Strache über die heutige FPÖ: "Man könnte auch Kickl-Sekte dazu sagen"
Aussagen von Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache auf Ibiza waren der Auslöser für die Skandalwelle, die seit 2019 über Österreich rollt. Aus der anfänglichen FPÖ-Affäre wurde bald ein handfester ÖVP-Skandal. Strache gibt sich bis heute keiner Schuld bewusst und glaubt, dass sein Sturz auch von der eigenen Partei betrieben wurde.
KURIER: Herr Strache, um diese Zeit vor fünf Jahren standen Sie am Höhepunkt Ihrer politischen Karriere, Sie führten Regierungsverhandlungen und wurden bald danach Vizekanzler. Eineinhalb Jahre später waren Sie alles wieder los. Wie ist es Ihnen ergangen seither?
Heinz-Christian Strache: Man wacht nach dem Rücktritt auf und stellt fest, dass man keine Krankenversicherung mehr hat, keine Gehaltsfortzahlung und keine Vorbereitung getroffen hat für ein Leben nach der Politik. Ich hatte ja vierzehn Jahre Berufsverbot als Politiker und mein zahntechnisches Labor ruhend gemeldet. Viele, die ich für Freunde hielt, haben sich nach dem Rücktritt abgewandt, das Telefon nicht mehr abgehoben, mich verleumdet. Da lernt man den Charakter mancher Menschen kennen.
Wie lange dauerte es, bis Sie sich wieder erfangen hatten?
Zwei Jahre. Ich war in einer Spirale gefangen, ich habe nur darüber nachgedacht, wer hinter all dem steckt. Dazu kam die existenzielle Bedrohung. Die FPÖ-Spitze hatte mir schriftlich zugesichert, die strafrechtlichen Anwaltskosten zu übernehmen, mir einen Beratervertrag zugesagt, wenn ich zum Wohl der Partei auf mein EU-Mandat verzichte. Nichts davon wurde eingehalten.
Hat Ihnen auch jemand geholfen?
Einige haben sich als echte Freunde entpuppt, die haben mich finanziell und menschlich unterstützt. Und ohne meine großartige Frau und Familie hätte ich das alles nicht durchgestanden.
Aber laut der Anwältin Ihrer Frau leben Sie jetzt in Scheidung.
Das ist meine Privatsache. Dazu sage ich nur, meine Frau ist das Beste, was mir in meinem Leben passiert ist.
Wovon leben Sie jetzt? Was machen Sie beruflich?
Ich bin als Unternehmer tätig. Ich habe mir über drei Jahre einen bescheidenen Kundenstock aufgebaut. Ich berate große Betriebe bei Marktoptimierungen, ich suche Investoren für Entwicklungs- und Bauprojekte und für Start-ups. Würde ich keine Verfahrenskosten haben, die nach drei Jahren in die Hunderttausende gehen, würde ich ein gutes Auslangen haben. So muss ich mehr verdienen als je zuvor und lebe bescheidener als je zuvor.
Anlass für die Beschlagnahme Ihres Handys im August 2019 war eine anonyme Anzeige in der Causa Casinos. Es hieß, Sie hätten einen Postendeal mit der ÖVP. Was wurde damals wirklich ausgemacht?
Gar nichts. Wir als FPÖ hatten ja nichts zu reden bei den Casinos. Es war so, dass ein ehemaliger Geschäftspartner von Peter Sidlo, der als Finanzberater unter anderem auch für die Novomatic tätig war, der Novomatic den Peter Sidlo für den Casinos-Posten vorschlug. Ich habe mich darüber gefreut, dass einmal einer von der FPÖ vorgeschlagen wird. Wissend, dass die ÖVP immer jeden torpediert hat, der aus der FPÖ kam, habe ich dann dem Hartwig Löger geschrieben, sie sollen das bei Sidlo nicht machen. Da kam dann der berühmt gewordene Daumen als Antwort zurück.
Die Chats und die Aussage von Thomas Schmid erzählen einiges über die ÖVP. Wie haben Sie die ÖVP in der Regierung erlebt?
Machtversessen. Die sind seit 1986 durchgängig in einer Regierung, die haben es in den Genen, reine Machtpolitik zu leben und nicht frischen Herzens eine nachhaltige Veränderung in dem Land zuzulassen. Ich habe immer und immer wieder die Widerstände kennengelernt. Die ÖVP ist auch doppelbödig. Da gab es oft Zusagen, die dann in Abrede gestellt wurden. Man hat gesagt, die ÖVP ist wie eine schwarze Spinne, die frisst ihren Partner. Aber ich habe mich nicht fressen lassen, und das war ihnen besonders unangenehm. Die haben ja geglaubt, dass der Strache und die FPÖ in der Regierung in kürzester Zeit pulverisiert sein würden. Aber das Gegenteil war der Fall. Bis zum Ibiza-Video haben wir uns auf hohem Niveau von 24 bis 26 Prozent bundesweit gehalten und unsere Regierungsfähigkeit bewiesen.
Sebastian Kurz bedauert neuerdings, dass er nach dem Ibiza-Video Türkis-Blau aufgelöst hat.
