Des Unglücks Schmid: Wie Chats und Geständnis die ÖVP in Atem halten

Des Unglücks Schmid: Wie Chats und Geständnis die ÖVP in Atem halten
Thomas Schmid belastet viele ÖVP-Politiker, Unternehmer und Boulevardmedien schwer. Die WKStA ist noch nicht überzeugt von ihm – ob er Kronzeuge wird, ist offen.

Der 12. November 2019 ist ein Tag, der wohl in die Geschichte eingehen wird. Es war der Tag, an dem Ermittler an die Tür des damaligen ÖBAG-Chefs Thomas Schmid in Wien-Mariahilf klopften und er ihnen relativ entspannt sein Smartphone aushändigte.

„Ich habe heute alles gelöscht“, hatte Schmid einige Wochen zuvor noch seiner Assistentin geschrieben. „Und noch einmal alles durchsucht und weggeworfen. Genial.“

So „genial“ war die Aktion aber gar nicht. Die gelöschten Daten befanden sich noch auf einem externen Speichergerät, dessen Existenz sich Schmid offenbar nicht bewusst war. Die 300.000 Nachrichten, die sich am Gerät des langjährigen Finanz-Generalsekretärs und Kabinettschefs befanden, sind purer politischer Sprengstoff – und noch immer sind nicht alle ausgewertet.

Wahrheitsgehalt?

Das Handy war erst der Anfang. Im Sommer 2022 legte Schmid bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) eine Lebensbeichte ab, 454 Seiten umfasst das Protokoll. Der ehemalige ÖVP-Intimus hat dabei „neue Sachverhalte offenbart“, wie es formal heißt.

Sein Ziel: Kronzeuge werden. So wie Sabine Beinschab, jene Meinungsforscherin, die der WKStA Ende 2021 neue Infos in der Inseratenaffäre geliefert hatte.

Schmid ist vom begehrten Kronzeugenstatus aber noch ein gutes Stück entfernt: Der Antrag liegt seit vier Monaten bei der WKStA. Erst, wenn die Behörde ihn bewilligt, kann sie ihn auf den internen Berichtsweg schicken, der über die Oberstaatsanwaltschaft zum Justizministerium und wieder retour führt.

Eine WKStA-Sprecherin erklärt: „Das Gesetz sieht vor, dass neu offenbarte Sachverhalte auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen sind. Diese Prüfung dauert noch an.“

Es reicht also nicht, dass Schmid seine mutmaßlichen Komplizen aus der ÖVP und aus Unternehmerkreisen beschuldigt. Die WKStA forscht erst nach, ob etwas dran ist. Schmid muss sich also gedulden.

 

Die WKStA ermittelt seit fast vier Jahren im „Ibiza-Verfahrenskomplex“ (Wir erinnern uns: Die Causa startete eigentlich mit einem Video und Vorwürfen gegen die FPÖ) und zählt aktuell 45 Beschuldigte. Es gab zwei Festnahmen, 40 Hausdurchsuchungen und 30 Sicherstellungen außerhalb davon.

Der zentrale Akt besteht aus 417.000 Seiten, 30 Terabyte an Rohdaten wurden sichergestellt. Ein großer – wenn nicht der größte – Teil ist auf Zufallsfunde zurückzuführen, die Ermittler auf Schmids Handy entdeckt haben.

Ein Überblick:

  • ÖBAG-Führung

Im Herbst 2019 beschränkten sich die Vorwürfe gegen Schmid noch darauf, dass er sich selbst zum ÖBAG-Chef gemacht haben soll. Die Jobausschreibung soll er auf seine Person zugeschnitten haben, als er noch im Finanzressort tätig war. Legendär sind die Chats zwischen ihm und dem damaligen Kanzler Sebastian Kurz: „Ich liebe meinen Kanzler“ und „Kriegst eh alles, was du willst“.

Kurz soll später im U-Ausschuss zur Frage, inwieweit er eingebunden war, falsch ausgesagt haben. Ein entsprechender Strafantrag wird erwartet.

  • Beinschab-Tool

Am 6. Oktober 2021 gab es mehrere Hausdurchsuchungen: Gegen den damaligen Kanzler Kurz und einige Mitarbeiter aus Kanzleramt und Finanzressort, die Meinungsforscherinnen Sophie Karmasin und Sabine Beinschab sowie das Boulevardblatt Österreich wird wegen Inseratenkorruption ermittelt.

Zwei Tage später trat Kurz zurück – später folgten einige türkise Ministerinnen und Minister. In einer damit verwandten Causa steht Ex-Ministerin Karmasin demnächst vor Gericht.

  • Postenschacher

Schmid war im Finanzressort ein mächtiger Mann – entsprechend einflussreich soll er auch bei Personalentscheidungen gewesen sein. Laut Chats soll er auf Wunsch von ÖVP-Klubchef August Wöginger dafür gesorgt haben, dass ein ÖAAB-Freund Finanzamtchef im Innviertel wurde.

  • Finanz-Interventionen

In Schmids Chats gab es schon länger Hinweise darauf, dass er millionenschweren Unternehmern und ÖVP-Spendern bei Steuerangelegenheiten geholfen haben soll. Gegenüber der WKStA legte der Ex-Finanz-General dann ein entsprechendes Geständnis ab und belastete Siegfried Wolf und René Benko schwer. Eine bevorzugte Behandlung soll sich auch Investor Ronny Pecik erhofft haben (der KURIER berichtete über dessen Stellungnahme dazu).

  • Causa Dichand

Teil der „neuen Offenbarungen“, mit denen Schmid Kronzeuge werden will, sind Vorwürfe gegen Vertreter von zwei weiteren Boulevardzeitungen: Heute und Krone. Am Donnerstag gab es an mehreren Standorten Hausdurchsuchungen. Neun Personen werden beschuldigt, darunter wieder Ex-Kanzler Kurz und besagte Mitarbeiter.

Schmid schilderte einen „Deal“ zwischen ihm und Verlegerin Eva Dichand: Das Finanzressort sollte das Inseratevolumen für Heute und Krone (mit Ehemann Christoph Dichand als Herausgeber) erhöhen und eine negative Stellungnahme zu einer Novelle abgeben.

Für die „politische Hilfsbereitschaft“ habe Eva Dichand ihm „wohlwollende Berichterstattung“ über Kurz in Aussicht gestellt, gab Schmid zu Protokoll. Kurz sei „selbstredend stets über das Vorgehen informiert gewesen“. Alle Beteiligten bestreiten die Vorwürfe.

Der Ursprung

Soweit zu den Causen, die Schmid mit Handychats und Geständnis losgetreten hat. Was aber führte die Ermittler überhaupt an den Honigtopf?

Es war eine anonyme Anzeige im Sommer 2019 bezüglich der Bestellung von Peter Sidlo als Finanzvorstand der Casinos Austria AG. Neben Walter Rothensteiner, Hubert Fuchs und Hartwig Löger war darin noch ein vierter, damals nur wenig bekannter Name zu lesen: Thomas Schmid. Der Rest ist Geschichte.

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