Kickl will "Vertrauen in die ÖVP investieren"
24 Stunden ließ Herbert Kickl ohne öffentliche Stellungnahme verstreichen, nachdem ihm Bundespräsident Alexander Van der Bellen am Dreikönigstag den Auftrag zur Bildung einer Regierung erteilt hat. Es wäre die erste unter der Führung der FPÖ.
Unter entsprechend großem Medieninteresse meldet sich Kickl Dienstagnachmittag dann doch zu Wort. Titel der Pressekonferenz in der FPÖ-Parteizentrale in Wiener Reichsratsstraße: „Österreich ehrlich regieren“.
In Erwartung möglicher Störaktionen von FPÖ-Gegnern hatten sich Polizisten und Securities vor dem Eingang postiert.
Staatstragender Kickl
Auf den Plakaten im Medienraum hat sich der mögliche blaue Rollenwechsel schon vollzogen: „Verantwortung für Österreich“, lautet der neue Slogan, der die schrillen Wahlkampf-Parolen verdrängt hat.
Mit einem „herzlichen Grüß Gott“, startet Kickl sein halbstündiges Statement, das mehr Ansprache als Pressegespräch ist. Zu hören ist ein ruhiger, selbstbewusster, für seine Verhältnisse moderat-staatstragender FPÖ-Chef.
„Unser Land wurde an die Wand gefahren, besonders in der Wirtschaft“, lautet sein Befund. „Wir sind nicht nur mit einem massiven Defizit konfrontiert, die Einheitsparteien haben auch ein enormes Vertrauensdefizit.“ Sie hätten versucht, das Wahlergebnis vom September noch umzudrehen.
Kickls Antwort: „Österreich ehrlich regieren. Wer dazu nicht bereit ist, der kann auch kein Partner sein. Weil er dann auch kein Partner der Bevölkerung ist“. Eine klare Botschaft an die ÖVP und ihren neuen Chef Christian Stocker, die in den vergangenen Stunden eine dramatische Kehrtwende von erbitterten Kickl-Gegnern zu möglichen Kickl-Kanzlermachern vollzogen haben.
Warnende Stimmen
Der FPÖ-Chef spricht denn auch ausführlich von vielen warnenden Stimmen, die ihn in den vergangenen Stunden erreicht hätten, „ob man dieser ÖVP überhaupt vertrauen kann. Viele sagen: ,Achtung, die wollen euch nur ausrutschen lassen‘.“ Diese Skepsis habe ihre Berechtigung, so Kickl „Ich habe persönlich meine Narben abbekommen. Ich nehme das sehr ernst“, erinnert er an seinen Sturz als Innenminister 2019 auf Betreiben von ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz in Folge der Ibiza-Affäre.
„Die zweite Seite ist aber“, so Kickl weiter: „Man soll niemandem absprechen, klüger zu werden. Ich habe diesen optimistischen Zugang. Deshalb investieren wir jetzt Vertrauen. Ich habe Karl Nehammer schon gesagt, dass unsere Hand ausgestreckt ist. Das war für mich nicht leicht, aber es war ehrlich. Nehammer hat das ausgeschlagen und Schiffbruch erlitten.“
Nun habe er auch dem neuen Parteichef Stocker die Hand ausgestreckt. „Das war auch nicht leicht. Es ist aber professionell, persönliche Befindlichkeiten hintanzustellen.“
Kickls Bedingungen
Wobei er von der ÖVP klar einfordert: „Ehrlichkeit und Vertrauen muss auch damit erwidert werden.“
Dem nicht genug: „Nötig ist auch das Bewusstsein, wer Wahlsieger ist, wer die Fehler der Vergangenheit zu verantworten hat“, stellt Kickl klar, wer der Tonangebende in den nun folgenden Gesprächen sein wird. Und so richtet er eine unmissverständliche Warnung in Richtung der Türkisen: „Keine Spielchen, keine Tricks, keine Sabotage und keine Quertreiberei.“ Sondern eben eine ehrliche Politik im Sinne eines wörtlich „Wiederaufbaus“ Österreichs.
Zudem wähnt auch Kickl – ähnlich wie die verhinderten Koalitionspartner von SPÖ und Neos – unterschiedliche Kräfte und Interessen, die innerhalb der ÖVP am Werk sind. Deshalb fordert er von den Türkisen: „Unser Partner muss geschlossen und homogen sein. Ist das nicht gewährleistet, war es das schon wieder. Dann gibt es Neuwahlen. Wir sind dafür gerüstet“, gibt sich Kickl selbstsicher.
Er hätte es sich leicht machen können, angesichts der Umfragen, die der FPÖ schon an die 35 Prozent voraussagen. Aber Neuwahlen würden das Interesse der Partei über jenes des Staates stellen, noch mehr wertvolle Zeit würde verstreichen, betont der freiheitliche Obmann.
So geht es weiter
Apropos Zeit: Nach der Präsidiumssitzung Dienstag Abend will Kickl Stocker zu einem ersten Gespräch kontaktieren. Zunächst soll ausgelotet werden, ob eine Koalition überhaupt möglich ist. Die eigentlichen Verhandlungen sollen dann in eher kleinem Kreis und unter strikter Verschwiegenheit erfolgen.
Konkrete inhaltliche Punkte – etwa, wie das aus dem Ruder gelaufene Budget saniert werden soll – erwähnt Kickl nicht. Nur so viel: „Wir können unsere Heimat aus einer tiefen Talsohle wieder auf eine Erfolgsspur bringen. Nicht schnell – aber in absehbarer Zeit.“
ÖVP will sich nicht unter Druck setzen lassen
ÖVP-Klubobmann August Wöginger reagiert gegenüber Ö1: „Wenn man das ernst meint, ist es sicher notwendig, wieder vertrauensbildende Maßnahmen zu setzen.“ Die ÖVP wisse um ihre „Verantwortung für das Land und die Menschen“. Dieser habe man sich nie entzogen. In Richtung Kickl meinte Wöginger: „Es ist aber nicht Zeit, Druck auszuüben.“
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