizöl nur eine Teuerung von etwa zehn Cent aus. Laut Ökonomen hätte es mindestens das Doppelte für eine tatsächliche Veränderung im Verhalten gebraucht. Die Regierung rechtfertigte sich damit, dass dies nur ein erster Schritt sei und man „nicht mit dem Holzhammer“ agieren wolle.
„Unberührte Naturschätze“
Letzteren bräuchte es aber wohl, um zumindest Österreichs Selbstbild zu entsprechen. Nämlich jenem des Umweltmusterlandes. Hier gehört weit mehr dazu als die Reduktion der Treibhausgas-Emissionen. Wie ökologisch ist unsere Landwirtschaft? Wie viel Müll produzieren wir? Wie sieht es mit der Artenvielfalt aus? Und wie erneuerbar sind unsere Energiequellen?
Der KURIER hat sich angeschaut, inwieweit das den Tatsachen entspricht. Ein Blick darauf zeigt, dass das Fremdbild teilweise anders aussieht.
Biodiversität
Der Schein trügt. Nur sieben Prozent unserer Landschaftsräume sind naturbelassen. Unter der massiven Bodenversiegelung, Bewirtschaftung der Wälder und Regulierung der Flüsse leidet die Artenvielfalt. Hier sind wir Vorletzter in der EU. Das beschleunigt auch den Klimawandel. Von Totholz befreite Waldböden und asphaltierte Straßen können weniger und Wasser aufnehmen. Naturkatastrophen werden häufiger.
In puncto Verkehr hat Österreich aufzuholen, allen voran beim Motto „Schiene statt Straße“. Seit Jahrzehnten wird die Verlagerung des Güterverkehrs vom Lkw auf die Bahn versprochen. Bis jetzt hat das nicht funktioniert. Das liegt nicht zuletzt an der mangelnden Kostenwahrheit: Der Lkw-Verkehr bezahlt nur einen Teil der Kosten, die er verursacht. Und europaweit hat der Schienenverkehr viele administrative Hürden.
Die ausführliche Einordnung zum Thema gibt es hier:
Wie öko ein Staat sein kann, hängt auch von seinem Umgang mit Ernährung und damit der Landwirtschaft ab. Bio hat in Österreich im Vergleich zu anderen Ländern einen hohen Stellenwert: 2020 erreichte der Bio-Anteil bei Frischwaren im Lebensmitteleinzelhandel 10 Prozent. Das Land hat wohl einen Vorteil: Die Topografie bedingt kleinstrukturierte Landwirtschaft, die für die Erzeugung von Bio-Lebensmittel prädestiniert scheint.
Hier geht es zum umfassenden Landwirtschaftscheck:
Österreich hat sich in der Vergangenheit immer wieder gerne als Weltmeister bei der Mülltrennung präsentiert. Und wirklich liegt das Land im internationalen Vergleich gut. Das heißt nicht, dass alles gut ist. Im Bereich Plastikrecycling muss Österreich deutlich besser werden. Das Pfandsystem kann ein Weg dahin sein. Jeder von uns produziert statistisch gesehen immer mehr Müll. Hier fehlt es eindeutig an Bewusstsein.
Lesen Sie, wie Österreich beim Thema Abfall dasteht:
Ja, Nachhaltigkeit nimmt auch in der Geldanlage immer mehr Fahrt auf. Waren in der Vergangenheit nachhaltige Investments vor allem institutionellen Investorinnen und Investoren vorbehalten, sind es auch immer mehr Private, die ihr Geld nachhaltig anlegen. Gerade Private sind auch die Träger des Wachstums in der Zukunft – allein in den vergangenen zwei Jahren gab es jeweils Wachstumsraten von 77 bzw. 78 Prozent.
Österreich steht in Hinblick auf erneuerbare Energien gut da. Bei der Versorgung mit Ökostrom liegen wir mit über 73 Prozent sogar auf Platz eins in der EU. Das liegt vor allem an den 5.200 Wasserkraftwerken. Erneuerbar bedeutet aber nicht immer nachhaltig, so greift Wasserkraft massiv ins Ökosystem ein. Zudem trüben fossile Importe die Bilanz, zwei Drittel des Energieaufkommens werden dadurch gedeckt.
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