Er hatte mir versprochen, wenn ich als Vizekanzler und aus allen Partei-Funktionen zurücktrete, dann würde er die Regierung fortführen. Er hat sein Wort nicht gehalten.
Wie war das in Ihrer Partei? Es heißt, Herbert Kickl habe damals auch sofort an Ihrem Sessel gesägt.
Das war offenkundig in Absprache mit Kurz der Fall. Kurz dürfte meinem Umfeld versichert haben, wenn der Strache geht, geht es mit der Regierung weiter. Darauf haben sie dann gebaut. Dann kamen sie drauf, dass nicht nur ich gelegt wurde, und sie mitgemacht haben, mich zu legen, sondern dass sie selber auch gelegt wurden. Denn dann kam der Anruf, nach Strache muss auch Kickl weg.
Von Ihrem damaligen Leibwächter Oliver Ribarich hat man den Eindruck, dass er Sie eher überwacht als bewacht hat. Er belastet Sie in der Spesenaffäre. Gleichzeitig war er auch FPÖ-Funktionär. Wie erklären Sie sich das?
Ribarich hatte den klaren Auftrag, Dinge gegen mich zu konstruieren. Er hatte auch mit der Ibiza-Bande jahrelang Kontakt. Er ist in die gleichen Lokale gegangen wie ich und hat meinen Namen auf die Rechnungen geschrieben. Er hat ein regelrechtes System aufgebaut. Es würde mich nicht wundern, wenn das mit dem einen oder anderen in der eigenen Partei abgesprochen war.
Meinen Sie Herbert Kickl?
Ich nenne keine Namen. Im Zuge des Spesenverfahrens wird aufzuklären sein, was da in der eigenen Partei los war. Ribarich und Co wollten mich mit Fake-Rechnungen und erfundenen Geschichten kriminalisieren. Es wurde sogar geplant, Drogen in meinem Auto zu verstecken, um dann der Polizei einen Zund zu geben.
Es gab dann auch eine Sporttasche mit Bargeld im Kofferraum.
Auch das ist erstunken und erlogen. In meiner Sporttasche mit meiner Schmutzwäsche war nie Geld. Das hat er hineingelegt, und ich weiß auch, wie. Als diese Komplotte nicht funktioniert haben, haben sie das Ibiza-Video gemacht. Ribarich spielte eine schäbige Rolle, und die spielte er sicher nicht allein. Es gibt einige Verbindungslinien in der Partei. Auch bei Kickl und Dagmar Jenewein-Belakowitsch ging er aus und ein.
Wie sehen Sie die FPÖ heute?
Es wird leider keine freiheitliche Familie mehr gelebt. Das ist ein Führungsproblem. Man hört von Verleumdungen, Ausschlüssen und Intrigen. Jörg Haider und ich waren immer unter den Menschen, immer bei den Bürgern. Heute sind dort Bürohengste tätig, die nicht rausgehen und sich nur im eigenen Vier-Personen-Mitarbeiterkreis bewegen. Man könnte auch Kickl-Sekte dazu sagen. Aber ich bin und bleibe freiheitlich. Das ist eine Lebenseinstellung.
Straches Verfahren
Gegen Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache ermittelt die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft und die Staatsanwaltschaft Wien. Straches Rechtsvertreter ist der Strafverteidiger Johann Pauer
Eingestellt
Sechs Ermittlungsstränge wurden von den Strafverfolgungsbehörden eingestellt, die Verdachtslagen haben sich nicht erhärtet
Einstellung abgewiesen
In zwei Fällen, je einer von der Staatsanwaltschaft Wien und der WKStA, wollten die Ermittler die Verfahren einstellen. Im Zuge der Berichtspflicht hat jedoch die Oberstaatsanwaltschaft angeordnet, dass weiterhin zu ermitteln sei
Schuldspruch aufgehoben
In der Affäre um den Privatkrankenanstaltenfinanzierungsfonds wurde Strache im August 2021 erstinstanzlich schuldig gesprochen. Strache wurde wegen Bestechlichkeit zu 15 Monaten bedingt verurteilt. Das Oberlandesgericht hat den Schuldspruch aufgehoben, entlastende Chats seien nicht ausreichend berücksichtigt worden. Der Prozess wird am 21. November wiederholt
Freispruch beeinsprucht
In einem weiteren Verfahren soll Strache seinem Freund Siegfried Stieglitz über Intervention einen Aufsichtsratsposten in der Asfinag besorgt haben, als Gegenleistung für eine Spende an einen parteinahen Verein. Weil keine volle Gewissheit über die Täterschaft gegeben war, wurde Strache freigesprochen. Die WKStA ging in Berufung, diese Entscheidung steht noch aus
Spesenermittlungen dauern
Im Spesenverfahren, bei dem vor allem Ex-Leibwächter Oliver Ribarich Strache belastet, dürften die Ermittlungen noch ein, zwei Jahre dauern. Es geht darum, ob Straches Spesen vom Parteiengesetz gedeckt sind
Zwei Casinos-Stränge
Zwei Ermittlungsstränge gegen Strache laufen in der Casinos-Akte
Kommentare