SPÖ: Per Abstimmung aus der Führungskrise
Pamela Rendi-Wagner lächelte. Vielleicht gequält, sicher nicht aus Freude – aber immerhin.
Die Sitzung des Parteipräsidiums war Mittwochnachmittag gerade vorüber, als Pamela Rendi-Wagner ihr Kampflächeln aufsetzte. Nach mehr als drei Stunden Gespräch musste sie von einem Sitzungssaal in den nächsten eilen – nach dem Partei-Präsidium tagte der Partei-Vorstand der SPÖ.
Und hinter der Parteichefin, vielleicht einen, maximal zwei Schritte entfernt, ging der, gegen den die erste Frau an der Spitze der Sozialdemokratie nun bestehen muss: Hans Peter Doskozil, Landeshauptmann des Burgenlandes und seit Dienstag offiziell ihr Herausforderer.
Machtkampf
Die Sozialdemokratie hat am Mittwoch eine Entscheidung gefällt, wie der seit geraumer Zeit tobende, interne Machtkampf gelöst werden soll. Partei-Präsidium und -vorstand werden dem Vorschlag folgen, den Doskozil am Dienstag in einem Brief an die Gremien formuliert hat.
Demnach sollen die geschätzt 140.000 bis 160.000 Partei-Mitglieder befragt werden, ob Rendi-Wagner Parteichefin bleiben soll – oder ob Doskozil die Führung übernimmt.
So gesehen war der Mittwoch für die amtierende SPÖ-Vorsitzende ein eher ernüchternder: Als Bundesparteivorsitzende ging sie in das Partei-Treffen; als mögliche Ablöse-Kandidatin beendete sie den Tag.
Doch so weit ist es freilich noch lange nicht. Zuvor muss es die erwähnte Befragung und einen außerordentlichen Parteitag geben, auf dem das Ergebnis der Befragung formal beschlossen werden kann.
"SPÖ-Frieden im März"
Die rund dreistündigen Sitzungen am Mittwoch verliefen höchst kontroversiell und emotional, wie Sitzungsteilnehmer berichten.
Kärntens Landeshauptmann und SPÖ-Chef Peter Kaiser gab sich erleichtert. „Geschichtsträchtig könnte man sagen: Statt Iden des März heißt es jetzt: SPÖ-Frieden im März.“
Dass man die Parteimitglieder direkt abstimmen lassen oder über den Vorsitz werde befragen müssen, war freilich schon Mittwochmorgen absehbar: Fünf Landesparteien hatten sich für eine Befragung bzw. Urabstimmung ausgesprochen; hinzu kamen 50 Kommunalpolitiker aus fünf verschiedenen Bundesländern, die sich namentlich auf einer Unterschriftenliste für eine Mitgliederabstimmung stark machten.
Und schließlich gab es noch ein anderes, emotional-strategisches Argument, das im Lager von Doskozils Gegnern strapaziert wurde, nämlich: Würde man dem Burgenländer die Urabstimmung verweigern, schaffe man damit einen partei-internen Märtyrer – und die Querschüsse aus Eisenstadt würden wohl kaum enden.
Eine Doskozil-Skeptikerin im Parteivorstand formuliert es so: „Dann kann er taxfrei behaupten, die Partei bzw. das Partei-Establishment hätten sich nicht getraut, die Mitglieder zu befragen, weil sie Angst vor dem Ergebnis haben.“
Zumindest dieses Szenario scheint vorerst abgewendet.
Details zur Befragung noch unklar
Umstritten und unklar war am Mittwoch, wie genau die Befragung ablaufen soll. Das ist allerdings von zentraler Bedeutung, damit am Ende beide Seiten mit dem Ergebnis leben können bzw. den Sieg des oder der anderen akzeptieren.
Der Hintergrund, warum der formale Ablauf so entscheidend ist, ist ein eher unschöner: Als Pamela Rendi-Wagner im Frühling 2020 eine Mitgliederbefragung abhielt, waren es Mitglieder der burgenländischen Landespartei, die Zweifel an der Korrektheit hegten.
Das soll diesmal verhindert werden. Unter anderem, indem man sich an der Kampfabstimmung in der Wiener SPÖ im Jänner 2018 orientiert.
Zur Erinnerung: Ehe sich Michael Ludwig bei einer Kampfabstimmung gegen Andreas Schieder durchgesetzt hat, warben beide in Form von Hearings um die Gunst der Parteigänger. Das könnte bei Doskozil und Rendi-Wagner ähnlich sein. Jeder der beiden könnte für das eigene Programm und mit einem eigenen Team in den einzelnen Bundesländern werben.
Trauma
Die strenge Dramaturgie für Abstimmung und Parteitag soll auch einem Trauma begegnen, das insbesondere die Wiener Genossen plagt, nämlich: der 1. Mai 2016.
Damals war der amtierende Vorsitzende Werner Faymann wegen eines Führungsstreits auf offener Bühne von Genossen ausgebuht und -gepfiffen worden. „Es bestand die ernste Sorge, dass sich diese Szenen 2023 wiederholen könnten“, sagt ein Vorstandsmitglied.
Am späten Abend, als dann auch die Vorstandssitzung beendet war, trat Parteichefin Pamela Rendi-Wagner allein vor die Presse.
„Es hat eine ehrliche Diskussion gegeben, alle haben ihre Meinung gesagt“, erklärte sie vor Journalisten. Sie sei von vornherein für alle Lösungsvorschläge der Situation offen gewesen. „Mir war nur wichtig, dass die Mehrheit die Lösung mitträgt.“
Wie geht’s weiter?
Nächste Woche soll in einer Präsidiumssitzung geklärt werden, wie „Textierung“ und Ablauf der Mitgliederbefragung aussehen. Hans Peter Doskozil ist mit dabei – damit der Burgfriede hält.
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