Doch daran soll sich Karmasin – sie wird von den Rechtsanwälten Philipp Wolm und Norbert Wess vertreten – nicht gehalten haben. Sie habe „bewusst verschwiegen, dass sie ihre selbstständige Tätigkeit mit dem Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Ministeramt fortgesetzt hat“, heißt es in der Anklage. Konkret geht es um 78.589,95 Euro, die Karmasin von 19. Dezember 2017 bis 22. Mai 2018 zu Unrecht bezogen haben soll.
In eMails, unter anderem mit ihrer ehemaligen Mitarbeiterin Beinschab, sind derartige Nebenbeschäftigungen Thema. „Herr G. will dich für 2 Vorträge beauftragen. 3.500 Euro pro Vortrag ok?“, fragt Beinschab etwa.
Laut Anklage soll Karmasin gleich mehrere entgeltliche Vorträge gehalten und Projekte abgewickelt haben. Mit der Rechnungslegung, so die WKStA, habe man aber bewusst gewartet. Veranstalter hatten teils schon mehrfach urgiert. Aus „buchhalterischen Gründen“ habe man dann aber ausgemacht, die Rechnung später zu schicken.
Ausgerechnet ein Journalist brachte dieses Thema ins Rollen. ORF-Moderator Martin Thür stellte am 7. März 2022 eine entsprechende Anfrage an den Sprecher des Bundeskanzlers. Nur wenige Stunden später teilte Karmasin via Anwalt mit: „Die Rückzahlung der vier Monatsgehälter ist bereits erfolgt, da allein die Optik natürlich nicht gut ist bzw. war und Frau Dr. Karmasin so einen (ersten Beitrag) einer Verantwortungsübernahme leisten möchte.“ Am Konto des Bundeskanzleramtes gingen schließlich knapp mehr als 62.000 Euro ein. Verwendungszweck: „Refundierung Ministergehaltsfortzahlung“.
Der zweite Anklage-Komplex betrifft mögliche Preisabsprachen bei drei Studien für das Sportministerium. Karmasin, die ein renommiertes Meinungsforschungsinstitut betrieben hat, soll u. a. Beinschab aufgefordert haben, teurere Scheinangebote zu legen, um so ins Geschäft zu kommen.
Für die Studie „Motivationsanalyse – Bewegung und Sport“ verrechnete Karmasin 63.600 Euro, für „Frauen im Vereinssport“ 63.890 Euro. Für die Studie „Kinder und Jugendliche im Vereinssport“ legte Karmasin ein Angebot in Höhe von 68.980 Euro vor, zog dies aber zurück. Am Tag davor hatte es Hausdurchsuchungen gegeben. Zudem wurden Mitarbeiter des Sportministeriums misstrauisch.
Rund um diese Studien geriet auch der mitangeklagte Spitzenbeamte des Sportministeriums ins Visier der Ankläger. Er soll den Inhalt der Studien vorab mit Karmasin abgestimmt und die Scheinangebote akkordiert haben.
Chefsache
Minister Werner Kogler (Grüne) zog bereits Konsequenzen. Er informierte den Spitzenbeamten persönlich, dass er ab sofort bis zu einem Urteil vom Dienst freigestellt wird.
Kogler hat schon nach dem erstmaligen Bekanntwerden der Vorwürfe eine interne Revision beauftragt. Weil gegen interne Vorgaben zur Auftragsvergabe verstoßen worden sein soll, entmachtete Kogler seine Beamten schon damals. Die Vergabe aller externen Dienstleistungen (Studien, Gutachten und Beratungsleistungen) muss seit Mai 2022 von der Präsidialsektion genehmigt werden – unabhängig von der Höhe des Betrages.
Karmasin, die zwischenzeitlich auch in Untersuchungshaft war, drohen im Falle eines Schuldspruches bis zu drei Jahre Haft. Die WKStA jedenfalls ist überzeugt: „Es ist zu berücksichtigen, dass die Taten (...) auf einer gegenüber rechtlichen geschützten Werten ablehnenden und gleichgültigen Einstellung beruhten, von einem überaus planvollen Vorgehen geprägt waren und das Handeln der überdies wirtschaftlich äußerst gut situierten Erstangeklagten auf maximale persönliche Bereicherung zulasten der Allgemeinheit (...) gerichtet war.“
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