Promis hängen in Strafverfahren fest: Was dauert da so lang?
Derzeit laufen gleich mehrere große Strafverfahren gegen Persönlichkeiten aus Sport, Kultur und Politik – mit überschaubaren Fortschritten. Arbeitet die Justiz so langsam oder gibt es Hindernisse? Eine Analyse.
Spätestens seit der Buwog-Causa, die sich heuer schon im 14. Jahr befindet, wird über die Beschleunigung von Strafverfahren diskutiert. Österreich bewegt sich bei der durchschnittlichen Verfahrensdauer zwar im Spitzenfeld. Die „clamorosen“ – die aufsehenerregenden und politisch brisanten – Fälle ziehen sich häufig über Jahre. Und es macht den Eindruck: Weder Kritik noch Reformen (wie das Zurückfahren der Berichtspflichten) noch das massive Aufstocken des Justiz-Budgets scheinen gefruchtet zu haben.
Die Causa Commerzialbank jährt sich bald zum dritten Mal, die Ibiza-Affäre mitsamt Spesen-Skandal um Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache „feiert“ ihr viertes Jubiläum. Die Lebensbeichte von Ex-ÖVP-Intimus Thomas Schmid ist knapp ein Jahr her, vom Kronzeugenstatus ist er aber noch weit entfernt.
Eine vergleichsweise kleine Angelegenheit – die mutmaßliche Falschaussage von Ex-Kanzler Sebastian Kurz – steckt seit Jahresbeginn in den Mühlen der Justiz fest. Und die Causa Teichtmeister hätte eigentlich schon im Februar verhandelt werden sollen.
Was dauert da so lang? Der KURIER hat nachgeforscht.
Commerzialbank: 57 Beschuldigte, null Anklagen
Verfahren wegen Betrug, Untreue, Geldwäscherei: Beginn im Juli 2020
Eine Anklage werde „so schnell nicht möglich sein“, sagte Norbert Wess, Anwalt von Martin Pucher, Anfang 2021 – ein halbes Jahr nach Auffliegen des Commerzialbank-Skandals. Er rechne damit, dass die Aufarbeitung noch ein bis eineinhalb weitere Jahre dauern werde.
Mittlerweile sind zweieinhalb Jahre vergangen und Anklagen lassen immer noch auf sich warten.
Am 14. Juli 2020 wurde die Regionalbank mit neun Standorten im Bezirk Mattersburg wegen mutmaßlicher Bilanzfälschungen behördlich geschlossen, die Überschuldung lag bei 700 Millionen Euro. Kurz darauf hat die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) die Ermittlungen aufgenommen. Insgesamt gibt es aktuell 57 Beschuldigte, darunter zwölf Verbände.
Ein mit der Causa vertrauter Anwalt sagt dem KURIER, er verstehe nicht, warum die diversen Untreuefälle (heillos überschuldete Betriebe bekamen weiter Kredite von Pucher) nicht schon längst verhandelt wurden. Das sei seinerzeit im ähnlich gelagerten Fall der Kärntner Hypo-Alpe-Adria ja auch passiert.
Verfahren wegen Kinderpornos: Hausdurchsuchung im August 2021
Es ist wohl der Fall, der aktuell den Volkszorn nährt: Schauspieler Florian Teichtmeister soll laut Staatsanwaltschaft Wien von Februar 2008 bis Sommer 2021 mehrere Zehntausend Dateien mit Darstellungen von missbrauchten Kinder und Jugendlichen beschafft haben.
Am Beginn der Ermittlungen steht ein Notruf bei der Polizei wegen häuslicher Gewalt. Nur zwei Tage später führen die Beamten eine Hausdurchsuchung bei Teichtmeister durch. Zahlreiche Datenträger werden sichergestellt. Die Auswertung dauert mehr als ein halbes Jahr.
Der geplante Prozess am 8. Februar 2023 gegen Teichtmeister muss kurzfristig wegen Erkrankung des Angeklagten abberaumt werden. Der Richter nützt die Zeit, um weitere Erhebungen in Auftrag zu geben. Die Ergebnisse sind mittlerweile bei Gericht eingelangt.
Für Verärgerung in der Öffentlichkeit sorgt, dass sich der Schauspieler immer wieder in Lokalen in der Wiener Innenstadt sehen lässt. Passanten fertigen Fotos an und veröffentlichen sie.
