Der lange Weg in der Causa Kurz
Es ist eine der spannendsten innenpolitischen Fragen der jüngeren Zeit: Wie ist der Stand der Dinge in der Causa Kurz? Genauer gesagt gibt es zwei Causen: die sogenannte Affäre rund um angeblich manipulierte Umfragen und Inserate als Gegengeschäfte; und jene um eine behauptete Falschaussage des damaligen Bundeskanzlers Sebastian Kurz vor dem Ibiza-Untersuchungsausschuss im Juni 2020.
In zweiterer Angelegenheit gab es zuletzt wieder Bewegung (der KURIER berichtete). Am Dienstag wurde bekannt, dass der Weisungsrat in Sachen Falschaussage getagt hat. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) hatte ihre Ermittlungen dazu bereits im Frühjahr abgeschlossen und einen Vorhabensbericht an die Oberstaatsanwaltschaft (OStA) geschickt. Danach wanderte der Akt ins Justizministerium und ging von dort an den Weisungsrat, der bei der Generalprokuratur (die höchste Staatsanwaltschaft der Republik) angesiedelt ist. Dessen Aufgabe ist es, ein Gutachten für das Justizministerium zu erstellen.
„Keine Einwände“
Am Mittwoch hieß es dann, der Weisungsrat habe sich zum Vorhabensbericht geäußert, und diese Stellungnahme sei im Ministerium eingelangt. Knappes Fazit: Der Weisungsrat habe „zum Vorhaben bezüglich Bundeskanzler a. D. Sebastian Kurz keine grundsätzlichen Einwände“. Freilich ist damit nichts über den Inhalt des Vorhabens ausgesagt, auch wenn das manche bereits dahingehend deuteten, dass eine Entscheidung in Richtung Anklage (korrekt: Strafantrag) gefallen sei.
Ergänzend hieß es aus dem Ministerium, es seien seitens des Weisungsrates rechtliche Erwägungen hinsichtlich einer weiteren vom Vorhaben umfassten Person geäußert worden. Und: „Zum Zeithorizont kann wie immer keine Auskunft gegeben werden.“
Worum es bei dem Vorwurf „Falschaussage“ geht
„Mittlerweile hat es fast schon Tradition in Österreich, dass Medienvertreter vor den Betroffenen über Verfahrensschritte informiert werden“: So reagierte ein Sprecher von Sebastian Kurz auf das Bekanntwerden der Stellungnahme des Weisungsrats. Das ist ein „Dauerbrenner“ in der Geschichte: die Frage, wie, wann, von wem und warum irgendwelche Ermittlungsschritte an die Medien gelangen. Denn eigentlich, so sehen es zumindest die Beschuldigten, dürfte während des gesamten Verfahrens nichts an die Öffentlichkeit gelangen – immerhin handelt es sich um einen Verschlussakt –, solange keine finale Entscheidung, also Strafantrag (Anklage) oder Einstellung, gefallen ist.
Gleichzeitig haben Kurz und sein Umfeld mehrfach zu erkennen gegeben, dass sie mit einem Strafantrag rechnen – und vielleicht sogar darauf hoffen, weil dann „die Wahrheit“ ans Licht kommen würde. Ganz in diesem Sinne äußerte sich der Kurz-Sprecher auch diesmal: „Es wäre für uns jedenfalls wenig überraschend, wenn die WKStA trotz 30 entlastender Zeugenaussagen dennoch entschieden hätte, einen Strafantrag zu stellen. Faktum ist: Die Vorwürfe sind falsch, und wir freuen uns darauf, wenn nun endlich die Wahrheit ans Licht kommt und sich die Anschuldigungen auch vor Gericht als haltlos herausstellen.“
Was sind die Vorwürfe? Im Kern geht es darum, in welcher Weise bzw. wie intensiv Kurz in die Umwandlung der Staatsholding ÖBIB in die ÖBAG und die Bestellung des BMF-Generalsekretärs (und Kurz-Vertrauten) Thomas Schmid zum Alleinvorstand sowie in die Auswahl des Aufsichtsrates eingebunden war.
Kurz hatte das vor dem U-Ausschuss im Juni 2020 faktisch als normale Vorgänge beschrieben und damit den Verdacht irgendwelcher Politdeals zurückgewiesen.
Im Frühjahr 2021 haben die Abgeordneten Kai Jan Krainer (SPÖ) und Stephanie Krisper (Neos) Anzeige gegen Kurz wegen angeblicher Falschaussage vor dem U-Ausschuss bei der WKStA eingebracht.
„Nein“ – „Na“
Dabei spielen im Konkreten einzelne Formulierungen eine große Rolle: So wurde Kurz vom Neos-Abgeordneten Helmut Brandstätter gefragt, ob er mit Thomas Schmid darüber gesprochen habe, dass er ÖBAG-Chef werden könnte. Laut Protokoll antwortete Kurz: „Nein, es war allgemein bekannt, dass ihn (Schmid; Anm.) das grundsätzlich interessiert“, und Schmid habe auch als „potenziell qualifizierter Kandidat“ gegolten. Tatsächlich aber hatte Kurz seine Antwort nicht mit „Nein“, sondern mit einem umgangssprachlichen „Na“ eingeleitet: „Na, es war allgemein bekannt …“ Dieses protokollierte „Nein“ wurde Kurz dann als Falschaussage ausgelegt; sein Ansinnen, das Protokoll in diesem Punkt zu ändern, wurde abgelehnt.
„… informiert, ja“
Ein weiterer Streitpunkt dreht sich um die Interpretation des Wortes „eingebunden“ (betreffend die Bestellung von Schmid). Auf die Frage von Kai Jan Krainer, ob er, Kurz, „im Vorfeld eingebunden“ gewesen sei, antwortete der Kanzler mit „Eingebunden im Sinne von informiert, ja.“
Die Kurz’sche Lesart besagt nun, dass er damit eine Involvierung nicht bestritten habe. Der Verdacht der Gegenseite geht dahin, dass Kurz darüber hinaus sehr wohl Einfluss auf die – formal dem Aufsichtsrat obliegende – Bestellung genommen habe. Was Kurz freilich definitiv bestreitet.
Weitere Vorwürfe betreffen die Besetzung des Aufsichtsrats und einen angeblichen Personaldeal zwischen Schmid und einem FPÖ-Mann.
Kommentare