Ein neuer Prozesstermin im Herbst ist wahrscheinlich.
Ermittlungen wegen Falschaussage im U-Ausschuss: Anzeige im Mai 2021
Drei Jahre ist es her, dass der damalige Kanzler Sebastian Kurz im Ibiza-U-Ausschuss saß und zur ÖBAG befragt wurde; mehr als zwei Jahre, dass die WKStA Ermittlungen wegen Falschaussage aufgenommen hat.
Der Weisungsrat, der die Ministerin berät, hat das Vorhaben der WKStA mittlerweile abgesegnet – welches Vorhaben das ist, ist weiter geheim. Es seien noch „rechtliche Erwägungen“ zu einer anderen Person zu klären, teilte das Justizministerium vergangene Woche mit.
Dass dieser Zwischenschritt kundgetan wird, hat wohl mit dem öffentlichen Druck zu tun. Niemand will „schuld“ sein, dass sich die Entscheidung, ob der Ex-Kanzler angeklagt (oder ob das Verfahren eingestellt) wird, so lange hinzieht.
Gleichzeitig will niemand einen Fehler machen. Immerhin wäre es der erste Strafantrag gegen den Ex-Kanzler, dem noch andere, viel komplexere, Dinge vorgeworfen werden (z. B. Inseratenkorruption).
Die WKStA, die immer wieder mit dem Vorwurf der Endlos-Ermittlungen konfrontiert ist, hat ihre Arbeit jedenfalls schon im Jänner abgeschlossen. Der Ball liegt jetzt im Justizministerium.
Antrag auf Kronzeugenstatus nach Geständnis: gestellt im November 2022
Das Geständnis des ehemaligen ÖVP-Intimus Thomas Schmid schlug im Herbst 2022 ein wie eine Bombe. Über den Sommer hatte Schmid in 15 ganztägigen Vernehmungen Ex-Kanzler Sebastian Kurz, mehrere ÖVP-Leute und Unternehmer sowie sich selbst schwer belastet. Im November 2022 beantragte Schmid dann den Kronzeugen-Status.
Die WKStA lässt ihn seither zappeln – der Antrag liegt noch immer in der Behörde. Dort hieß es bereits im April, die neu offenbarten Sachverhalte müssten auf ihren „Wahrheitsgehalt“ überprüft werden. Diese Prüfung läuft noch.
Die WKStA ist sich also noch nicht sicher, ob sie Schmid trauen kann bzw. ob er den Kronzeugenstatus verdient hat – immerhin käme er damit quasi straffrei davon. Sollte Schmid gelogen haben, verliert er den Status und würde auch für Taten angeklagt, die er selbst offenbart hat. Und auch für die Justiz wäre das wohl eine Blamage.
Bei Sabine Beinschab, jener Meinungsforscherin, die für die ÖVP Umfragen frisiert haben soll, vergingen zwischen Geständnis und Bewilligung des Kronzeugen-Status übrigens rund zehn Monate.
Straches Spesen: Jeder Beleg wird einzeln überprüft
Ermittlungen wegen Untreue: publik seit September 2019
In zwei Verfahren wurde Heinz-Christian Strache, Ex-FPÖ-Chef und Vizekanzler, bereits rechtskräftig freigesprochen. In der Spesen-Causa kommt die Staatsanwaltschaft Wien indes kaum vom Fleck.
Seit 2019 wird ermittelt – und an belastendem Material gab es auf den ersten Blick genug: Ehemalige Leibwächter sagten aus, sie hätten private Einkäufe für Strache erledigt und danach falsche Rechnungen organisiert, damit sie bei der Partei als Spesen durchgingen. Auch Straches ehemalige Büroleiterin belastete ihn schwer.
Die Sache ist aber doch etwas komplizierter. Bei den Ermittlungen tauchte Unstimmigkeiten auf. Die Mitarbeiter könnten sich (auch) selbst bereichert haben. Ein Beispiel: Eine Jacke, die Strache angeblich für seine damalige Frau Philippa in New York kaufen hat lassen, war eine Herrenjacke. Und sie soll auch nicht Philippa gehören, sondern einem Leibwächter.
Die Ermittler prüfen nun jeden einzelnen Beleg, den die Wiener Landes-FPÖ übermittelt hat – diese datieren teils bis 2012 zurück. Und dann muss noch ermittelt werden, ob Strache jeweils den Auftrag gegeben hat. Das dauert.
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